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OWi II: Messwerteüberprüfung durch Private zulässig? – Ja, aber..

entnommen wikimedia.org Urheber Jepessen

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Nach dem Posting OWi I: Ich weiß etwas, was du nicht weiß, oder: Dienstliches Wissen zum OLG Naumburg, Beschl. v. 24.02.2016 – 2 Ws 9/16 – die zweite OWi-Entscheidungen aus dem vollen Fundus der Geschwindigkeitsmessungen, und zwar der OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.03.2016 – 2 Ss-OWi 1059/15 – zur Frage der Zulässigkeit der Auswertung von Messungen durch Private. Das AG hatte den Betroffenen frei gesprochen und das damirt begründet, dass die dem Geschwindigkeitsverstoß zugrunde liegenden Messbilder nicht verwertbar seien, „weil sie unter Mitwirkung von Privatpersonen erlangt worden seien, ohne dass die Verwaltungsbehörde Herrin des Verfahrens geblieben sei. Insoweit bestünden sowohl ein Beweiserhebungs- als auch ein Beweisverwertungsverbot. Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten sei eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns, weshalb eine Mitwirkung von Privatpersonen nur sehr eingeschränkt möglich sei; in jedem Fall müsse sichergestellt sein, dass die Verwaltungsbehörde Herrin des Verfahrens bleibe. Der Umfang der Beteiligung des Mitarbeiters der Firma B verstoße gegen Nr. 2.2 des die Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden betreffenden Erlasses des Hessischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 06. Januar 2006 (Staatsanzeiger vom 30.01.2006, S. 286 ff), wonach die Auswertung der Einsatzfilme/elektronischen Aufzeichnungen in jedem Fall ausschließlich durch die örtliche Ordnungsbehörde zu erfolgen habe. Mangels Verbleibes von Rohmessdaten bei der Gemeinde sei vorliegend eine erneute Auswertung ohne Beteiligung der Privatfirma nicht möglich, und es könne auch keine Überprüfung dahin erfolgen, ob die ursprüngliche Datei der Messanlage nach der Vorauswertung verändert worden sei.“

Das OLG sieht es anders und meint: So einfach geht es nicht, denn:

Die hier vorgenommene Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 47 Abs. 1 OWiG gehört als typische Hoheitsaufgabe zum Kernbereich staatlicher Hoheitsaufgaben, für die speziell im Fall von Verkehrsordnungswidrigkeiten gemäß § 26 Abs. 1 StVG Behörden oder Bedienstete der Polizei zuständig sind. Eine eigenverantwortliche Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Privatpersonen scheidet damit aus. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Verwaltungsbehörde sich technischer Hilfe durch Privatpersonen bedient. Voraussetzung ist in derartigen Fällen aber, wie in Nr. 2.2 des Erlasses des Hessischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 06. Januar 2006 (Staatsanzeiger vom 30.01.2006, S. 286 ff) betreffend die Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden festgelegt, dass die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel auch in Fällen der Hilfe durch Privatpersonen bei der örtlichen Ordnungsbehörde verbleibt. Diese ist deshalb dafür verantwortlich, dass die bei der amtlichen Überwachung der Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte und die Auswertung von deren Daten den gesetzlichen Regelungen, vorliegend § 16 EO 1988 und den PTB-Anforderungen 18.11 (Dezember 2013), entsprechen. Sie muss schließlich auch Herrin über die Entscheidung bleiben, ob und gegen wen sie ein Bußgeldverfahren einleitet (vgl. Senat, Beschluss vom 03.09.2014, 2 Ss-OWi 655/14 m. N.).

Daran fehlt es vorliegend.

Soweit zur Beurteilung eines Messergebnisses die Auswertung der dokumentierten Messvorgänge notwendig ist, kann nach den hier zum Tatzeitpunkt geltenden PTB-Anforderungen 18.11 (Dezember 2013) die Übertragung von Mess- und ggfls. Bilddokumentationen zwar durch eine Person in eine Zentrale (mit CD oder ähnlichem Speicher) und dort die weitere Auswertung erfolgen. In diesem Fall müssen die Daten nach Ziffer 3.10 der PTB-Anforderungen 18.11 (Dezember 2013) bei der Datenübertragung durch Signierung geschützt sein, um für Integrität und Authentizität zu sorgen. Die mit den Geschwindigkeitsüberwachungsgeräten auch der Zulassung durch die PTB unterliegenden Auswerteeinheiten, die für die Umwandlung der Falldatei (Messdokumentation) in eine lesbare Darstellung (Messbild), die die Verkehrssituation und den Fahrer mit den dazugehörenden Messdaten (z.B. gefahrene Geschwindigkeit etc.) zeigt, erforderlich sind, bedürfen aber zu ihrer Gerichtsverwertbarkeit noch der Sicherstellung der Authentizität der Falldateien mit ihrer lesbaren Darstellung. Der Akt der Auswertung der Falldaten eines zugelassenen und geeichten Messgerätes durch eine zugelassene und geeichte Auswerteeinheit soll sicherstellen, dass das in der Bußgeldakte befindlichen lesbare und bewertbare Beweismittel aus der dazugehörigen Falldatei stammt. Gerichtliches Beweismittel ist regelmäßig die lesbare Auswertung. Bei konkret begründeten Zweifeln an der Authentizität der Falldatei kann diese aber mit Hilfe ihrer Signierung nachträglich überprüft werden. Die Authentizität des lesbaren Beweismittels wiederum kann durch die Überprüfung der Falldatei verifiziert werden.

