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Nach der „Effektivierung“ und der „Modernisierung“ kommt die „Fortentwicklung“ der StPO, oder: Warum?

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Es ist mal wieder so weit. Nachdem die StPO 2017 effektiviert worden ist, man sie 2019 modernisiert hat und auch das Recht der Pflichtverteidigung neu geregelt hat, gibt es nun das nächste Gesetzgebungsvorhaben. Man höre und staune: Die StPO wird „fortentwickelt“.

Im Gesetzgebungsverfahren befindet sich nämlich auf Initiative der Bundesregierung ein „Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften  Initiative:Bundesregierung“ (BR-Drs. 57/21). Das steht für kommenden Freitag auf der Tagesordnung der 1.001-Bundesratssitzung. Das spricht dafür, dass man das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode durch den Bundestag bringen will.

Folgende Änderungen kommen da auf uns zu:

Änderungen im Recht des Ermittlungsverfahrens

  • Die Befugnis zur Postbeschlagnahme nach § 99 StPO soll um ein „Auskunftsverlangen“ in einem neuen Abs. 2 ergänzt werden.
  • In 104 Abs. 3 StPO soll der Begriff der Nachtzeit vereinheitlicht werden, und zwar einheitlich auf die Zeit zwischen neun Uhr abends und sechs Uhr (dazu BVerfG, Beschl. v. 12.03.2019 – 2 BvR 675/14, NJW 2019, 1428).
  • In 114b StPO soll in S. 1 die Belehrung des verhafteten Beschuldigten an die Hinweispflichten in §§ 136 Abs. 1, 163a StPO und in S. 3 an die in §§ 186 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GVG angepasst werden. In § 114b Abs. 2 StPO werden die Belehrungspflichten betreffend Bestellung eines Pflichtverteidigers und der Akteneinsicht erweitert.
  • Bei den Vernehmungen sind folgende Änderungen vorgeschlagen.
    • Die Belehrungspflicht des 136 StPO wird ebenfalls erweitert. Der Beschuldigte soll nicht mehr nur vor der ersten Vernehmung, über den Tatvorwurf, die Aussagefreiheit und die Verteidigerkonsultation hingewiesen, sondern bei jeder Vernehmung.
    • In einem neuen 136 Abs. 3 StPO soll auf § 58b StPO verwiesen und damit ausdrücklich geregelt werden, dass im Ermittlungsverfahren für polizeiliche, staatsanwaltschaftliche wie auch richterliche Vernehmungspersonen die Möglichkeit besteht, einen Beschuldigten in geeigneten Fällen im Wege der Bild- und Tonübertragung zu vernehmen.
  • Schließlich soll in 163a Abs. 5 StPO klargestellt werden, dass hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten das Recht zusteht, auch im Rahmen ihrer staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren die in § 186 GVG vorgesehenen Kommunikationshilfen in Anspruch zu nehmen.
  • In einem neuen 163g StPO will man die Befugnis zur „Automatischen Kennzeichenerfassung zu Fahndungszwecken“ im öffentlichen Verkehrsraum schaffen.

