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StGB III: die Polizeibeamten sind „dumm“, „unfähig“, „schikanös“, „machtversessen“ und „niveaulos“, oder: Beleidigung?

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Und zum Abschluss des StGB-Tages dann noch der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.09.2018 – 1 OLG 2 Ss 31/18. Es geht mal wieder um Beleidigung von Polizeibeamten in Zusammenhang mit den Feststellungen zu einem potentiellen Verkehrsvergehen durch den beschuldigten Verkehrsteilnehmer. Die Entscheidung passt ganz gut zur sog. „Flitezpiepen-Entscheidung“ des OLG Karlsruhe (siehe dazu OLG Karlsruhe, Beschl. v.  22.05.2018 – 2 Rv 4 Ss 193/18 – und …„die zwei Flitzpiepen vor Ort“, oder: Ist das eine Beleidigung von Polizeibeamten?).

Im vom OLG Zweibrücken entschiedenen Fall hatte das AG folgende Feststellungen getrroffen:

„Am 27. Juli 2015, gegen 23:30 Uhr, befuhr der Angeklagte mit einem Fahrrad die G. Straße in Speyer. Da er ohne Licht fuhr, wurde er von den Polizeibeamten M., PHK M. und PK B. angehalten und kontrolliert. Er reagierte dabei von Anfang an aufbrausend und abweisend. Außerdem gab er an, dass er eine Flasche Schnaps getrunken habe. Ob er diese Äußerung von sich aus tätigte oder zuvor auf den Konsum von Alkohol angesprochen worden war, konnte nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Da den Polizeibeamten bei dem Angeklagten ein alkoholähnlicher Geruch, zittrige Hände und gerötete Bindehäute auffielen, boten sie ihm die Durchführung eines Atemalkoholtests an, welchen er jedoch ablehnte. Dabei blieb er trotz des Hinweises, dass er bei Verweigerung des Atemalkoholtests auf der Wache eine Blutprobe abgeben müsse. Es wurde ihm gestattet, zunächst sein Fahrrad zu Hause abzustellen, da er in der G. Straße … wohnhaft ist. Sodann nahmen die Polizeibeamten den Angeklagten mit zur Polizeiinspektion Speyer und verständigten die Ärztin Dr. G. zur Entnahme einer Blutprobe. Während die Beteiligten auf das Eintreffen der Ärztin warteten, schlief der Angeklagte auf einem Stuhl ein, was den Verdacht auf Alkohol- oder Drogenkonsum bei den Beamten weiter verstärkte. Als er wieder erwachte, begann er erneut lautstark, sich über die Behandlung durch die Polizei zu beschweren. Er steigerte sich immer mehr in seine Beschimpfungen hinein und bezeichnete die Polizeibeamten M., M. und B. u.a. als „dumm“, „unfähig“, „schikanös“, „machtversessen“ und „niveaulos“. Da er dabei aufstand und mit den Händen vor den Beamten herumfuchtelte, forderten sie ihn auf, dies zu unterlassen, und drohten ihm das Anlegen von Handschellen an. Als er sich auch daraufhin nicht beruhigte, wurde er mit Handschellen gefesselt. Anschließend wurde ihm durch die zwischenzeitlich eingetroffene Ärztin Blut entnommen und er durfte die Dienststelle verlassen. Nach dem Ergebnis der Blutuntersuchung hatte der Angeklagte tatsächlich keinen Alkohol getrunken.“

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Landgericht in seiner rechtlichen Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte die Beamten jedenfalls durch die Bezeichnung „dumm“ und „unfähig“ vorsätzlich an der Ehre gekränkt und seine Miss- oder Nichtachtung im Sinne des § 185 StGB kundgegeben hat. Soweit der Angeklagte mit seinen Äußerungen nur Kritik an der nach seiner Auffassung ungerechtfertigten Behandlung durch die Polizeibeamten habe äußern wollen, sei nach Auffassung des Landgerichts zu berücksichtigen, dass die gesamte Eskalation bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen gewesen sei. Dass er, statt durch Einlenken die von ihm ausgelöste Eskalationsspirale zu stoppen, zu den verfahrensgegenständlichen Äußerungen gegriffen habe, könne ihm daher nicht als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB angerechnet werden. Auch sei angesichts seines Gesamtverhaltens nicht davon auszugehen, dass sich die Äußerungen tatsächlich nur auf die Maßnahme beziehen sollten, sondern dass sie – wie es auch die Zeugen empfunden hätten – zu deren Herabwürdigung gedacht waren.

