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Absehen vom Fahrverbot: „Reisekrank“ und zu erwartender „wirtschaftlicher Schaden in Höhe von ca. 40.000 bis 60.000 €“ reicht nicht

© sashpictures - Fotolia.com

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Das (straßenverkehrsrechtliche) Owi-Recht ist in den letzten Tagen ein wenig kurz gekommen. Daher will ich an der Stelle dann heute mal nachlegen, und zwar zunächst mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 28. 12. 2015 – 3 Ss OWi 1450/15. In dem geht es um das Absehen vom Fahrverbot. Das hatte der Betroffene auf zwei Punkte gestützt, nämlich einmal auf Reisekrankheit, die es ihm u.a. unmöglich mache, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und auf erhebliche Ertrags- und Gewinneinbußen – 40.000 – 50.000 € – in seinem Gewerbebetrieb. Beides hat ihm nicht geholfen, wobei der Schwerpunkt der OLG-Entscheidung im Bereich der nicht ausreichenden Beweiswürdigung und Feststellungen durch den Amtsrichter bewegt.

Da die Leitsätze der OLG-Entscheidung – wie fast immer beim OLG Bamberg – sehr umfangreich sind, reichen schon sie, um sich einen ersten Eindruck zu machen; der Rest dann im Volltext. Die Leitsätze lauten:

  1. Macht der Betroffene mit Blick auf ein bußgeldrechtliches Fahrverbot geltend, aus gesundheitlichen Gründen (hier: sog. Reisekrankheit) weder Mitfahrmöglichkeiten als Bei- oder Mitfahrer noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können, sondern auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs als dessen Fahrer angewiesen zu sein, darf sich das Tatgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch dann nicht mit einer einseitig unkritischen Würdigung der Betroffeneneinlassung begnügen, wenn die geltend gemachte Krankheit zwar ärztlich bescheinigt ist, aus der Bescheinigung aber nicht hervorgeht, aufgrund welcher objektiv-wissenschaftlichen Standards die ihr zugrunde gelegten Befunde festgestellt worden sind. Diese Umstände sind im Urteil derart darzulegen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Nachprüfung ermöglicht ist.
  1. Ein Absehen von einem wegen eines groben Pflichtenverstoßes an sich verwirkten Regelfahrverbot unter Berufung auf das rechtsstaatliche Übermaßverbot ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die besondere Härte lediglich mit erwarteten erheblichen Ertrags- oder Gewinneinbußen begründet wird, wenn nicht zugleich konkret aufgezeigt ist, dass diese mit einer drohenden Existenzgefährdung einhergehen. Denn nur dann ist das Tatgericht gehalten, entsprechenden Behauptungen des Betroffenen im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht weiter nachzugehen.