Sonstige „Nachjustierungen“/Anpassungen/Ergänzungen

  • Im Recht der Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) sind etliche Ergänzungen/Klarstellungen vorgesehen.
  • Im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Akte werden Klarstellungen als erforderlich angesehen. So soll z.B. durch eine Streichung in § 32b Abs. 1 S. 2 StPO klargestellt werden, dass auf lediglich schriftlich abzufassenden Dokumenten künftig keine qualifizierten elektronischen Signaturen angebracht werden müssen. Die nach § 32e Abs. 3 S. 2 StPO bei der Übertragung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehenden Schriftstücke sollen künftig ausdrücklich auf handschriftlich unterzeichnete staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Schriftstücke begrenzt werden. Zudem soll § 32f betreffend die Form der Gewährung von AE dahin ergänzt werden, dass künftig gleichrangig neben der Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf über ein Akteneinsichtsportal die Möglichkeit der Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übertragungsweg i.S. des § 32a Abs. 4 StPO tritt.
  • In einem neuen 373b StPO soll in Umsetzung der EU-Richtlinie 2012/29/EU v. 25.10.2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (Opferschutzrichtlinie, ABI. L 315 v. 14.11.2021, S. 57) der „Begriff des Verletzten“ definiert werden. Vorgesehen ist dort aber nur eine Definition des Verletzten für die StPO. Als Verletzte im Sinne der StPO sollen diejenigen anzusehen sein, „die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben“. Verletzten gleichgestellt werden der Ehegatte bzw. der Lebenspartner, der in einem gemeinsamen Haushalt lebende Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, die Geschwister und die Unterhaltsberechtigten und eine Person, deren Tod eine direkte Folge der Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, gewesen ist.
  • In 68 StPO wird in S. 1 und 2 klargestellt werden, dass bei der Vernehmung eines Zeugen im Ermittlungsverfahren grds. die vollständige Anschrift festzustellen ist, während in der Hauptverhandlung und in richterlichen Vernehmungen in Anwesenheit des Beschuldigten die vollständige Anschrift von Zeugen grds. nicht (mehr) abgefragt wird, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort.
  • Neu gefasst werden soll in 168 S. 3 StPO bzw. in § 168a StPO die Art der Protokollierung richterlicher und/oder ermittlungsbehördlicher Untersuchungshandlungen).
  • In 68c Abs. 5 S. 3 StPO ist eine Stärkung des Anwesenheitsrechts des Verteidigers vorgesehen. Danach soll die Benachrichtigung des Verteidigers von der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten nur (noch) unterbleiben, wenn sie den Untersuchungserfolg erheblich gefährden würde.
  • Schließlich ist in 74c Abs. 1 Nr. 5a GVG eine Erweiterung der Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer auf die Fälle der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen, der Bestechung im Gesundheitswesen, der Bestechlichkeit und der Bestechung ausländischer und internationaler Bediensteter sowie nach dem Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung erweitert.

Die StPO im Griff des Corona-Virus, oder: Wie geht man in der bzw. die Justiz mit Corona um?

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Corona hat uns alle im Griff. Keine Nachrichtensendung, keine Zeitung, keine Talkshow, kein Blog, der nicht über Corona und die Auswirkungen berichtet. Und ich denke, dass man auch sagen kann: Jeder ist inzwischen von Corona betroffen. Zwar nicht in dem Sinne, dass man Symptome hat, aber die Auswirkungen treffen alle, sei es am Arbeitsplatz, sei es in der Freizeit, im Urlaub, beim Einkaufen usw.

Und Corona trifft natürlich auch die Justiz. Denn gerade das ist ja ein Bereich, in dem häufig (viele) Menschen zusammenkommen, in Terminen, Besprechungen und im Strafverfahren in Hauptverhandlungen. Da treffen das Gericht – ggf. bis zu fünf Personen -, zumindest ein Staatsanwalt, zumindest ein Angeklagter und seine ggf. bis zu drei Verteidiger, der/die Protokollführer, ggf. Nebenkläger und deren Vertreter und auch Zeugen zusammen. Also im Grunde der perfekte Nährboden für Ansteckungen, zumindest aber ein Bereich, in dem die Ansteckungsgefahr ggf. sehr hoch ist. Daher kann ich nachvollziehen, dass Verteidiger beantragen, laufende Hauptverhandlungen auszusetzen und/oder bereits terminierte gar nicht erst zu beginnen.

Wie geht nun „die Justiz“ damit um?. Zunächst: Der Begriff „die Justiz“ ist sicherlich nicht richtig, sondern besser ist: Wie geht man in der Justiz damit um?. Denn es gibt leider keine einheitliche Linie. Man, zumindest ich, vermisse ein abgesprochenes Vorgehen der Landesjustizminister, die den Gerichte „Handreichungen“ geben, wie man ggf. abgestimmt vorgehen kann. Ja, ich weiß: Richterliche Unabhängigkeit (Art. 97 GG). Aber Empfehlungen wird man ja wohl geben dürfen, wenn nicht sogar müssen. So passiert das, was passieren muss. Jedes Land „kocht sein eigenes Süppchen“ – gibt eigene Empfehlungen.

