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Parken eines E-Scooters mit Behinderung anderer, oder: Halterhaftung?

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Und als zweite Entscheidung heute dann den AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 06.09.2023 – (297 OWi 812/23). In ihm hat das AG zur Aufhebung eines Kostenbescheides (§ 25a StVG) Stellung genommen. Der insoweit gestellte Antrag des Betroffenen hatte keinen Erfolg:

„Nach der maßgeblichen Aktenlage ist bei der gebotenen summarischen Prüfung (vgl. BayVGH DAR 2010, 638; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 25a StVG Rn. 15) davon auszugehen, dass mit dem Kraftfahrzeug der Betroffenen am 27.02.2023 ein Parkverstoß im Sinne von § 25a StVG begangen wurde. Die von der Betroffenen zur Nutzung nach dem Carsharing-Modell angebotenen E-Scooter unterfallen aufgrund ihrer Leistungsmerkmale gerichtsbekanntermaßen der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) und stellen daher Kraftfahrzeuge im Sinne von § 25a StVG dar. Ein beim Halten oder Parken begangener Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO stellt einen Halt- oder Parkverstoß im Sinne von § 25a Abs. 1 StVG dar (AG Hamburg-Altona BeckRS 2023, 564 mit zust. Anm. Sandherr NZV 2023, 333; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 25a StVG Rn. 5 m.w.N.). Das Parken eines E-Scooters quer auf der Mittelfläche des Gehwegs – wie auf dem Tatfoto ersichtlich –, wodurch es zur Behinderung von Fußgängern kommt, verstößt gegen § 1 Abs. 2 StVO. Da diese Vorschrift auch für Radfahrer gilt – denn sie richtet sich nicht nur an Führer von Kraftfahrzeugen, sondern an alle Verkehrsteilnehmer –, erstreckt sie sich gemäß §§ 9, 11 Abs. 5 eKFV auch auf die Führer von Elektrokleinstfahrzeugen und damit auch des hier verfahrensgegenständlichen E-Scooters.

Dies gilt übrigens entsprechend – wie das Gericht bereits mehrfach entschieden hat – auch für andere Verstöße gegen diejenigen Halt- oder Parkvorschriften, die nicht nur für Führer von Kraftfahrzeugen gelten, sondern für alle Fahrzeugführer. Beispielhaft seien hier genannt das Parken in einem Bereich der Fahrbahn, auf dem durch Zeichen 283 das Halten verboten ist; in einem durch Zeichen 250 gesperrten Bereich; in einem verkehrsberuhigten Bereich außerhalb gekennzeichneter Parkflächen (Zeichen 325.1); auf einer Sperrfläche (Zeichen 298) oder im Bereich eines Parkscheinautomaten ohne gültigen Parkschein. Auch diese Regelungen gelten jeweils nicht nur für Kraftfahrzeuge, sondern für alle Fahrzeuge, damit auch für Radfahrer und gemäß §§ 9, 11 Abs. 5 eKFV auch für Führer von Elektrokleinstfahrzeugen.

