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Neues Regelbeispiel für die Pflichtverteidigung

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Ich hatte ja schon allgemein auf die durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern im Strafverfahren (StORMG) eingetretenen Änderungen in StPO und BGB berichtet (vgl. hier Die Änderungen durch das StORMG – Stärkung des Opferschutzes – Lesetipp).

Für Verteidiger will ich hier nun auf eine Änderung besonders hinweisen: In § 140 Abs. 2 StPO war bereits in der Vergangenheit die Bestellung eines Pflichtverteidigers als Regelfall vorgesehen, wenn dem Verletzten nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 StPO seinerseits ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet worden ist. Das StORMG hat das bisherige Regelbeispiel nunmehr als neue Nr. 9 in den Katalog des § 140 Abs. 1 StPO aufgenommen und zu einem zwingenden Tatbestand der notwendigen Verteidigung heraufgestuft. Damit soll sichergestellt werden, dass der Beschuldigte einem nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 und 4 StPO beigeordneten Opferanwalt nicht alleine gegenübertreten muss, was dem Gesetzgeber unter dem Aspekt der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens problematisch erschien. Für die Änderung sollen nach Auffassung des Gesetzgebers aber auch Gesichtspunkte des Opferschutzes sprechen, da für das Opfer die Auseinandersetzung mit einem unverteidigten Angeklagten sehr viel belastender sein könne als der Umgang mit einem Pflichtverteidiger (vgl. BT-Drucks. 17/6261, S. 11).

Nicht erledigt ist damit allerdings der Streit in Rechtsprechung und Literatur, der an dieser Stelle unter dem Stichwort „Waffengleichheit“ geführt wird, wenn nicht beigeordnet worden ist, sondern der Verletzte mit einem Wahlanwalt erscheint  (vgl. dazu mein Handbuch zum Ermittlungsverfahren, Rn. 2212).

Die Änderungen durch das StORMG – Stärkung des Opferschutzes – Lesetipp

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Gestern ist das Gesetz zur Stärkung der Rechts von Opfern im Strafverfahren (StORMG) vom 14. 03. 2013 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I, S. 1805). Es geht u.a. zurück auf die Empfehlungen des sog. „Runden Tisches“, der nach der Aufdeckung/dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in den Jahren 2010 und 2011 vom BMJ eingerichtet worden ist. Das Gesetz bringt Änderungen im Strafverfahren aber auch im BGB. Auf die will ich hier kurz eben hinweisen (wegen weiterer Einzelheiten siehe den online gestellten Beitrag des Kollegen Deutscher aus StRR 2013, 324 ff.).

Die Änderungen/Neuerungen kann man wie folgt zusammenfassen/gliedern:

I. Ruhen der strafrechtlichen Verjährung (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB) und Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist
II. Strafverfahrensrechtliche Änderungen
1. Ermittlungsverfahren
a) Ausweitung der Video-Vernehmung im Ermittlungsverfahren (§ 58a StPO)
b) Pflichtverteidiger (§§ 140 Abs. 1 Nr. 9, 140 Abs. 2 StPO)
c) Nebenklage (§ 397a StPO)
d) Gerichtliche Zuständigkeiten
aa) Erstinstanzliche Zuständigkeit (§ 24 GVG)
bb) Jugendschutzsachen (§ 26 GVG)
e) Jugendstaatsanwalt (§ 36 JGG)
2. Hauptverhandlung
a) Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 171b GVG)
b) Vernehmung des Zeugen zur Sache (§ 69 StPO)
c) Vorführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung (§ 255a StPO)
d) Anhörung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 2 StPO)
e) Urteilsverkündung (§ 268 StPO)
3. Strafvollstreckung/Mitteilungspflichten (§ 406d StPO)

Der ein oder andere wird sicherlich anmerken: Schon wieder Opferschutz, aber das ist eine Entwicklung, die seit einigen Jahren im Strafverfahrensrecht festzustellen ist: Das Opfer rückt immer mehr in den Focus, der Angeklagte immer mehr an den Rand des Verfahrens. Das wird man nicht mehr aufhalten können.