Aber nicht nur das. Wenn ich mir die Meldungen der letzten Tage so anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass im Grunde genommen jede Strafkammer bzw. jeder Amtsrichter sein eigenes Süppchen kocht. Da gibt es Kammer, die – wie man vom LG Braunschweig hört – ohne viel Trara auf einen Antrag eines Verteidigers die Hauptverhandlung aussetzen, da gibt es aber auch andere Kammer, die sich mit Händen und Füßen gegen eine Aussetzung wehren. Und das setzt sich durch alle Instanzen durch. Einige Amtsrichter setzen aus, andere versuchen Hauptverhandlungen auf Biegen und Brechen durchzuführen. Und das dann ggf. auch noch in Bußgeldverfahren. Ich frage mich: Was ist eigentlich an einer Bußgeldsache so bedeutend, dass ich sie unbedingt jetzt erledigen muss? Die Sachen sind doch alle – wie man in gebührenrechtlichen Entscheidungen immer wieder liest – so unbedeutend, dass die Mittelgebühren nicht gerechtfertigt sind. Ah, verstanden. Das hat nichts mit einander zu tun. Und warum gilt das Argument nicht? Zumal das BVerfG Verkündungstermine (!!) in den Mai verlegt und auch der BGH Verhandlungstermine aufhebt. Da muss ich dann aber unbedingt Bußgeldverfahren und/oder Strafsachen, die ich ggf. auch im Strafbefehlsverfahren erledigen könnte, jetzt verhandeln.

Eins ist klar: Natürlich gibt es Verfahren, die man verhandeln muss. Das sind sicherlich die Haftsachen, da hat man die Rechtsprechung des BVerfG im Nacken. Und das sind m.E. auch Verfahren, in denen schon über einen langen Zeitraum verhandelt worden ist. Die möchte man, wofür ich Verständnis habe, nicht unterbrechen und ggf. aussetzen. Aber alles andere? Das kann doch warten. Wir hören auf der einen Seite von eindringlichen Appellen, soziale Kontakte zu beschränken, aber auf der anderen Seite gilt das dann nicht für die Justiz? Das kann man doch niemandem erklären.

Es stellt sich dann natürlich die Frage: Warum verfährt man teilweise so? Nun, dafür gibt es sicherlich Erklärungen. Ich verkneife es mir aber, die hier auszuführen. Denn dann heißt es wieder in den Kommentaren und auf Twitter von mehr oder weniger anonymen Kommentatoren, ich würde nur pöbeln, was in meinen Augen übrigens nicht stimmt.

Also lieber die Frage: Was kann man als Verteidiger tun? Antwort: So ganz viel ist da nicht im „Waffenschrank“. Mir fällt da nur der Aussetzungsantrag ein, der an sich in diesen Zeiten keiner großen Begründung bedarf bzw. bedürfen sollte.

Und dann – wenn er nicht zum Erfolg führt – vielleicht doch ein Befangenheitsantrag. Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Freund von solchen Anträgen bin. Aber: Wir leben in besonderen Zeiten. Und wovon muss denn ein Angeklagter ausgehen, wenn ein Gericht in diesen Zeiten eine Hauptverhandlung – von Ausnahmen abgesehen – auf jeden Fall durchführen will?

Daneben wird teilweise dann auf § 245 ZPO verwiesen – Stillstand der Rechtspflege. Ok, aber die Vorschrift gilt nur in der ZPO und ich sehe derzeit nicht, wie man sie im Strafverfahren anwenden will. Analog? M.E. nein. Der ein oder startet auch einen „Versuchsballon“ und stellt sich „Schiebetermine“ vor, in denen auf die Anwesenheit des Angeklagten verzichtet wird. Aber auch da stellt sich die Frage: Wie soll das außerhalb der Grenzen/Vorgaben der §§ 231 ff. StPO gehen? Das ist in meinen Augen ein „Versuchsballon“, der schon vor seinem Start geplatzt ist.

Also bleibt nur die Hoffnung auf die Vernunft der Gerichte. Was ich dazu allerdings in den letzten Tagen gelesen habe, lässt mir wenig Hoffnung. Es scheint – zumindest in dem ein oder anderen Fall – dann doch auf „Machtspielchen“ hinauszulaufen. Upps: Jetzt habe ich in den Augen des ein oder anderen Lesers wahrscheinlich doch wieder gepöbelt.