Die Bußgeldbehörde hat durch das Absenden eines Anhörungsschreibens am 05.05.2023 an die Betroffene als Halterin des Fahrzeugs den Anforderungen an eine rechtzeitige Anhörung noch genügt. Zwar liegen hier zwischen der Tat und der Anhörung fast 10 Wochen. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall darauf zurückzuführen, dass aufgrund einer fehlerhaften Auskunft der Betroffenen zunächst eine andere Person als vermeintlicher Halter angehört wurde. Nach gerichtlicher Erfahrung liegt die Zeitspanne in derartigen Fällen regelmäßig im Bereich von etwa 5 Wochen. Ein solcher Zeitablauf ist nach Ansicht des Gerichts jedenfalls noch ausreichend, um dem für das Fahrzeug verantwortlichen Halter die Benennung des Fahrers zur Tatzeit zu ermöglichen. Dies gilt erst recht, wenn es sich – wie hier – bei dem Halter um ein gewerblich tätiges Carsharing-Unternehmen handelt, das im Rahmen ordnungsgemäßer Buchführung Aufzeichnungen über die Mietvorgänge und Mieter führen wird und von dem deshalb auch nach längerem Zeitablauf als bei einem privaten Halter noch konkrete Angaben zu den Daten des Mieters erwartet werden können; in derartigen Fällen ist daher auch eine Zeitspanne von 10 Wochen nicht zu beanstanden. Das Gericht teilt ausdrücklich nicht die häufig zitierte frühere Ansicht einer anderen Abteilung des hiesigen Gerichts (vgl. zuletzt AG Tiergarten DAR 2018, 398 m.w.N.) sowie einiger anderer Amtsgerichte (vgl. z.B. AG Straubing DAR 2022, 48), wonach der Zeitraum zwischen der Tat und dem Erhalt des Anhörungsschreibens höchstens zwei Wochen betragen darf. Eine derart kurze Fristbestimmung findet weder eine Stütze im Gesetz noch ist sie für die Bußgeldbehörde angesichts des massenhaften Aufkommens derartiger Verfahren praktisch umsetzbar (so auch AG München NZV 2019, 597). Sie überspannt die Anforderungen an die Bußgeldbehörde zur Ermittlung des Fahrzeugführers in derartigen Bagatellverfahren.

Die auf das Anhörungsschreiben der Bußgeldbehörde durch die Betroffene erfolgte Nennung eines Vor- und Nachnamens, einer Mobilfunknummer und einer E-Mail-Adresse des Nutzers genügt nicht, um diesen mit vertretbarem, der Sache angemessenem Aufwand zu ermitteln. Nötig gewesen wäre die Angabe des Geburtsdatums und der Wohnanschrift des Nutzers, damit dieser eindeutig identifiziert werden könnte (so auch AG Stuttgart BeckRS 2023, 15556). In Anbetracht der Geringfügigkeit des Tatvorwurfs ist regelmäßig jeder weitere Ermittlungsaufwand der Bußgeldbehörde unangemessen. Soweit in Teilen der Rechtsprechung erwartet wird, dass die Bußgeldbehörde mit diesen knappen Angaben weitere Ermittlungen (z.B. Bestandsdatenauskunft bei der Bundesnetzagentur oder dem jeweiligen Telekommunikations-Dienstanbieter, ggf. auch im Wege internationaler Rechtshilfe) anstellen müsse, wird verkannt, dass diese massenhaften Verfahren lediglich Bagatellverstöße betreffen und es dabei nicht um einen Schuldspruch im strafrechtlichen Sinne geht, sondern lediglich um die Frage, ob die Allgemeinheit oder ob der für sein Fahrzeug verantwortliche Halter die Kosten des durch das Fehlverhalten des Fahrzeugnutzers verursachten Verfahrens tragen soll. Zudem stünden einer Übermittlung von verfahrensbezogenen Daten an eine nicht verifizierbare E-Mail-Adresse auch datenschutzrechtliche Erwägungen entgegen.

Die Bußgeldbehörde hat daher hier mangels ausreichender Angaben zum verantwortlichen Mieter zu Recht das zu Grunde liegende Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt und hatte gemäß § 25a Abs. 1 StVG gegen die Betroffene als Halterin des Fahrzeugs einen Kostenbescheid zu erlassen, weil der Fahrer zur Tatzeit innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist mit vertretbarem Aufwand und Aussicht auf Erfolg nicht festgestellt werden konnte. Ein zur Unbilligkeit im Sinne von § 25a Abs. 1 Satz 3 StVG führender Härtefall liegt hier nicht vor (vgl. die Beispiele bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 25a StVG Rn. 9).

