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Schweigen in der Hauptverhandlung, oder: das „nonverbale Verhalten“ zeigt keine Unrechtseinsicht

© Corgarashu – Fotolia.com

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Starten wir heute mal mit einer „Strafzumessungsentscheidung“, nämlich dem OLG Hamm, Beschl. v. 19.04.2016 – 1 RVs 20/16. Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Mitführens einer Schutzwaffe bei einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des AG war der Angeklagte Teilnehmer einer Demonstration unter dem Motto „keine Rückzugsräume für Nazis“, welche in E anlässlich zweier gleichzeitig stattfindender Versammlungen der Partei „die Rechte“ unter Beteiligung von zunächst ca. 1.000 Menschen stattfand. Der Angeklagte trug eine schwarze Jacke und darunter einen schwarzen Kapuzenpullover. Die Kapuze seines Pullovers hatte er über den Kopf gezogen. Vor seinem Gesicht trug er eine nach dem äußeren Zuschnitt dem Visier eines Helmes ähnliche rechteckig zugeschnittene durchsichtige Kunststofffolie, mit der Augen und Nase überdeckt und geschützt waren und darunter eine schwarze Sonnenbrille. Durch das Tragen der selbst gefertigten Folie, die mit einem Gummiband am Kopf über der Kapuze befestigt war, wollte der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen verhindern, dass er im Fall eines Polizeieinsatzes oder aber durch Verhalten der anderen Versammlungsteilnehmer durch verwendetes Pfefferspray oder pyrotechnische Erzeugnisse im Gesicht getroffen und in seiner Handlungsfähigkeit beeinträchtigt werden würde.

Das OLG äußert sich zum „Schutzwaffenbegriff“, den es bejaht. So weit, so gut, das mag dem Selbststudium des Lesers vorbehalten bleiben. Mich interessieren mehr die Strafzumessungserwägungen des AG, die das OLG als rechtsfehlerhaft beanstandet hat:

„2. Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen hinsichtlich der erkannten Geldstrafe entsprechend den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht hat zur Strafzumessung im Hinblick auf den in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten unter anderem folgendes ausgeführt:

„Dagegen musste sich zu Lasten des Angeklagten auswirken, dass er durch sein Verhalten, insbesondere sein Nachtatverhalten den Polizeieinsatz in einer sehr unübersichtlichen Situation erschwert hat.

Auch sein nonverbale Verhalten in der Hauptverhandlung lies nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag erkennen.“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Zuschrift vom 17. März 2016 wie folgt Stellung bezogen:

„Soweit das Amtsgericht Dortmund strafschärfend berücksichtigt hat, „auch das nonverbale Verhalten der Hauptverhandlung“ habe „nicht den geringsten Ansatz von Unrechtseinsicht und Problembewusstsein für die schwierige Lage der Polizei in E an diesem Tag“ erkennen lassen, begegnet dies gemessen an vorstehenden Anforderungen durchgreifenden Bedenken, da es unzulässig ist, das Fehlen eines Geständnisses strafschärfend zu berücksichtigen. Zudem kann ein sich nicht einlassender oder leugnender Angeklagter weder Reue noch Schuldeinsicht zeigen, ohne seine (rechtlich zulässige) Verteidigungsposition aufzugeben, weswegen auch ein solches Verhalten nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (zu vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 50b).

Darüber hinaus findet der vom Amtsgericht strafschärfend berücksichtigte Umstand, der Angeklagte habe durch „sein Nachtverhalten (Anmerkung des Senats: gemeint ist offenbar Nachtatverhalten) den Polizeieinsatz in einer sehr unübersichtlichen Situation erschwert“, weder eine Grundlage in den Feststellungen des angefochtenen Urteils, noch ist ersichtlich, an welche der in § 46 Abs. 2 StGB genannten Strafzumessungsgesichtspunkte das Tatgericht insoweit anknüpfen will. Das Verhalten nach der Tat ist als Strafzumessungsgrund nur verwertbar, soweit sich aus ihm Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat oder auf deren Unrechtsgehalt ziehen lassen (zu vgl. Fischer, a.a.O., § 46 Rn. 46). Das Erschweren eines Polizeieinsatzes in unübersichtlicher Situation lässt für sich genommen einen derartigen Rückschluss nicht zu.“

Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung uneingeschränkt an.“

Dazu passt: Immer wieder….