Das OLG verweist dazu auf die (bekannte) Rechtsprechung des BVerfG zur „Schmähkritik und meint: Die Bezeichnung eines Polizeibeamten durch einen Verkehrsteilnehmer als „dumm“, „unfähig“, „schikanös“, „machtversessen“ und „niveaulos“ sei nicht zwangsläufig als – die Garantie der Meinungsfreiheit ausschließende – Schmähkritik zu verstehen, wenn es dem Verkehrsteilnehmer wohl auch um die Kritik an einer vorangegangenen polizeilichen Maßnahme gegangen ist. Ob die Eskalation auf das Verhalten des Verkehrsteilnehmers zurückzuführen gewesen ist, sei dabei ebenso wenig von Relevanz wie ob die polizeiliche Maßnahme rechtmäßig oder rechtswidrig war.

Und zur erforderlichen Abwägung:

„b) Eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Beamten und der Meinungsfreiheit des Angeklagten hat das Berufungsgericht nicht erkennbar durchgeführt. Das Revisionsgericht kann eine vom Tatgericht rechtsfehlerhaft unterlassene Abwägung der Rechtsgüter der Meinungsfreiheit und des Ehrenschutzes nachholen, wenn – wie hier – das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen zu den Tatumständen und der Motivation des Angeklagten enthält (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2014 – 1 Ss 599/13, juris Rn. 21). Diese ergibt, dass die Äußerung des Angeklagten, wenn sie keine Schmähkritik darstellt, vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 1 S. 1 GG gedeckt war.

Dabei ist auf Seiten der betroffenen Beamten namentlich in die Abwägung einzustellen, dass diese nach dem Wortlaut der Äußerung unmittelbar betroffen waren und ihr Vorgehen angesichts der festgestellten Auffälligkeiten in der Person des Angeklagten rechtmäßig gewesen war. Auf Seiten der Meinungsfreiheit ist demgegenüber wesentlich, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Äußerungen nicht als unbeteiligter Dritter, sondern als Betroffener einer polizeilichen Maßnahme getätigt hat. Bezieht sich ein Werturteil – wie hier – auf Bedienstete staatlicher Einrichtungen und deren dienstliche Vorgehensweise, so gehört das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen – auch in überzogener Form – kritisieren zu dürfen, zum Kernbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Dies gilt unabhängig davon, ob dies der öffentlichen Meinungsäußerung dient oder im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2003 – III-2b Ss 224/02-2/03, NStZ-RR 2003, 295, 297; KG Berlin, Beschluss vom 28.06.2010 – 1 Ss 173/10, juris Rn. 9; OLG München, Beschluss vom 06.11.2014 – 5 OLG 13 Ss 535/14, juris Rn. 8; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.05.2018 – 2 Rv 4 Ss 193/18, juris Rn. 10; vgl. hierzu auch: OLG Koblenz, Beschluss vom 07.10.2009 – 2 Ss 130/09, juris Rn. 38). Die Äußerung ist zudem von keinem unbeteiligten Dritten wahrgenommen worden und ihr Beleidigungsgehalt war eher moderat. Auch wurde sie im Rahmen einer affektiv aufgeladenen Situation aus einer „sehr aufgeheizten Stimmung“ (UA S. 5) heraus spontan getätigt. Dies führt hier zum Überwiegen der Meinungsäußerungsfreiheit des Angeklagten, hinter der der Ehrschutz der Beamten aus Gründen des Verfassungsrechts zurücktreten muss.“

„….Obergauleiter der SA-Horden, …………. Das sind die Kinder von Adolf Hitler“, oder: Keine Schmähkritik.

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Ich hatte gestern über die sexistische JVA-Bedienstete berichtet (vgl. den OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.12.2016 – (2) 53 Ss 64/16 (39/16) und dazu:„Es wurde .. meine Wäsche durchsucht. Dieses fetischistische Verhalten…“, oder: Kampf ums Recht oder strafbare Beleidigung. Dazu passt dann ganz gut der BVerfG, Beschl. v. 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14.  In ihm geht es nämlich auch um die Frage der sog. Schmähkritik. Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des OLG Köln eingelegt hatte der Versammlungsleiter einer ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration aus dem rechten Spektrum in Köln, die im November 20012011  durchgeführt worden ist. Die Demonstration stieß auf zahlreiche Gegendemonstranten. Unter diesen war auch ein Bundestagsabgeordneter der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor Ort, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern. Er bezeichnete die Teilnehmer der Demonstration mehrfach wörtlich und sinngemäß als „braune Truppe“ und „rechtsextreme Idioten“. Der Beschwerdeführer äußerte sich dann über den Bundestagsabgeordneten wörtlich wie folgt:

„Ich sehe hier einen aufgeregten grünen Bundestagsabgeordneten, der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der SA-Horden, die er hier auffordert. Das sind die Kinder von Adolf Hitler. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen.“

Das AG hat wegen Beleidigung in Form einer Schmähkritik (§ 185 StGB) verurteilt. AG und OLG habend as gehalten. Das BVerfG sieht es anders:

„Rabaukenjäger, oder: „…….Deutscher Generalstaatsanwalt will Berichterstattung lenken.“ (?)

