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Mehrwertsteuer auch bei unwirtschaftlichem Ersatz?

© mpanch - Fotolia.com

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Schon etwas älter ist das OLG Köln, Urt. v. 07.05.2014 – 16 U 171/13, das ich heute vorstellen möchte. Es geht/ging um die Frage, ob der Geschädigte eines Verkehrsunfalls die auf eine Ersatzbeschaffung anfallende Mehrwertsteuer auch dann ersetzt verlangen kann, wenn der Geschädigte anstelle der gebotenen Reparatur eine unwirtschaftliche Ersatzbeschaffung vornimmt. Das OLG Köln hat die Frage bejaht:

„Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist die Mehrwertsteuer nur insoweit zu ersetzen, als sie tatsächlich angefallen ist. Der Kläger hat durch Vorlage der Rechnung hinreichend nachgewiesen, dass Mehrwertsteuer in Höhe von ca. 1.200 € angefallen ist. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

Der Kläger kann auch die Reparaturkosten nach Gutachten mit der Mehrwertsteuer einer (unwirtschaftlichen) Ersatzbeschaffung kombinieren. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11, zit. nach [juris]) und auch dem Willen des Gesetzgebers (BT-DrS 14/7752 S. 24). Die Ersatzbeschaffung ist ebenfalls eine Maßnahme der Schadensbeseitigung, wenn auch im vorliegenden Fall eine unwirtschaftliche. Die Mehrwertsteuer ist daher auf den Betrag beschränkt, der bei der wirtschaftlichen Reparatur angefallen wäre. Der Gesetzgeber wollte den Geschädigten aber durch § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nicht daran hindern, den unwirtschaftlichen Weg der Schadensbeseitigung zu wählen, solange er nur die Kosten für die wirtschaftlich gebotene Wiederherstellung verlangt. Dabei kann er aber – wenn die Umsatzsteuer tatsächlich angefallen ist – diese bis zu dem wirtschaftlich erforderlichen Betrag verlangen.

Diese Grundsätze gelten gerade dann, wenn der Kläger – wie inzwischen zwischen den Parteien unstreitig – sein Fahrzeug unrepariert veräußert (BGH Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 363/11, zit. nach [juris]).

Der Kläger muss sich den Erlös für das unrepariert veräußerte Fahrzeug nicht anrechnen lassen. Der Wiederbeschaffungswert ist lediglich bei einer Abrechnung auf Totalschadensbasis abzuziehen. Der Kläger rechnet aber auf Reparaturkostenbasis ab. Diese Abrechnung verstößt auch nicht gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot. Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt erkennbar nicht vor.“

Unfallschadenregulierung: Wie weit darf ich mich abschleppen lassen?

entnommen wikimedia.org Author: Maschinenjunge

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Author: Maschinenjunge

Eine für die Unfallschadenregulierung interessante Konstellation behandelt das AG Ratingen, Urt. v. 29‌.‌11‌.‌2013‌ – 9 C ‌292‌/‌13‌.  Es ging nämlich um die Frage, in welcher Höhe nach einem Verkehrsunfall Abschleppkosten zu ersetzen sind. Der Geschädigte hatte seinen beschädigten Pkw nämlich nicht zur nächst gelegenen Vertragswerkstatt schleppen lassen, sondern zu einer weiter entfernten an seinem Heimatort. Das AG Ratingen geht von folgenden Grundsätzen aus:

  • Die Kosten, die einem Geschädigten aus einem Verkehrsunfall durch das Abschleppen des Fahrzeugs entstanden sind, gehören grundsätzlich zum ersatzfähigen Schaden infolge eines Unfalls.
  • Aufgrund der Schadenminderungspflicht des Geschädigten sind die zu erstattenden Abschleppkosten aber grundsätzlich auf einen Abschleppvorgang zur nächstgelegen, geeigneten Werkstatt begrenzt.
  • Geeignet in diesem Zusammenhang ist jede nächstgelegene Werkstatt des Herstellers des Fahrzeugs und somit die nächstgelegene Herstellerwerkstatt, da im Reparaturfall davon auszugehen ist, dass jede Vertragswerkstatt in der Lage ist, eine Reparatur fachgerecht durchzuführen.
  • In Ausnahmefällen kann jedoch, ohne dass dem Geschädigten ein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht anzulasten ist, auch ein Abschleppvorgang bis zum Heimatort des Geschädigten zu ersetzen sein, wenn andernfalls entsprechende oder höhere Kosten entstehen würden.
  • Abschleppkosten zur Heimatwerkstatt sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn spätere Abholkosten bedeutend günstiger gewesen wären als das Abschleppen bis zur Heimatwerkstatt.

Im entschiedenen Fall sind die höheren Abschleppkosten nicht ersetzt worden:

„Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger hier erheblich höhere Kosten entstanden wären, die den Ersatz der hier entstandenen Abschleppkosten rechtfertigen, wenn sein beschädigtes Fahrzeug nur bis zu einer Vertragswerkstatt nach S verbracht worden wäre. Warum sein weniger als drei Jahre altes Fahrzeug zwingend in der Vertrauenswerkstatt zu reparieren ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, sodass eine besondere Notwendigkeit zur Beauftragung einer Werkstatt in Köln seitens des Klägers nicht ausreichend dargelegt wurde.“