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Der BGH merkt an zur „zornerfüllten, lauten Stimme des Angeklagten“

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Ich bin immer wieder erstaunt, was alles im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten herangezogen wird und was dann alles vom BGH mit mehr oder weniger deutlichen Worten beanstandet wird. Dazu gehört auch der BGH, Beschl. v. 13.08.2013 – 2 StR 108/13, in dem der BGH im Rahmen einer „Segelanweisung“ zu einer  landgerichtlichen Strafzumessungserwägung Stellung nimmt.

„Der Senat merkt an, dass die zu Lasten des Angeklagten angeführte Strafzumessungserwägung, er habe „mit zornerfüllter, lauter Stimme ausgeführt, selbst im Falle eines Freispruches aus Zweifelsgründen das Urteil anfechten und keine Ruhe geben zu wollen, bis klargestellt sei, dass die beiden Nebenklägerinnen Lügnerinnen seien“ (UA S. 39), im Hinblick auf das Bestreiten der Tatvorwürfe durch den Angeklagten nicht unbedenklich ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. April 2004 – 4 StR 576/03, NStZ 2004, 616 f.; Beschluss vom 2. Mai 2000 – 1 StR 136/00).“

Zwar hat der BGH nur „angemerkt“, aber immerhin….

Strafzumessung: Abstellen auf „Handeln ohne Not“ – bringt das Urteil in Not…

© Dan Race - Fotolia.com

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Das Landgericht verurteilt den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Bei der Strafzumessung wird zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er aus eigennützigen Motiven, „ohne in einer Not- oder Konfliktlage gewesen zu sein“, wiederholt verschiedene Kraftfahrzeuge auch über längere Strecken ohne Fahrerlaubnis geführt hat.

Diese Strafzumessungserwägung beanstandet der BGH im BGH, Beschl. v.13.08.2013 -4 StR 288/13:

„Diese Erwägung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein Handeln aus eigennützigen Motiven wird durch die Feststellungen nicht belegt. Das zusätzliche Abstellen auf das Fehlen einer „Not- oder Konfliktlage“ lässt zudem besorgen, dass es sich bei dieser Formulierung um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung handelt. Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, weil sich das Landgericht dabei nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tat-sachen beschränkt. Stattdessen wird die Tatmotivation des Angeklagten an einem hypothetischen Sachverhalt gemessen, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 4 StR 392/12, NStZ-RR 2013, 81, 82; Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; Urteil vom 28. Mai 1980 – 3 StR 176/80, NStZ 1981, 60). Dem Angeklagten wird deshalb das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt (BGH, Beschluss vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25; Beschluss vom 16. Mai 1995 – 4 StR 233/95, StV 1995, 584).“

Und er hat weitere „Meckerpunkte“:

„b) Rechtlich bedenklich ist es auch, dass das Landgericht bei der Bestimmung der Einzelstrafen für die Betrugstaten und den Diebstahl (Fälle 6 bis 20) straferhöhend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte weder eine schulische und berufliche Ausbildung noch eine regelmäßige Erwerbstätigkeit angestrebt hat (UA S. 20). Umstände, die zur allgemeinen Art der Lebensführung des Täters gehören, dürfen ihm bei der Strafzumessung indes nur dann zur Last gelegt werden, wenn sie eine Beziehung zu der abgeurteilten Tat haben und sich daraus eine höhere Tatschuld ergibt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 – 2 StR 96/00, NStZ 2001, 87, 88; Beschluss vom 20. September 1996 – 2 StR 209/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 27; Beschluss vom 23. August 1989 – 3 StR 264/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 9; Be-schluss vom 22. Juli 1988 – 2 StR 361/88, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 8; Beschluss vom 13. November 1987 – 2 StR 558/87, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 7). Dies ist hier jedenfalls in Bezug auf die angeführten schulischen und beruflichen Ausbildungsdefizite des Angeklagten, die – wie sich aus den Feststellungen zur Person ergibt (UA S. 2) – ihre Ursache bereits im Kindesalter und im Lebensstil seiner Herkunftsfamilie haben, nicht der Fall.“

Die „verbale Beteuerung“ in der Strafzumessung, oder: Was drauf steht, muss auch drin sein.

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Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass im 2. Strafsenat des BGH ein anderer Wind weht; lassen wir dahingestellt, woran es liegt :-). Aber vielleicht irre ich mich auch, wenn ich meine, dass vermehrt Aufhebungen aus dem 2. Strafsenat kommen. Es wird interessant sein, dazu demnächst mal eine Statistik zu sehen, und zwar zur Zeit „vor Fischer“ und zur Zeit „nach/mit Fischer“.

In die Kategorie „anderer Wind“ – in den Formulierungen würde ich auch den BGH, Beschl. v. 10.07.2013 – 2 StR 289/13 einordnen, wenn es dort heißt:

„3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Strafzumessung – entgegen der verbalen Beteuerung in den Urteilsgründen – eine tatsächliche Berücksichtigung des Erziehungsgedankens nicht erkennen lässt. Zwar erscheint die Höhe der gegen den Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe im Ergebnis nicht unangemes-sen hoch. Angesichts dessen aber, dass die Tat zum Zeitpunkt des Urteilserlasses bereits über zweieinhalb Jahre zurücklag, wäre es geboten gewesen, auch die weitere Entwicklung des zur Tatzeit 18jährigen Angeklagten, der zwischenzeitlich eine Ausbildung begonnen hatte, in die Strafzumessung miteinzubeziehen.“

Entgegen der verbalen Beteuerung in den Urteilsgründen“ ist schon ganz schön stark. Da steckt so ein wenig der Vorwurf drin: Ihr schreibt zwar, dass ihr den Erziehungsgedanken berücksichtigt habt, aber erkennen kann ich das nicht. Also nicht bloß vorgeben bzw.: Was drauf steht, muss auch drin sein.

