Und als dritte Entscheidung heute dann noch der LG Koblenz, Beschl. v. 25.05.2021 – 10 Qs 30/21. Thematik Beschlagnahme/Beschlagnahme-/Verwertungverbot hinsichtlich beschlagnahmter Steuer- und Steuerstrafverfahrensakten.
Dazu das LG:
„e) Letztendlich steht der Beschlagnahme auch kein Beschlagnahmeverbot entgegen. Auch wenn hier keine Sperrerklärung nach § 96 StPO vorliegt, gebietet § 30 1 AO dem Amtsträger im Grundsatz die Wahrung des Steuergeheimnisses, was an sich zu einem Beschlagnahmeverbot von Steuerakten führt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.1991, Az.: 3 Ws 552/90, BeckRS 1991, 119326). Vorliegend ist die Offenbarung jedoch nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 b) AO zulässig, sodass die Herausgabe der begehrten Steuerakten das Steuergeheimnis nicht verletzen würde.
Nach § 30 Abs. 5 Nr. 5 b) AO ist die Offenbarung oder Verwertung vom Steuergeheimnis geschützter Daten zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das namentlich gegeben ist, wenn Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern. Hier handelt es sich bei dem zu verfolgenden Delikt des Subventionsbetruges um eine Wirtschaftsstraftat, was sich aus § 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GVG ergibt. Zwar ist die Tat hier bei einem alleinigen Abstellen auf den Schaden in Höhe von 9.000,00 EUR nicht geeignet, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern. Jedoch liegt hier eine Begehungsweise vor, die diese Eignung aufweist. Wie bereits ausgeführt, kann gerade der Subventionsbetrug bezüglich der sog. Corona-Soforthilfe einen (unbenannten) besonders schwerer Fall begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 04.05.2021, Az.: 6 StR 137/21, zit. nach juris). Dies hat der Bundesgerichtshof u.a. mit dem Ausnutzen eines Soforthilfeverfahrens in einer deutschlandweiten Notlage begründet. Auf dieser Linie liegt auch die Rechtsprechung des Landgerichts Aachen (vgl. Beschluss vom 16.11.2020, Az.: 86 Qs 19/20, wistra 2021, 126), der sich die Kammer anschließt. Die Ausgestaltung des Soforthilfeverfahrens mit dem damit verbundenen (ganz erheblichen) Vertrauensvorschuss in die gesamte Bevölkerung in der Krisensituation und dessen Ausnutzung ist ohne weiteres zumindest geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern. Somit verstößt die Offenbarung bzw. Herausgabe der Akten nach § 30 Abs. 5 Nr. 5 b) AO nicht gegen die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses aus § 30 Abs. 1 AO.
Zudem wäre eine Offenbarung der nach § 30 AO geschützten Verhältnisse ebenfalls zulässig nach § 31a Abs. 1 Nr. 2 AO, da sie für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer Leistung aus öffentlichen Mittel erforderlich ist. Soll eine Entscheidung über die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Erstattung, Weitergewährung oder Belassen einer Leistung aus öffentlichen Mitteln von der dafür zuständigen Behörde getroffen werden, hat die Finanzbehörde die ihr bekannten Informationen mitzuteilen, soweit dies für die Entscheidung erforderlich ist. Zuständig sind alle Behörden und Gerichte, die für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs zuständig sind und darüber hinaus können allen Behörden und Gerichten, die über Leistungen aus öffentlichen Mitteln entscheiden, Erkenntnisse übermittelt werden (vgl. Intemann in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 31a, Rn. 16). Zutreffend hat die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass sie – zwingend (ohne Ermessen) – neben der Strafverfolgung wegen des Verdachts nach § 264 Abs. 1, Abs. 2 StGB auch über die Einziehung des Tatertrages nach §§ 73 ff. StGB zu entscheiden bzw. Maßnahmen zu treffen hat. Bei der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB handelt es sich zwar nicht um den Rückgewähranspruch als solchen, sondern um einen quasibereicherungsrechtlichen Anspruch des Staates, der jedoch ganz eng mit diesem verbunden ist und letztendlich seiner Absicherung dient. Dies kommt nicht zuletzt in der Regelung des § 73e Abs. 1 StGB deutlich zum Ausdruck, wonach die Einziehung ausgeschlossen ist, soweit der Anspruch auf Rückgewähr erloschen ist. Zudem knüpft bereits § 73 Abs. 1 StGB konkret an das aus der Tat Erlangte an, mithin an den Gegenstand, der vom Rückgewähranspruch der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz erfasst wäre. Da dieser wegen seines Verbrauchs nicht mehr rückgabefähig ist, kann sich auch der originäre Rückabwicklungsanspruch nur in einen Bereicherungsanspruch umgewandelt haben, sodass ein wesentlicher struktureller Unterschied zur Einziehung nicht erkennbar ist. Infolge dieser engen Bindung an den Rückgewähranspruch und dem Umstand, dass es sich dabei um zwingendes Recht handelt, ist eine Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs im konkreten Fall gegeben. Folglich ist eine Offenbarung bzw. Herausgabe der Steuerakten auch nach § 31a Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig und stellt keinen Verstoß gegen das Steuergeheimnis aus § 30 Abs. 1 AO dar.“