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StGB I: Mal wieder Verharmlosen von NS-Verbrechen, oder: Herunterspielen/Beschönigen einer Tat

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Und dann heute StGB-Entscheidungen, darunter zwei Entscheidungen zur Volksverhetzung (§ 130 StGB). Beide kommen (wieder) vom BayObLG. „Wieder“ ist m.E. berechtigt, denn es kommen nach meinem Eindruck doch recht viele Entscheidungen zu der Problematik aus Bayern.

Hier dann zunächst der BayObLG, Beschl. v. 02.08.2023 -203 StRR 287/23. Es geht um den Begriff des Verharmlosens. Dazu das BayObLG:

„1. Bei den Äußerungen der Angeklagten in ihrer Mail vom 13.05.2022 handelt es sich um die Verharmlosung einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch bezeichneten Art.

a) Ein Verharmlosen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB liegt dann vor, wenn eine unter der NS-Herrschaft begangene Tat in tatsächlicher Hinsicht heruntergespielt, beschönigt oder ihr wahres Gewicht verschleiert wird. Alle denkbaren Facetten agitativer Hetze wie auch verbrämter diskriminierender Missachtung sollen erfasst werden (BGH, Urteil vom 06.04.2000, 1 StR 502/99, juris, Rn. 13).

b) Eine derartige, Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosende Äußerung der Angeklagten hat das Amtsgericht Fürth im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt.

Das Gericht hat aus dem Wortlaut von deren Mailnachricht vom 13.05.2022 zu Recht darauf geschlossen, dass die Angeklagte ihr eigenes, vom Amtsgericht im Ergebnis als banal bezeichnetes Schicksal mit der Verfolgung und Vernichtung der Juden während der NS-Zeit gleichgesetzt habe. Sie habe ihre Problematik, dass sie seit mehr als 36 Jahren nicht als Deutsche i.S.v. Art 116 GG anerkannt worden sei, auf eine Stufe mit den an den Juden in Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen gestellt. Diese seien „als Deutsche abgeschafft“ und „als genetischer Abfall behandelt“ worden, es sei „nur das Endprodukt … anders“ gewesen. Mit dieser abgesehen vom „Endprodukt“ gleichstellenden Bezugnahme und mit der weiteren Äußerung, dass Hitler und seine Gefolgsleute zwölf Jahre lang die Existenzberechtigung und Gleichrangigkeit der deutschen Juden in Frage gestellt und auf persönliche Unterschiede verwiesen hätten, hat die Angeklagte ihr eigenes Schicksal der Nichtanerkennung mit dem Holocaust qualitativ wie quantitativ gleichgesetzt und hat durch diese Gleichsetzung die Gewalttaten des NS-Regimes gegen die jüdische Bevölkerung abgewertet und bagatellisiert.

2. Die Angeklagte hat dies auch öffentlich (§ 130 Abs. 3 StGB) getan, da sie ihre Mail an einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten und durch eine nähere Beziehung nicht verbundenen Personenkreis (Eisele/Schittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 130 Rn. 22 unter Verweis auf § 186 Rn. 19 mit zahlreichen Nachweisen), nämlich an das Bundesverfassungsgericht sowie an Behörden und mehrere Pressestellen (Bildzeitung und Deutsche Presse-Agentur) schickte.

….“

Zur Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens dann nur der Leitsatz des BayObLG:

Ob eine Meinungsäußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände festzustellen, bei der insbesondere die Art, der Inhalt, die Form und das Umfeld der Äußerung zu berücksichtigen sind, aber auch je nach den Umständen des Einzelfalls die Stimmungslage in der Bevölkerung, die politische Situation und der Zweck und die drohenden Auswirkungen der Äußerung.

„…dann laufe ich Amok…“ – Störung des öffentlichen Friedens?

Ein 15-jähriger stellt bei Facebook die Formulierung ein: „…. dann laufe ich Amok…“. Daraus wird eine Anklage beim Jugendrichter wegen Verstoßes gegen § 126 StGB – Störung des öffentlichen Friedens wegen Androhung von Straftaten. Von dem Voruwrf ist der Angeklagte aber durch LG Aachen, Urt. v. 05.09.2012, 94 Ns 27/12 (liegt also schon etwas zurück) frei gesprochen worden. Der Jugendrichter beim AG Aachen hatte den Angeklagten noch wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat schuldig gesprochen und ihm als Zuchtmittel 20 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Das LG führt aus:

„Der Angeklagte hat den objektiven Tatbestand des § 126 StGB verwirklicht. Die Ankündigung eines auch nur unbestimmt beschriebenen „Amoklaufs“ ist geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne der vorgenannten Norm zu stören. Allerdings konnte dem Angeklagten ein entsprechender Tatvorsatz nicht nachgewiesen werden. Ein solcher hätte vorausgesetzt, dass der Angeklagte, als er die Formulierung „dann laufe ich Amok“ bei „Facebook“ einstellte, es beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hätte, dass dieser Eintrag einer nicht unerheblichen Personenzahl bekannt wird. Denn es liegt nur dann eine Störung des öffentlichen Friedens i. S. v. § 126 StGB vor, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber innerhalb einer nicht unerheblichen Personenzahl, eintritt (vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2011, 109). Der Angeklagte hat sich aber unwiderlegt dahin eingelassen, dass er davon ausgegangen ist, der fragliche Facebook-Eintrag werde nur von maximal 40 Personen gelesen, nämlich denjenigen, welche unbeschränkten Zutritt zu seiner Facebook-Seite hätten. Des Weiteren sei er davon ausgegangen, dass sein Eintrag von diesen Personen in dem von ihm tatsächlich beabsichtigten Sinn, nämlich der Aufforderung, ihn mit weiteren Freundschaftsanfragen in Ruhe zu lassen, verstanden und keineswegs an dritte Personen weitergegeben werde. Damit fehlt es aber dem Angeklagten an dem notwendigen Tatvorsatz bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Störung des öffentlichen Friedens“.

Also: Antwort ja aber, oder zusammengefasst:

  • Die Ankündigung eines auch nur unbestimmt beschriebenen Amoklaufs in „Facebook“ ist grundsätzlich geeignet, i. S. v. § 126 StGB den öffentlichen Frieden zu stören.
  • Eine Störung des öffentlichen Friedens i. S. v. § 126 StGB liegt nur vor, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber innerhalb einer nicht unerheblichen Personenzahl, eintritt (Anschluss BGH NStZ-RR 2011, 109).
  • An dem entsprechenden Tatvorsatz fehlt es daher, wenn der Angeklagte davon ausgeht, nur maximal 40 Personen würden seinen Facebook-Eintrag lesen.