Strafzumessung: Dritter Durchgang bzw. aller guten (?) Dinge sind drei? :-(

Schon zum zweiten Mal war jetzt ein Verfahren beim BGH. Der Angeklagte war am 12.12.2011 wegen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1a) AufenthG und Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf seine Revision hatte der BGH mit Beschluss vom 06.06.2012 die Verurteilung wegen Hehlerei sowie die Gesamtstrafe aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Das im zweiten „Durchgang“ zuständige LGhat das Verfahren hinsichtlich des Vorwurfs der Hehlerei nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen (rechtskräftige Einzelstrafen je ein Jahr) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Und der BGH hebt erneut mit dem BGH, Beschl. v 31.07.2013 – 4 StR 217/13 – auf und moniert einen Strafzumessungsfehler:

„1. Die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht erschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte den Willen hatte, mit den Taten Geld zu verdienen (UA S. 9). Damit wurde ein Umstand als Strafzumessungstatsache herangezogen, der ein Merkmal des inneren Tatbestandes der hier angewendeten Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1a) AufenthG erfüllt. Darin liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB.

Die Festsetzung der Gesamtstrafe innerhalb der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gezogenen Grenzen ist ein eigenständiger Strafzumessungsvorgang, der den allgemeinen Grundsätzen des § 46 StGB unterliegt (Stree/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 54 Rn. 14; MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 54 Rn. 19). Eine Schärfung der Strafe allein aus den vom Gesetzgeber bei der Festlegung des Strafrahmens angestellten Erwägungen allgemeiner Art ist daher auch hier aus den Gründen des § 46 Abs. 3 StGB nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 26. August 1998 – 2 StR 324/98, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Ausländergesetz 1).“

Also: Dritter Durchgang bzw. aller guten (?) Dinge sind drei? 🙁

Strafzumessung: In BtM-Verfahren sollte man die „Standards“ kennen

Ich habe länger nichts mehr zur Strafzumessung gebracht. Da passt dann aber der BGH, Beschl. v, 05.06.2013 – 4 StR 169/13 – ganz gut. Der BGH beanstandet mal wieder die Strafzumessung in einem Verfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Da scheint es besonders schwierig zu sein, die „richtige“ Strafe zu finden bzw. die gefundene Straf so zu begründen, dass der BGH nichts zu meckern hat. Und das hätte m.E. hier an sich ohne Probleme möglich sein müssen. Denn, das,w as der BGH ausführt ist nichts Neues, sondern Standard im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung und der im Bereich der BTM-Delikte:

2. Dagegen hat der Einzelstrafausspruch im Fall II. 5 keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.

a) Nach den zu Fall II. 5 getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte Z. J. am 16. Juli 2012 in V. (Niederlande) 300 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 98,1 % zum gewinnbringenden Weiter-verkauf. Nachdem er das Rauschgift in seinem Pkw versteckt hatte, trat er die Rückfahrt nach G. an. Da der Drogentransport durch die Polizei observiert und zugleich die Telekommunikation überwacht wurde, konnte der Angeklagte gegen 18.00 Uhr auf einem Rastplatz in B. festgenommen werden. Das gekaufte Kokain wurde vollständig sichergestellt. Der Angeklagte Z. J. handelte auf Grund eines gemeinsamen Tatplans mit der Mit- angeklagten, die von G. aus die telefonische Verbindung aufrecht- erhielt und den geplanten Verkauf der Drogen vorbereitete.

Die Überwachung durch die Polizei und die Sicherstellung der Betäubungsmittel hat die Strafkammer weder bei der Prüfung eines minder schweren Falles noch bei der konkreten Strafzumessung angesprochen.

b) Dies ist rechtsfehlerhaft.

Zwar hat der Tatrichter nach § 267 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO nur die bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte mitzuteilen. Mit der Überwachung des Drogentransports und der Telekommunikation durch die Polizei sowie der vollständigen Sicherstellung der Betäubungsmittel sind jedoch wesentliche Strafmilderungsgründe unerwähnt geblieben, deren Berücksichtigung sich auf-drängen musste (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2004 – 5 StR 173/04, NStZ 2004, 694; vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 561/08; vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 443/09, Rn. 16; vom 7. Februar 2012 – 4 StR 653/11, NStZ-RR 2012, 153; Weber, BtMG, 4. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 965 ff. mwN). Dies führt zur Aufhebung der im Fall II. 5 gegen den Angeklagten Z. J. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie der Gesamtstrafe, auch wenn die Einzelstrafe trotz einer erheblichen Kokainmenge mit einem sehr  hohen Wirkstoffgehalt nur wenig über der Strafrahmenuntergrenze des § 30 Abs. 1 BtMG liegt. Denn das Landgericht hat im ebenfalls 300 Gramm Kokain betreffenden Fall II. 3 der Urteilsgründe, in dem weder eine Überwachung noch eine Sicherstellung erfolgt ist, auch eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.“

Wegen dieses „Wertungsfehlers“ hebt der BGH auf. Er versucht an der Stelle nicht über die „Beruhensfrage“ zu reparieren. Hätte das Urteil aber auch nicht gerettet, da der BGH auch mit der nicht angeordneten Unterbringung (§ 64 StGB) Probleme hatte. Da kann das LG dann im neuen Durchlauf die Strafzumessung gleich mit reparieren.