Aber bleiben wir ruhig. Zumal sich inzwischen ja in dieser Frage die Politik gemeldet hat. Unsere BMJV, die sich immer mit markigen Worten meldet, wenn es nottut, hat gestern eine PM herausgegeben mit der Überschrift: „Größere Flexibilität für Strafprozesse während der Corona-Epidemie“.

Darin heißt es dann u.a.:

„Bund und Länder sind sich ihrer Verantwortung für Personal und Organisation der Gerichte bewusst. Es ist wichtig, Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen und gleichzeitig unsere Gerichte arbeitsfähig zu halten. Mit der Neuregelung verhindern wir das „Platzen“ von Strafprozessen, wenn aufgrund der Corona-Epidemie Hauptverhandlungen nicht stattfinden können. Das Verfahrensrecht sieht darüber hinaus eine Vielzahl von weiteren Möglichkeiten vor, um auf die aktuellen Herausforderungen angemessen zu reagieren. Die Gerichte entscheiden unabhängig und verantwortungsbewusst, was im jeweiligen Fall angebracht ist.“

Ach so: „Personal und Organisation der Gerichte„, und was ist mit der Verantwortung gegenüber Angeklagten, Verteidigern und Zeugen? Die hat man wohl übersehen. Und dann der Begriff des „Platzens von Strafprozessen“ – darum geht es, wobei – siehe oben – das damit in lange dauernden Verfahren verfolgte Ziel sicherlich legitim ist. „Eine Vielzahl von weiteren Möglichkeiten“ sehe ich nicht, aber ich bin ja auch nicht BMJV und/oder im BMJV dort tätig. Da scheint man schlauer zu sein.

Was ist nun aber geplant? Und auch dazu verhält sich die PM:

„Hauptverhandlungen im Strafverfahren dürfen derzeit bis zu drei Wochen, wenn sie länger als zehn Verhandlungstage angedauert haben, bis zu einem Monat unterbrochen werden.
In § 10 des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung (EGStPO) soll nunmehr ein befristeter Hemmungstatbestand für die Unterbrechung einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung geschaffen werden, der auf die aktuellen Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 abstellt. Damit soll verhindert werden, dass eine Hauptverhandlung aufgrund der aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens ausgesetzt und neu begonnen werden muss. Der Tatbestand ist weit gefasst und erfasst sämtliche Gründe, die der ordnungsgemäßen Durchführung einer Hauptverhandlung aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen entgegenstehen. Die Dauer der Hemmung ist auf längstens zwei Monate begrenzt. Die Vorschrift des § 229 StPO gilt im Übrigen uneingeschränkt, so dass eine Hauptverhandlung maximal für drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden kann. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest (§ 229 Absatz 3 Satz 4 StPO).“

Ok, das ist eine Möglichkeit. Das ist im Grunde nichts anderes als die Ausdehnung der (neuen) „Mutterschutzregelung“ des § 229 Abs. 3 Nr. 2 StPO auf die „Coronakrise“. Man will insoweit aber wohl keine dauerhafte Lösung – was ich begrüße, denn man weiß nie, was später aus solchen Lösungen mal wird. Daher die Regelung in der EGStPO.

Diese Regelung kann schnell kommen. Und ich vermute, sie wird schnell kommen (müssen), um die entsprechenden Verfahren – siehe oben – zu sichern. Denn als Verfahrensrecht gilt sie auch in laufenden Verfahren.

Wenn die Lösung kommt: Wäre das Problem dann erledigt? Ja, wenn, was Ich hoffe – die Gerichte die Lösung dann auch anwenden. Aber wie heißt es auch  – so schön (?) – in der PM: „Die Gerichte entscheiden unabhängig und verantwortungsbewusst, was im jeweiligen Fall angebracht ist.“ Nun, das Wort der Ministerin in die Köpfe/Ohren der Gerichte. Ob es sie erreicht? Ich habe da an der ein oder anderen Stelle dann doch meine Zweifel.

Und natürlich auch hier: Bleibt gesund! Alle 🙂 .