Mundschutz im Schuh – ist das eine Schutzwaffe?

Die Frage: „Mundschutz im Schuh – ist das eine Schutzwaffe?“ hatte sich das AG Offenbach gestellt und sie verneint und damit den Angeklagten von einem Verstoß gegen § 17a VersG frei gesprochen. Das OLG Frankfurt hat das jetzt in seinem Urt. v. 11.o4.2011 – 2 Ss 36/11 anderes gesehen und den Angeklagten verurteilt. In der PM v. 29.04.2011 heißt es dazu:

„Oberlandesgericht Frankfurt am Main verurteilt Fußballfan wegen Mitführens eines Mundschutzes
Mit Urteil vom 11.4.2011 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einen Angeklagten, der beim Besuch eines Fußballspiels einen Mundschutz bei sich führte, wegen des Mitsichführens einer Schutzwaffe bei einer öffentlichen Veranstaltung verurteilt.
Bei einer Personenkontrolle vor dem Stadion am Bieberer Berg in Offenbach am 2.8.2009 war bei dem Angeklagten, der das an diesem Tag stattfindende DFB-Fußballpokalspiel besuchen wollte, in dessen Schuh ein schwarzer Mundschutz aufgefunden worden. Der damals 21jährige Angeklagte ließ sich dahin ein, er habe sich mit dem Mundschutz für den Fall von Fanrivalitäten schützen wollen. Einen Einsatz gegen Vollstreckungsbeamte habe er hingegen nicht beabsichtigt.
Das in erster Instanz mit der Sache befasste Amtsgericht Offenbach hatte den Angeklagten zunächst freigesprochen, weil es sich bei dem Mundschutz nicht um eine Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes handele.
Auf die hiergegen eingelegte Sprungrevision der Staatsanwaltschaft hob der zuständige 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts den Freispruch nunmehr auf und sprach den Angeklagten schuldig.
Zur Begründung führt der Senat aus:
Der von dem Angeklagten mitgeführte Mundschutz sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts als Schutzwaffe im Sinne von § 17 a Absatz 1 Versammlungsgesetz anzusehen, deren Mitführen bei einer Veranstaltung unter freiem Himmel verboten sei. Schutzwaffen in diesem Sinne seien dazu bestimmt, dem Schutz des Körpers gegen Angriffsmittel bei kämpferischen Auseinandersetzungen zu dienen. Im Mitführen solcher Schutzwaffen sehe der Gesetzgeber ein sicheres Indiz für offenkundige Gewaltbereitschaft. Ein Mund- oder Zahnschutz, wie er bei dem Angeklagten gefunden worden sei, werde bei bestimmten Kampfsportarten – etwa beim Boxen – zum Schutz der Mundpartie vor den Auswirkungen eines Schlages eingesetzt und sei damit Schutzwaffe im Sinne des Versammlungsgesetzes.
Beim Mitführen von Schutzwaffen werde Gewaltbereitschaft und damit die Gefahr unfriedlichen Verhaltens unwiderleglich vermutet. Es komme nicht darauf an, ob die Schutzwaffe tatsächlich bestimmungsgemäß gebraucht werde.
Das Oberlandesgericht hat die Sache zur Festsetzung des Strafmaßes an das Amtsgericht Offenbach zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Hintergrundinformation:
§ 17a Abs. 1 des Versammlungsgesetzes lautet:
Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.
Urteil vom 11.04.2011, Az.: 2 Ss 36/11

Man darf gespannt sein, ob der Angeklagte das hinnimmt oder ggf. nach Karlsruhe geht.