Der angeklagte Bußgeldrichter war vom LG vom Vorwurf der Rechtsbeugung frei gesprochen worden. Der Angeklagte hatte in verschiedenen Bußgeldverfahren frei gesprochen. Diese Freisprüche waren vom OLG aufgehoben worden. In weiteren Verfahren war es dann erneut zu Freisprüchen gekommen. Dabei hatte der Amtsrichter das jeweils damit begründet, dass in der Akte weder ein Messprotokoll noch der Eichschein für das bei der Feststellung der Ordnungswidrigkeit verwendete Messgerät beigefügt gewesen. Das LG hat – wegen Nichterfüllung der Aufklärungspflicht durch den Angeklagten als Bußgeldrichter und unzutreffender Behauptung eines Verfahrenshindernisses als Freisprechungsgrund – den objektiven Tatbestand der Rechtsbeugung bejaht, den subjektiven Tatbestand jedoch verneint.
Der BGH hat mit BGH, Urt. v. 22.02.104 – 2 StR 479/13 – aufgehoben:
„3. Allein der Wunsch oder die Vorstellung des Richters, „gerecht“ zu handeln oder „das Richtige“ zu tun, schließen eine Rechtsbeugung daher nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – 3 StR 102/84, BGHSt 32, 357, 361; Fischer, StGB, 61. Aufl. § 339 Rn. 11d, 17; Matt/Renzikowski/Sinner, StGB, 2013, § 339 Rn. 30; SK/Stein/Rudolphi, StGB, 2011, § 339 Rn. 19a). Jedenfalls bei der fehlerhaften Anwendung oder Nichtanwendung zwingenden Rechts ist es nicht erforderlich, dass der Richter entgegen seiner eigenen Überzeugung oder aus sachfremden Erwägungen handelt (zu Fällen einer Ermessensentscheidung vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1998 – 1 StR 240/98, BGHSt 44, 258, 260). Verschließt er sich, obgleich er die Unvertretbarkeit seiner Ansicht erkennt oder für möglich hält, der Erkenntnis des rechtlich Gebotenen, so unter-liegt er einem unbeachtlichen Subsumtionsirrtum, wenn er gleichwohl sein Handeln für „gerecht“ hält, etwa weil er die gesetzliche Regelung selbst ablehnt oder ihre Anwendung im konkreten Fall für überflüssig hält (vgl. Schön-ke/Schröder/Heine, StGB, 28. Aufl. § 339 Rn. 8; MünchKomm/Uebele, aaO § 339 Rn. 65; Seebode, Das Verbrechen der Rechtsbeugung, 1969, S. 106).
a) Soweit die Strafkammer hervorgehoben hat, der Angeklagte sei zwar einer kaum nachvollziehbaren Rechtsauffassung gefolgt, habe aber nicht gegen seine eigene Überzeugung entschieden, ist dies für das Vorliegen des Rechtsbeugungsvorsatzes aus den oben genannten Gründen grundsätzlich unerheb-lich, denn auf die „Überzeugung“ kommt es nur im Hinblick auf die Rechtsfehlerfreiheit an. Ein Richter, der die Unvertretbarkeit seiner Entscheidung kennt oder billigend in Kauf nimmt, kann nicht zugleich „überzeugt“ von ihrer Richtigkeit sein, sondern allenfalls von den Gründen, aus denen er das rechtlich Gebo-tene nicht tut. Die Sachwidrigkeit dieser Motive kann zwar ein gravierendes Indiz für das Vorliegen des Tatvorsatzes sein; dieser kann aber auch bei Anknüp-fen an grundsätzlich sachbezogene Motive (etwa „Gerechtigkeit“) gegeben sein.
Im Hinblick auf die seine früheren freisprechenden Beschlüsse aufhebenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts, die Offenkundigkeit seiner Rechtsfehler und die Ankündigungen des Angeklagten gegenüber der Buß-geldbehörde, es sei „mit anderen Entscheidungen zu rechnen“ – er werde also anders als bisher entscheiden -, wenn seinen Wünschen nicht Rechnung getra-gen werde, lag hier die Annahme nahe, dass der Angeklagte die Unvertretbar-keit seiner Rechtsansicht zumindest billigend in Kauf genommen und dass er seine fehlerhaften Entscheidungen nach entsprechender Ankündigung zur „Dis-ziplinierung“ der Bußgeldbehörde eingesetzt hat. Dies wird im angefochtenen Urteil nicht ausreichend erörtert, so dass dem Revisionsgericht die Prüfung nicht möglich ist, ob das Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei vorgegangen ist. Dazu hätte es auch der Mitteilung von Einzelheiten der Entscheidungsgründe
der freisprechenden Beschlüsse des Angeklagten und derjenigen des Rechtsbeschwerdegerichts bedurft, gegebenenfalls auch der Mitteilung von Äußerungen des Angeklagten, mit denen er seine Entscheidungspraxis im Kollegenkreis erläuterte…“