Die Ausführungen des Verteidigers in der Antragsbegründung führen zu keiner abweichenden Bewertung, die dort zitierte Rechtsprechung betrifft zum Teil andere Fallkonstellationen und wird im Übrigen vom Gericht nicht geteilt.“

Fahrtenbuch I: „KFz-Führer wohnt in Bosnien“, oder: Rechtshilfe ist unangemessener Ermittlungsaufwand

entnommen wikimedia.org

Und dann noch einmal heute im Kessel-Buntes Entscheidungen zur Fahrtenbuchauflage, also § 31 StVZO.

Zunächst hier der OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.07.2023 – 12 ME 77/23 -, der nochmals zur Frage des angemessenen bzw. unangemessenen Ermittlungsaufwands der Verwaltungsbehörde Stellung nimmt.

Der Antragsteller hatte beanstandet, dass das VG im seiner Zuge summarischer Prüfung zu Unrecht bejaht habe, dass hier nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich gewesen sei. Der Antragsteller hatte im Anhörungsbogen zwar Namen und Vornamen sowie mit „Bosnien“ das Land des Wohnsitzes des auf dem Tatfoto abgebildeten Fahrzeugführers angegeben, allein mit diesen Angaben war die bezeichnete Person in dem fremden Staat auf dem Postweg nicht erreichbar gewesen.

Das OVG hat das nicht anders gesehen:

„Davon abgesehen, dass der Antragsteller die angebliche Notwendigkeit und Zumutbarkeit weiterer Ermittlungen schon nicht mit überzeugenden Darlegungen begründet, unterschätzt er erkennbar die Schwierigkeiten von Ermittlungen deutscher Verfolgungsbehörden im Ausland. Wie sich aus § 1 Abs. 2 IRG ergibt, zählt der Rechtshilfeverkehr in Bußgeldverfahren nämlich zum Rechtshilfeverkehr in strafrechtlichen Angelegenheiten. Hierbei ist unter anderem Nr. 121 der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) zu beachten, der einer unmittelbaren Kontaktaufnahme deutscher Verfolgungsbehörden mit Personen, die im Ausland wohnen, (enge) Grenzen zieht. Es ist hiernach nicht einmal evident, dass eine als Bußgeldstelle tätige deutsche Verwaltungsbehörde einem in Bosnien wohnenden Betroffenen, dessen genaue Anschrift sie kennt, einen Anhörungsbogen zuschicken dürfte, obwohl das (nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) eine den Betroffenen belastende, nämlich die Verfolgungsverjährung unterbrechende, Rechtswirkung hätte. Jedenfalls aber ist nicht davon auszugehen, dass eine deutsche Bußgeldstelle (einfach) unmittelbar mit bosnisch-herzegowinischen Behörden Kontakt aufnehmen dürfte und müsste, um bei dortigen Meldestellen nach einem bestimmten verdächtigen Fahrzeugführer zu forschen. Wie sich aus den Angaben unter III.1 des für Bosnien und Herzegowina einschlägigen Länderteils der Nr. 3 des Anhangs II der RiVASt (hier zitiert nach juris) ergibt, wird von Seiten Bosniens und der Herzegowina in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten nämlich nur dann eine Rechtshilfe geleistet, wenn für das jeweilige Verfahren im Zeitpunkt des Rechtshilfeersuchens eine (deutsche) Justizbehörde zuständig ist. Das wäre hier aber nicht der Fall gewesen. Davon abgesehen werden (vgl. a. a. O. unter III.2 im Länderteil der Nr. 3 des Anhangs II der RiVASt) bis auf Weiteres Rechtshilfeersuchen gegenüber Bosnien und Herzegowina nur auf dem diplomatischen Geschäftsweg (d. h. die Regierung eines der beiden beteiligten Staaten und die diplomatische Vertretung des anderen treten miteinander in Verbindung – vgl. Nr. 5 RiVASt) übermittelt. Auch deshalb müsste die Inanspruchnahme von Rechtshilfe hier als ein dem Tatvorwurf unangemessener Ermittlungsaufwand angesehen werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.6.1989 – 2 BvR 239/88 -, BVerfGE 80, 109 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 43).“