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Der BGH kann zählen, das LG nicht, oder: Berichtigung

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Einen sog. Zählfehler berichtigt hat der BGH im BGH, Beschl. v. 22.11.2016 –   1 StR 471/16, der in einem Verfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt ergangen ist. Verurteilt hatte das LG den Angeklagten in 38 Fällen, in den Urteilsgründen war dann aber nur von 37 Fällen die Rede. Der BGH „berichtigt“ den Urteilstenor und verwirft dann als „ou“ nach § 349 Abs. 2 StPO:

„Die vom Senat entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vorgenommene Berichtigung des Urteilstenors hinsichtlich der Anzahl der Taten ist zulässig, weil es sich um ein offensichtliches Verkündungsversehen in dem Sinne handelt, dass dem Landgericht ein Fehler allein bei der Zählung der abgeurteilten Fälle unterlaufen ist. Ein solcher Zählfehler darf berichtigt werden, wenn er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils begründen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 2 StR 562/05 mwN). So liegt es hier. Da das Landgericht in den Urteilsgründen auch nur von 37 Fällen ausgegangen ist, kann ausgeschlossen werden, dass sich der Tenorierungsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.2

Judex non calculat 🙂

Etwas mehr Sorgfalt – auch beim Urteilstenor

Wer achtet schon auf den Urteilstenor :-), obwohl gerade er ja mit besonderer Sorgfalt abgefasst werden sollte.

Jedenfalls hatte der Amtsrichter, der die dem Beschl. des OLG Jena, Beschl. v. 16.11.2011 – 1 Ss Bs 17/11 zugrunde liegende Entscheidung erlassen hatte, auf den Urteilstenor nicht viel Mühe und Sorgfalt verwendet. Ergebnis: Das OLG hat aufgehoben, und damit vemutlich auch die Verteidigerin – aus dem Beschluss ergibt sich nicht eindeutig, ob sie den Fehler gesehen und gerügt hatte -, überrascht. Begründung:

„Es ist schon nicht ersichtlich, wegen welchem Tatvorwurf eine Verurteilung der Betroffenen erfolgte. Im Urteilstenor wird lediglich ausgesprochen, dass die Betroffene wegen „fahrlässig begangener Ordnungswidrigkeit„ zu einer Geldbuße von 270,00 € verurteilt wird. Dies stellt einen durchgreifenden Rechtsfehler dar.

Da die Regelung des § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO auch für die Abfassung der Urteile in Bußgeldsachen gilt, muss die Urteilformel die rechtliche Bezeichnung der Tat enthalten (KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 71 Rdnr. 97). Dazu „soll“, wenn vorhanden, die gesetzliche Überschrift des jeweiligen Straftatbestandes verwendet werden (§ 260 Abs. 4 Satz 2 StPO). Passt die gesetzliche Überschrift nicht oder fehlt eine gesetzliche Bezeichnung wie oft im Nebenstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, so genügt eine pauschale Kennzeichnung nicht, vielmehr ist der Tatbestand in geeigneter Weise begrifflich – nicht durch Beschreibung des tatsächlichen Tatverhaltens – präzise und für die Prozessbeteiligten und die Öffentlichkeit griffig und verständlich zu bezeichnen. Eine Bezeichnung durch die Paragraphen des Gesetzes sollte unterbleiben (KMR-Stuckenberg, StPO, § 260 Rdnr. 43).

Wenngleich Formel und Gründe des Urteils ein ganzes derart bilden, dass jene aus den Gründen ausgelegt und unter gewissen Voraussetzungen ergänzt werden kann, wenn Art und Umfang der getroffenen Entscheidung unklar ist, so muss doch zwischen Formel und Gründen scharf unterschieden werden. Grundsätzlich ist eine Entscheidung, die in der Formel keinen Ausdruck gefunden hat, nicht getroffen. Daher muss die Urteilsformel, als Grundlage für die Vollstreckung und die Eintragung der Verurteilung in das Bundeszentral- bzw. Verkehrszentralregister, aus sich selbst heraus verständlich sein (vgl. LR-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 260 Rdnr. 28 und 30; KMR-Stuckenberg, StPO, § 260 Rdnr. 28). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Liste der angewandten Vorschriften, denn diese sind kein Bestandteil des Urteilstenors (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rdnr. 51).“

Also: Noch mal neu.