StORMG – was ist das?

Die Antwort auf die Frage lautet: Das ist der Entwurf der Bundesregierung BR-Drucksache 213/11 eines „Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs“, welches mehr Rechte für Opfer sexuellen Missbrauchs bringen soll. Wir hatten darüber ja schon mal berichtet.

Zu dem Gesetzesentwurf hat der Bundesrat jetzt Stellung genommen. In der PM Nr. 80/2011 vom 27.05.2011 heißt es:

Die Länder haben in ihrer Sitzung am 27.05.2011 zu einem Gesetzentwurf  Stellung genommen, mit dem die Bundesregierung den Opferschutz imStrafverfahren – insbesondere für minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs -weiter verbessern will.

Der Entwurf soll unter anderem dazu beitragen, Mehrfachvernehmungen Betroffener möglichst zu vermeiden. Zudem erleichtert er für volljährig gewordene Missbrauchsopfer die Bestellung eines Opferanwalts, ergänzt die Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Hauptverhandlungen mit Minderjährigen und erweitert die Informationsrechte der Betroffenen. Die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche wegen sexuellen Missbrauchs verlängert der Entwurf auf 30 Jahre.

Der Bundesrat möchte im weiteren Verfahren prüfen lassen, ob das Gesetz seiner Zustimmung bedarf, weil unter anderem die neuen Opferrechte im Strafverfahren Mehrausgaben für die Länder bewirken. Zudem hält er es für erforderlich, die Verjährung der in Rede stehenden Straftaten zukünftig bis zum 21. Lebensjahr der Opfer ruhen zu lassen (gegenwärtig gilt das 18. Lebensjahr). Hierdurch würde den Betroffenen die Chance zuteil, ein Trauma vor Verjährungseintritt soweit zu überwinden, dass eine freie Entscheidung über eine Anzeige noch rechtzeitig möglich ist. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation von Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten empfindet der Bundesrat als zu weitreichend und lehnt sie daher ab.
Zudem bitten die Länder um nochmalige kritische Prüfung der Verjährungsfristen für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche. Aus ihrer Sicht rechtfertigt nicht jede vorsätzliche Verletzung, die unabhängig von einer sonstigen Zwangslage erfolgt, eine dreißigjährige Verjährungsfrist.

Folgende Dokumente finden Sie im Internetangebot des Bundesrates:

Man sieht: Es geht auch mal wieder ums Geld.

Lesetipp: Eisenberg zum Referentenentwurf des BMJ „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“

Das BMJ hat ein „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“ in der Pipeline. Dazu liegt bisher nur ein Referentenentwurf vor. Mit dem befasst sich Eisenberg in HRRS 2011, 64. Die Redaktion von HRRS schreibt zu dem Beitrag in ihrem letzten Newsletter:

„Der „Referentenentwurf des BMJ ,Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)‘ 2010“ ist Thema des gleichnamigen Aufsatzes von Prof. Dr. Ulrich Eisenberg, Berlin. Eisenberg untersucht in ihm kritisch die vorgesehenen Änderungen des Strafverfahrensrechts, die – entgegen dem Gesetzestitel – weit über die genannten Opfer- bzw. Deliktsgruppen hinausgehen. Eisenberg sieht bei den Vorschlägen des BMJ beweisrechtliche Grundlagen des Strafverfahrensrechts nicht beachtet. Er kritisiert insbesondere, dass der Entwurf den erforderlichen Schutz vor Falschbelastungen geringschätzt. Der Entwurf komme in mehrfacher Hinsicht Belangen solcher Berufsgruppen entgegen, für die Kriminalität positive Funktionen erfüllt. Als verdienstvoll wertet Eisenberg die vorgesehenen Konkretisierungen der Eignung der an Jugendgerichten und Jugendstaatsanwaltschaften Amtierenden.“

Ganz interessant m.E. die geplanten Änderungen bei § 140 StPO im Hinblick auf die Waffengleichheit. Damit kann man ggf. jetzt schon mal argumentieren.