RehIch erinnere: Vor einiger Zeit hat die Geschichte mit dem „Rabaukenjäger“ die Gazetten und auch die Blogs beschäftigt. Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass auch ich hier über das das AG Pasewalk, Urt. v. 20.05.2015 – 711 Js 10447/14 – berichtet habe (vgl. dazu „Rabaukenjäger“ – noch erlaubt/schon verboten?).

Die Geschichte ist danach natürlich weiter gegangen. Der verurteilte Journalist hat (natürlich) Berufung gegen das AG-Urteil eingelegt. Die Berufung hat das LG Neubrandenburg im LG Neubrandenburg, Urt. v. 05.02.2016 – 90 Ns 75/15 – verworfen. Es ist von Schmähkritik ausgegangen.

Inzwischen liegt die Sache beim OLG Rostock – 1 Ss 46/16. Die Revisionsbegründung liegt vor und auch die Erwiderung der Generalstaatsanwaltschaft. Und zu der letzteren gibt es einen ganz interessanten Bericht/Kommentar bei kress.de unter dem Titel: Angriff auf die Pressefreiheit: Deutscher Generalstaatsanwalt will Berichterstattung lenken. 

Da darf man natürlich gespannt sein auf die Entscheidung des OLG Rostock. Wenn es die Revision verwirft, wird – ich wage die Behauptung – das sicherlich nicht das letzte Wort in der Sache sein, sondern das werden wir aus Karlsruhe hören.

Die „dahergelaufene, durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche, geisteskranke Staatsanwältin“, oder: Was bringt es?

© ernsthermann - Fotolia.com

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Der BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 – ist ja schon in anderen Blogs gelaufen. Er ist aber – auf den ersten Blick – auch „zu schön“, den muss man einfach bringen. Es geht mal wieder um die Schmähkritik. In Berlin ist ein Verteidiger wegen Beleidigung einer Staatsanwältin verurteilt worden. Es ist ein bisschen hin und her gegangen – ganz einig war man sich nicht. Das AG hatte zunächst einen Strafbefehl erlassen, das LG hat den Verteidiger auf sein Berufung hin dann frei gesprochen, das KG hat diesen Freispruch aufgehoben. Das LG hat dann im zweiten Durchlauf den Verteidiger verurteilt. Die dagegen eingelegte Revision hat das KG verworfen. Das BVerfG hat nun ein vorletztes (?) Wort gesprochen und die verurteilenden Urteile von LG und KG aufgehoben.

Grundlage des Hin und Her und der Entscheidung aus Karlsruhe ist folgender Sachverhalt:

„1. Der Beschwerdeführer arbeitet als Rechtsanwalt. Seit Dezember 2009 vertrat er als Strafverteidiger den ersten Vorsitzenden eines gemeinnützigen Vereins, der Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von Spendengeldern war. Dieses Ermittlungsverfahren erregte großes Medieninteresse.

„… die Anzeigenerstatterin ist eine „Psychopathin“…“, das ist erlaubt

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Mal wieder wieder „Schmähkritik“ vs. freie Meinungsäußerung. Das war der Streit, den das BVerfG im BVerfG, Beschl. v. 28.10.2015 – 1 BvR 3217/14 – zugunsten der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) entschieden hat.

Ausgangspunkt für die Entscheidung ist eine Verurteilung wegen Beleidigung (§ 185 StGB). Der Beschwerdeführer war im Dezember 2012 von seiner Nachbarin wegen Beleidigung und Bedrohung angezeigt worden. Die Anzeigeerstatterin äußerte in diesem Verfahren schriftlich gegenüber der StA, dass der Beschwerdeführer die gesamte Nachbarschaft einschüchtere, aus seiner Wohnung im dritten Obergeschoss eine Person mit einer Flasche beworfen habe sowie auf Tauben geschossen und auf der Straße ein Kind geschlagen habe. Sie regte wegen der möglichen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers „eine Durchsuchung beziehungsweise Überprüfung“ an.