Verteidiger aufgepasst: Ganz wichtige StPO-Änderungen bei den Anwesenheitsrechten, oder: Jetzt darf ich dabei sein

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Wir erleben gerade wieder ein Phänomen, das am Ende einer BT-Legislaturperiode immer zu beobachten ist. Die Gesetzesänderungen überschlagen sich, alles getreu dem Satz: Am Abend werden die Faulen fleißig. Nachdem wir nun gerade vor ein paar Tagen am 24.08.2017 das Inkrafttreten vom „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.08.2017 (BGBl I, S. 3202) „feiern“ konnten (vgl. dazu Änderungen/Neuerungen in StPO/StGB/StVG, oder: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Verteidiger und auch Sondermeldung: Die Änderungen der StPO 2017 sind da – und dazu gleich ein Ebook)  ist gestern (05.09.2017) ein weiteres Gesetz veröffentlicht worden, das heute, also am 06.09.2017, in Kraft tritt.

Es ist „Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts v. 27.8.2017“ (BGBl I, S. 3295). Das hat während des Gesetzgebungsverfahrens (vgl. dazu die BT-Drucks. 18/9534) leider nicht so viel Aufmerksamkeit erfahren – auch von mir nicht -, was allerdings dem Inhalt des Gesetzes nicht ganz gerecht wird. Es muss zwar nicht die Geschichte der StPO neu geschrieben werden, aber das Gesetz hat es – wie man sagt – dann doch „in sich“.

Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2013 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (ABl. L 294 vom 6.11.2013, S. 1) . Das nur, damit der „Bundesheiko“ nicht sagt, die Neuregelungen seien „auf seinem Mist gewachsen“. Der Anstoß kommt vielmehr aus Brüssel.

Das vorab und nun zu den wesentlichen Neuregelungen:

Bei Gegenüberstellungen ist dem Verteidiger des Beschuldigten bisher ein Anwesenheitsrecht nicht eingeräumt worden. § 58 Abs. 2 StPO in nun aber geändert. Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 StPO ist bei einer Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten die Anwesenheit von dessen Verteidiger jetzt gestattet ist. Dies gilt ohne Einschränkung sowohl für Vernehmungsgegenüberstellungen als auch für Identifizierungsgegenüberstellungen. Weiterhin ist in § 58 Abs. 2 Satz 3 StPO sichergestellt worden, dass der Verteidiger vor dem Termin benachrichtigt wird, um von seinem Anwesenheitsrecht Gebrauch machen zu können. Wie für Vernehmungen des Beschuldigten in § 168c Ab. 5 Satz 3 StPO geregelt, besteht nach § 58a Abs. 2 Satz 4 StPO aber kein Anspruch auf Verlegung eines Termins bei Verhinderung.

In § 136 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO ist jetzt eine Verpflichtung des Vernehmenden normiert, den Beschuldigten, der vor der Befragung einen Verteidiger befragen möchte, bei der Herstellung des Kontakts zu einem Verteidiger durch die Zurverfügungstellung allgemeiner Informationen zu unterstützen. Danach sind dem Beschuldigten, Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren, auf bestehende anwaltliche Notdienste ist er hinzuweisen.

Für die mitlesesenden potentiellen Vernehmenden: Erforderlich ist nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 18/9534, s. 22) das ernsthafte Bemühen, den Beschuldigten bei der Kontaktaufnahme etwa durch die Übergabe von Anwaltsverzeichnissen bzw. Strafverteidigerlisten oder insbesondere durch den Hinweis auf Verteidigernotdienste zu unterstützen. Also keine „Pseudo-Hilfe“.

Informations- und Hinweispflichten

In § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO wird jetzt auch auf die neuen § 136 Abs. 1 Satz 3 u. 4 StPO verwiesen. Damit gelten die vorstehenden Informations- und Hinweispflichten betreffend Verteidiger und anwaltliche Notdienste auch für polizeiliche Vernehmungen.

Anwesenheitsrecht des Verteidigers

Die StPO sah bislang für Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers nur für richterliche (§ 168c Abs. 1 StPO) und staatsanwaltschaftliche (§ 163a Abs. 3 S. 2 StPO i.V.m. § 168c Abs. 1 StPO) Vernehmungen vor. Ein Recht auf Teilnahme an einer polizeilichen Vernehmung des Beschuldigten hatte der Verteidiger nicht. An der Stelle hat nun § 163a Abs. 4 StPO eine ganz wesentliche Änderung erfahren. Es wird nämlich jetzt auf § 168c Abs. 1 und 5 StPO verwiesen. Dort ist das Anwesenheitsrecht des Verteidigers (Abs. 1) und das Recht auf Benachrichtigung (Abs. 5) geregelt. Das gilt im selben Umfang jetzt auch bei einer polizeilichen Vernehmung.

