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Verweigerte Antragsstellung beim AG – oder: Ein Appell zu „mehr Respekt“

© stockWERK - Fotolia.com

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Schon seit längerem hängt in meinem Blog-Ordner“ der OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2013 – 2 Ss OWi 199/13. Immer wieder habe ich dazu bloggen wollen, aber nie so richtig die Zeit gefunden, weil der Beschluss m.E. nicht ganz einfach ist. Jetzt aber dann doch, vor allem weil er veröffentlicht ist/wird, und der Kollege RiAG Dr. Krenberger dazu in der zfs (vgl.zfs 2013, 470) eine Anmerkung geschrieben hat (dazu unten mehr).

Warum, nicht einfach? Denn auf den ersten Blick und wenn man den Leitsatz liest, an sich keine Probleme, oder?

„Wird mit der Verfahrensrüge beanstandet, das Gericht habe in der Hauptverhandlung eine von der Verteidigung beabsichtigte Beweisantragstellung durch „Nichtzulassung“ vereitelt und die Protokollierung des Antrags entgegen § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO verweigert, setzt eine hierauf gestützte Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts bzw. der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung, sofern das Protokoll über das behauptete Verfahrensgeschehen keine Auskunft gibt, nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO für ihre Zulässigkeit Darlegungen zum Wegfall der Beweiskraft des Protokolls voraus, aus denen sich entweder die offenkundige Fehlerhaftigkeit des Protokolls oder aber der Nachweis einer bewussten gerichtlichen Falschprotokollierung ergibt.“

Da bin ich – wie es heute häufig so schön heißt – ganz beim OLG. Diesem Leitsatz/der Entscheidung lag eine (behauptete) „verweigerte Antragstellung“ des Amtsrichters zu Grunde, die das OLG wie folgt beschreibt:

1. Soweit der Betroffene in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vorträgt, er habe „versucht“, in der Hauptverhandlung einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ordnungsgemäßheit der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung zu stellen, das AG habe diesen Beweisantrag jedoch „kategorisch abgelehnt und noch nicht einmal zugelassen“, und hierzu in der Gegenerklärung der Verteidigung vom 11.03.2013 ergänzend mitgeteilt wird, dass sich das Gericht geweigert habe, den Beweisantrag zu protokollieren, „da der Vorsitzende Richter gar nicht darauf eingegangen ist und den Antrag für nicht zulässig befunden hatte“, entspricht die erhobene Verfahrensrüge der fehlerhaften Behandlung eines Beweisantrages bzw. der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG an eine zulässige Verfahrensrüge…“

Das OLG argumentiert dann weiter: Die Stellung eines Beweisantrages sowie der Beschluss über die Ablehnung eines Beweisantrages gehören auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG zu den wesentlichen Förmlichkeiten einer Hauptverhandlung und können grundsätzlich nur durch das Protokoll bewiesen werden. Hier sind sie nicht im Protokoll und damit „gilt als nicht geschehen, was im Protokoll nicht beurkundet ist„. Ein Grund ins Freibeweisverfahren sieht das OLG nicht, da das Protokoll selbst erkennbare Fehler, wie offensichtliche Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche, nicht aufweist .

Alles richtig, alles gut und ich bin beim OLG – obwohl mal an der Stelle die Frage erlaubt sein muss, wie eigentlich bei einem nicht empfangs-/verhandlungsbereiten Tatrichter der Nachweis der Lücke geführt werden kann/soll: Protokollberichtigungsantrag, na ja? Aber auch das kann man, wenn auch mit viel Theater – aber was soll es, da eh „Leben in der Hauptverhandlung“ ist – hinbekommen.

Schwierigkeiten habe ich dann mit der Passage:

„b) Vorliegend ist das Protokoll jedenfalls nicht offenkundig fehlerhaft. Es kann aber auch dahingestellt bleiben, ob die Verteidigung tatsächlich in den Raum stellen will, der erkennende Richter habe es bewusst wahrheitswidrig und damit in strafbarer Weise (§ 348 StGB) unterlassen, die Stellung sowie die Ablehnung des von der Verteidigung behaupteten Beweisantrages in die Verhandlungsniederschrift aufzunehmen. Die Behauptung, der Tatrichter habe die Protokollierung des Beweisantrages verweigert, wurde nämlich erst – nach entsprechendem Hinweis der GenStA auf die negative Beweiskraft des Protokolls in ihrer vorgenannten Antragsschrift – in der Gegenerklärung der Verteidigung vom 11.03.2013 erhoben. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG angebracht worden, so dass es ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen ist (vgl. KK-Kuckein StPO 6. Aufl. § 345 Rn. 24; BGH StV 1999, 407). Da in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift selbst schlüssige Darlegungen zu einem Sachverhalt fehlen, der zum Wegfall der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls führen würde, bestand für den Senat damit keine Veranlassung, im Freibeweisverfahren – etwa durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des erkennenden Richters – über den Ablauf der Hauptverhandlung Beweis zu erheben (vgl. hierzu auch OLG Hamm Beschluss vom 24.06.2008 – Beck RS 2008, 23889).