Die StA verwies die Anzeigeerstatterin auf den Privatklageweg. Zur Vorbereitung der Privatklage beantragte die einen Sühneversuch gem. § 380 StPO. Der Beschwerdeführer wurde von der für den Sühneversuch zuständigen Behörde zur Stellungnahme hinsichtlich der Beleidigungs- und Bedrohungsvorwürfe aufgefordert und äußerte sich wie folgt:

„die (…) erhobenen Behauptungen weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.
Frau … leidet offenkundig an Wahnvorstellungen, die Vorwürfe sind frei erfunden.
Die Behauptung, ich würde aus meiner Wohnung scharf auf Tauben schießen, ist eine Ungeheuerlichkeit. (…)
Die Behauptung, daß Nachbarn dies beobachtet haben sollen, ist eine glatte Lüge und eine unglaubliche Frechheit.
Ebenso unglaublich ist die Behauptung, ich hätte auf einen Menschen eine Flasche aus dem Fenster geworfen und ein Kind geschlagen. Beides ist frei erfunden. Ich hab auch niemanden beleidigt und bedroht. (…)
Die Anregung, aufgrund dieser vorgebrachten „Tatsachen“ meine Wohnung zu durchsuchen ist der Gipfel der Dreistigkeit und beweist, dass Frau … mittlerweile den Bezug zur Realität völlig verloren hat. Nur eine Psychopathin kann auf eine solche Idee kommen. (…)
Die Ursache für die offenkundige psychische Erkrankung ist mir natürlich nicht bekannt, ebenso wenig kann ich beurteilen, ob die Störungen temporär oder dauerhafter Natur sind, deshalb rege ich an, dass Frau … einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen und sie gegebenenfalls dauerhaft oder vorübergehend in einer psychiatrischen Einrichtung unterzubringen.“

Wegen dieses Schreiben ergeht ein Strafbefehl wegen Beleidigung. Nach Einspruchseinlegung wird der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Berufung wird als unzulässig gemäß § 313 StPO verworfen. Die Verfassungsbeschwerde hat dann Erfolg:

„a) Das Amtsgericht verkennt bereits, dass die inkriminierten Äußerungen in den Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit fallen, da sie durch die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet und deshalb als Werturteile anzusehen sind (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>; 61, 1 <8>; 90, 241 <247>). Meinungen sind durch die subjektive Beziehung zum Inhalt einer Aussage geprägt (vgl. BVerfGE 7, 198 <210>) und genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (vgl. BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>). Die polemische und verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 93, 266 <289>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 – 1 BvR 1318/07 -, NJW 2009, S. 749).

b) Das Landgericht geht in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise vom Vorliegen von Schmähkritik aus. Wegen seines die Meinungsfreiheit schon grundsätzlich verdrängenden Effekts, der dazu führt, dass die Meinungsfreiheit noch nicht einmal in eine Abwägung mit den Rechten der Betroffenen eingestellt wird, hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Schmähkritik eng definiert. Danach macht auch eine überzogene oder ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der persönlichen Herabsetzung bestehen. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist mithin eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Nur dann kann im Sinne einer Regelvermutung ausnahmsweise auf eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verzichtet werden. Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im Übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 93, 266 <294, 303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 <3018>).

Aus dem Gesamtzusammenhang ist ersichtlich, dass es dem Beschwerdeführer eben nicht um eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung ging. Der Beschwerdeführer äußerte sich im Rahmen des von einer Behörde durchgeführten Sühneverfahrens zu den Vorwürfen der Anzeigeerstatterin und zieht ihre geistige Gesundheit angesichts der – seiner Ansicht nach – aus der Luft gegriffenen Vorwürfe in Zweifel. Dem Beschwerdeführer ging es hierbei nicht ausschließlich um die Diffamierung der Anzeigeerstatterin, sondern in erster Linie um die Verteidigung gegen die aus seiner Sicht haltlosen und abstrusen Vorwürfe. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur Grundlage.

c) Beide Gerichte unterlassen zu Unrecht die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Anzeigeerstatterin. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer, der sich gegen die seiner Meinung nach nicht gerechtfertigten Vorwürfe der Anzeigeerstatterin und dabei auch gegen deren Anregung, bei ihm eine Wohnungsdurchsuchung durchzuführen, verteidigte, sich in einer rechtlichen Auseinandersetzung befand. Dabei ist ihm zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich erlaubt, auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen (vgl. BVerfGE 76, 171 <192>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29. Februar 2012 – 1 BvR 2883/11 -, NJW-RR 2012, S. 1002 <1003> m.w.N.).“

Müsste dann auch für den Rechtsanwalt/Verteidiger gelten, der für seinen Mandanten zu einer Strafanzeige Stellung nimmt. Oder?