Und: Nach § 163a Abs. 4 Satz 3 StPO i.V.m. § 168c Abs. 1 StPO soll dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft nach der Vernehmung des Beschuldigten Gelegenheit gegeben werden, sich zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Durch einen Verweis auf § 241 Abs. 2 StPO in § 168c Abs. 1 Satz 3 StPO ist es möglich, dass der Polizeibeamten, der die Vernehmung leitet, ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen wie auch der Richter bei Vernehmungen des Angeklagten in der Hauptverhandlung zurückweisen kann.

Na, das ist doch mal was. Die Polizei wird sich freuen, wenn in Zuknft – und zwar ab heute (!) – die Beschuldigten bei Vernehmungen in Begleitung ihres Verteidigers erscheinen. M.E. schon ein ganz wesentlicher Schritt zur „Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten“. Vernehmung ohne Verteidiger geht nicht mehr. Und auch die o.a. Informations- und Hinweispflichten sind für die Praxis von Bedeutung. Dazu gibt/gab es ja auch schon Rechtsprechung des BGH, die in die Richtung ging (vgl. BGHSt 42, 15 und BGHSt 42, 170).

Und zum Schluß: Ein Ebook wird es zu den Änderungen von mir nicht geben. Das gibt es nur zum „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“. Ich nutze dann <<Werbemodus an>> dieses Posting, um noch einmal auf dieses Ebook „Effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafverfahrens?  Die Änderungen in der StPO 2017 – ein erster Überblick“ hinzuweisen. Das stellt die seit dem 24.08.2017 durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.08.2017 (BGBl I, S. 3202) geltenden Änderungen in der StPO vor. Das Ebook kann man auf der Bestellseite meiner Homepage bestellen. >>Werbemodus aus>>.

Änderungen/Neuerungen in StPO/StGB/StVG, oder: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Verteidiger

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Ich hatte ja bereits am Donnerstag über das Inkrafttreten vom „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ v. 17.08.2017 (im BGBl. verkündet worden hier BGBl I. S. 3202. ) berichtet. Ist ein etwas sperriger Titel, einfacher wäre und ist es mit „StPO u.a. 2017“. Das war allerdings – räume ich ein 🙂 – ein reiner Werbebeitrag für das von mir zu den durch das Gesetz erfolgten Änderungen/Erweiterungen der StPO verfasste Ebook „Effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafverfahrens? Die Änderungen in der StPO 2017 – ein erster Überblick„. Auch ein ein wenig sperriger Titel. Aber wenn das Gesetz so heißt 🙂 .

Offen geblieben ist in dem Beitrag dann, was denn nun eigentlich alles neu in der StPO ist. Darauf will ich jetzt mit der nachfolgenden Zusammenstellung kurz in einem Überblick noch hinweisen:

  • Ermittlungsverfahren
    • Abschaffung des Richtervorbehalts (§ 81a Abs. 2 StPO) für bestimmte Delikte aus dem Bereich der §§ 315a, 315c, 316 StGB, im neuen § 46
    • Präzisierung der Vorschriften über Molekulargenetische Untersuchungen (§ 81e StPO)
    • Gesetzliche Erweiterung von Reihenuntersuchungen (§ 81h StPO) auf nahe Angehörige
    • Einführung der Quellen-TKÜ/Staatstrojaner (§ 100a), was m.E. verfassungsrechtlich bedenklich ist
    • Einführung der sog. Online-Durchsuchung (§ 100b StPO), was m.E. ebenfalls verfassungsrechtlich bedenklich ist – George Orwell lässt grüßen,
    • eine zusätzliche Belehrung des Beschuldigten über die Kostenfolge der Beiordnung eines Pflichtverteidigers (§ 136 Abs. 1 Satz 3 StPO), eine nicht nur alberne, sondern auch gefährliche Neuregelung,
    • Pflicht/Möglichkeit zur audiovisuelle Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen (§ 136 Abs. 4 StPO)
    • Erfordernis der Pflichtverteidigung bei richterlichen Vernehmungen (§ 141 Abs. 3 Satz 4 StPO), ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider nur ein „Schrittchen“, denn das eigene Antragsrecht des Beschuldigten fehlt noch immer,
    • Konzentration der Zuständigkeit für Pflichtverteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren (§ 141 Abs. 4 StPO),
    • Einführung der (unsäglichen) Erscheinenspflicht für Zeugen bei der Polizei (§ 163 StPO), die Verteidigern noch viel Freude bereiten wird,
    • Erweiterung der Privatklagedelikte (§ 397 StPO) um die Nötigung
  • Hauptverhandlung
    • Änderungen im Ablehnungsverfahren (§§ 26, 26a, 29 StPO) mit der Möglichkeit der Fristsetzung zur Begründung und Änderungen im Ablauf der Hauptverhandlung
    • Einführung eines „Abstimmungsgesprächs“ in umfangreichen Verfahren (§ 213 Abs. 2 StPO)
    • Gesetzliche Verankerung des „Opening Statement“ (§ 243 Abs. 5 Satz 3 StPO)
    • die lange angekündigte Möglichkeit zur Fristsetzung bei Beweisanträgen (§ 244 Abs. 6 Satz 2 und 3 StPO)
    • Erweiterung des Urkundenbeweises durch Verlesung von Protokollen (§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO)
    • Möglichkeit der Vorführung einer Bild-Ton-Aufnahme nach § 254 StPO
    • Erweiterung der Verlesung von ärztlichen Attesten (§ 256 StPO)
    • Erweiterung/Anpassung der Hinweispflichten (§ 265 StPO)
  • Rechtsmittelverfahren
    • Möglichkeit der Einstellung nach § 153a StPO auch im Revisionsverfahren
    • Gesetzliche Verankerung der Stellungnahmepflicht der Staatsanwaltschaft (§ 347 StPO)
    • Fristanpassung/-verlängerung bei der Kostenbeschwerde (§ 464b StPO)

Das Gesetz hat dann noch weitere Änderungen gebracht, und zwar u.a.:

  • Die Erweiterung/Änderung des § 44 StGB – Fahrverbot als Nebenstrafe – jetzt bei allen Delikten zulässig/möglich und nicht mehr nur bei solchen mit verkehrsrechtlichem Einschlag
  • Und dann die Änderung im StVG
    • Zunächst Einfügung eines § 25 Abs. 2b StVG mit einer klaren Regelung der Vollstreckung von Fahrverboten nach § 25 StVG, in dem es jetzt heißt:

„(2b) Werden gegen den Betroffenen mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.“

  • Und schließlich noch die Änderung des § 46 OWiG, mit der Übernahme der Abschaffung des Richtervorbehalts in Abs. 4 Satz 2 für die Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 24a, 24c StVG.

So, das waren die wesentlichen Änderungen, es gibt noch ein paar Änderungen im (StPO)Vollstreckungsverfahren, aber die mag der Leser selbst nachlesen.

Ich weise dann auch hier noch einmal auf mein Ebook hin, also <<Werbemodus an >>: In dem sind die o.a. Änderungen der StPO dargestellt, natürlich mit ersten Hinweisen und Tipps, wie man mit den neuen Vorschriften umgehen muss. Hier der Bestelllink. Denn eins ist m.E. sicher. Die Änderungen sind mehr oder weniger auch eine Arbeitsbeschaffsungsmaßnahme für Verteidiger/Rechtsanwälte. ? Jedes Ding hat eben zwei Seiten. >>Werbemodus aus>>.

Hier ein bißchen Werbung: Mein erstes E-Book am Markt.

Zum Abschluss des Tages dann noch ein Hinweis (ist Werbung, aber warum nicht, machen andere auch). Heute habe ich zusammen mit RA Stephan, Dresden, mein  erstes E-Book auf den Weg gebracht. Das hatte ich noch nie. Ich habe zwar schon einiges veröffentlichen können/dürfen, aber nur im Internet/digital, das hatte selbst ich noch nicht. Und wir haben doch tatsächlich auch schon ganz begeisterte Zuschriften bekommen, in dem Sinn: Endlich Bewegung im Markt. Mal sehen, wie  es läuft. Wer Interesse hat, sich zu informieren: Hier geht es. Burhoff/Stephan, Gesetzliche Neuregelungen der StPO, 2009.