Schwierigkeiten nicht aus Rechtsbeschwerdegerichtspunkten, denn auch insoweit bin ich beim OLG. Und sicherlich wird man auch den Umstand nicht übersehen können/dürfen, dass der Vortrag zur „Antragsverweigerung“ erst so spät gekommen ist (dazu nur an den Kollegen: Wenn ich das Fass schon aufmache, dann muss es aber auch passen, und zwar von Anfang an, denn das OLG weist zu Recht auf den darin liegenden Vorwurf hin).

Was mich stört? Für mich klingt die Passage ein wenig danach, als ob sich das OLG einen „nicht empfangsbereiten Tatrichter“, der eine Antragstellung verweigert, nicht vorstellen kann. Habe ich früher auch nicht gekonnt, aber: Nachdem ich nun seit fast 10 Jahren in FA-Kursen und Fortbildungen referiere und referiert habe, kann ich sagen: Er ist wohl doch kein Phantom, sondern es scheint ihn zu geben, und zwar bundesweit. Anders kann ich nämlich nicht erklären, dass in fast jedem FA-Kurs die entsprechenden Fragen kommen, wie man sich verhält, wenn der Amtsrichter einen Antrag nicht entgegen nehmen will, also ein Szenario beschrieben wird, wie es hier im Verfahren beim OLG Bamberg vorgetragen/behauptet worden ist. Das spricht für mich dafür, dass  es an dieser Stelle Probleme in der Praxis zu geben scheint. Und ich räume ein: Ich habe mir das früher zunächst gar nicht vorstellen können und immer mit dem Satz „gekontert“: „Das kann nicht sein, der Richter muss den Antrag entgegennehmen, ihn zu Protokoll nehmen und auch bescheiden“. Das sage ich heute nach vielen FA-Kursen zwar auch noch, aber nicht mehr so fassungslos. Die Diskussion dreht sich dann jetzt mehr um „Gegenmaßnahmen“.

Ich hatte ja bereits auf die Anmerkung des Kollegen Dr. Krenberger hingewiesen. Ich bin auch bei ihm, wenn er aufzählt, was der Verteidiger alles hätte können und müssen, nämlich u.a.:

  • ordnungsgemäße schriftliche Abfassung des Beweisantrages, um ihn als Anhang im Protokoll zu haben,
  • ggf. Befangenheitsantrag, wenn die Antragstellung verweigert wird,
  • später Protollberichtigungsantrag,
  • immer § 238 Abs. 2 StPO beachten,
  • ausreichende Begründung der Rechtsbeschwerde.

Und ich bin auch bei ihm, wenn er schreibt: „Das OLG Bamberg betont zu Recht, dass die hier aufgestellte Behauptung dem Vorsitzenden quasi einen Straftatbestand unterstellt. Sollte der Sachverhalt in der Hauptverhandlung also doch nicht so stattgefunden haben, läge es für den Dienstherrn nicht fern, die Einleitung eines eigenen Strafverfahrens gegen den Verteidiger zu prüfen und eine Mitteilung an die Kammer zu machen„. Bei ihm allerdings nur fast, denn: Warum eigentlich nur die „Keule Strafverfahren“ gegen den Verteidiger? Warum wäre/ist nicht auch die Einleitung eines Verfahrens gegen den Amtsrichter zu prüfen?. Denn immerhin: Anfangsverdacht, den könnte man, wenn man berücksichtigt, wie schnell man damit sonst oft bei der Hand ist, bejahen, oder? Und Zeugen, die zum Geschehen in der Hauptverhandlung etwas sagen könnten, gibt es auch. Da gibt es zumindest den Betroffenen und ggf. auch weitere Zuhörer.

Auch den dann folgenden Appell des Kollegen Dr. Krenberger unterschreibe ich, wenn er meint: „Abseits der Förmlichkeiten der StPO und des Beschwerde- bzw. Revisionsrechts macht diese Entscheidung deshalb auch deutlich, dass zu einem „ordnungsgemäßen“ Verfahren mehr gehört als die schlichte Beachtung des Rechts, nämlich: der gegenseitige Respekt. Die dezenten Hinweise des OLG Bamberg sollten deshalb Mahnung zur Selbstreflexion für alle Prozessbeteiligten sein, sich stets dem Berufsstand entsprechend und der Sache nach angemessen zu verhalten.

Wenn der Kollege damit nicht nur den/die Verteidiger/Rechtsanwälte meint, sondern auch auch die Richter, dann bin ich bei ihm. Wenn er hingegen nur die meint, dann nicht, denn „Gleichen Respekt für alle“. Aber der Kollege meint wohl beide. Denn: Nur der gegenseitige Respekt  schafft  eine sachliche Verhandlungsatmosphäre, in der sich, was auch viele (Amts-)Richter so sehen, in aller Regel die besten = sachgerechten Ergebnisse erzielen lassen.