Nach diesen Grundsätzen durfte die örtliche Ordnungsbehörde die Originalrohmessdaten nach deren Entnahme aus dem Geschwindigkeitsmessgerät dem Mitarbeiter der Firma B zwar überlassen. Gleichzeitig war sie aber dafür verantwortlich, die Authentizität dieser Rohmessdaten mit den ihr von der Firma B überlassenen Bildauswertungen, also lesbaren Darstellungen, sicherzustellen. Dazu hätte sie zumindest die lesbaren Darstellungen, die sie als Grundlage für den Erlass eines Bußgeldbescheides heranziehen wollte, zuvor noch einmal mit den zugrunde liegenden Falldateien abgleichen müssen. Zu der Frage, ob die örtliche Ordnungsbehörde hier derartige Maßnahmen vorgenommen hat, hat das Amtsgericht keine Feststellungen getroffen. Das wird nachzuholen sein.

Das Messergebnis, auf welches der Erlass des Bußgeldbescheides zurückzuführen war und welches als maßgebliches Beweismittel für die Überführung der Betroffenen in Betracht gekommen wäre, wurde durch die stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlage des Typs ESO ES 3.0 ermittelt. Die erforderliche Aufbereitung der Messdaten erfolgte vorliegend dergestalt, dass die Mitarbeiterin der Gemeinde, die Zeugin Z1, nach Abschluss der Messung gemeinsam mit dem Mitarbeiter A der Firma B, bei der die Gemeinde Stadt1 das die Messung durchführende Messgerät geliehen hat, die Messrohdaten entnahm und auf einen USB-Stick überspielte. Diesen USB-Stick nahm der Mitarbeiter der Firma B an sich; zu diesem Zeitpunkt verblieben keinerlei Rohdaten der Messung bei der Gemeinde Stadt1. Der Mitarbeiter A der Firma B führte sodann die Bildaufbereitung bzw. Bildauflistung durch und gab nach durchgeführter Arbeit die Messdaten an die Gemeinde Stadt1 zurück, bei der die weitere Auswertung der Messdaten erfolgte.“

Das muss also nachgeholt werden. Und:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat für den Fall, dass sich das Amtsgericht nicht davon überzeugen kann, dass die örtliche Ordnungsbehörde die Authentizität der ihr überlassenen Messbilder überprüft hat, darauf hin, dass mit den noch vorhandenen Falldateien die erforderliche Überprüfung durch die örtliche Ordnungsbehörde noch nachgeholt werden könnte oder die der Betroffenen vorgeworfene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden könnte.“

Ring frei II: AG Parchim: Der „Landkreis..“ hat „…. zu vertuschen versucht…“

© Coloures-pic - Fotolia.com

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Ich hatte ja schon am Montag zum Wochenauftakt über die Auswertung von Messdaten durch Private und ein sich daraus ergebendes Beweisverwertungsverbot berichtet (vgl. das AG Kassel, Urt. v. 14.04.2015 – 385 OWi – 9863 Js 1377/15 – und dazu Ring frei zur nächsten Runde? oder: Geblitzt – ausgewertet von Privaten – Freispruch). Der in dem Beitrag erwähnte Kollege D. Noack aus Berlin hat mir freundlicher Weise das ebenfalls erwähnte – von ihm/seiner Kanzlei erstrittene AG Parchim, Urt. v. 01.04.2015 –  5 OWi 2215/14 – übersandt. Dafür besten Dank. Ich stelle es ebenfalls gern – zum Wochenende – auf meiner Homepage zu allgemeinen Verwendung 🙂 ein.

Die Argumentation des zeitlich vor dem AG Kassel, Urt. v. 14.04.2015 – 385 OWi – 9863 Js 1377/15 ergangenen AG Parchim, Urt. v. 01.04.2015 –  5 OWi 2215/14 – geht in dieselbe Richtung:

„Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns. Eine Mitwirkung von Privatpersonen ist nur möglich, wenn die Verwaltungsbehörde „Herrin des Verfahrens“ bleibt. Bei Geschwindigkeitsmessungen muss die Behörde nicht nur Ort, Zeit und Häufigkeit der Messungen vorgeben, sondern auch den eigentlichen Messvorgang durch eigene ausgebildete Mitarbeiter kontrollieren, um gegebenenfalls einschreiten zu können. Schließlich muss die Auswertung des Messergebnisses der Ordnungsbehörde vorbehalten bleiben (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2003 – 2 Ss Owi 388/02).“

Und wenn das nicht der Fall ist: Beweisverwertungsverbot (vgl. dazu auch OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12 und Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr). Man sieht, so ganz neu ist die Geschichte nicht. Sie kocht nur gerade wieder an verschiedenen Stellen der Republik hoch. Das spricht dafür, dass flächendeckend so ausgewertet wird.

Was mich – gelinde ausgedrückt – erstaunt, ist folgende Passage im AG Parchim-Urteil:

„Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat nicht nur bei Missachtung der Vorgaben aus dem vorbezeichneten Erlass die Datenauswertung exclusiv der V. GmbH als privaten Dienstleistungsanbieter übertragen, sondern dies auch in Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens zu vertuschen versucht.

Bereits in den vorangegangenen Verfahren 5 OWi 1913/14 und 5 OWi 1633/14 hat das Gericht am 9.12.2014 bei Durchführung eines Ortstermins in den Geschäftsräumen der Stabsstelle Verkehrsüberwachung bei dem Landkreis Ludwigslust-Parchim sich von dem tatsächlichen Ein-satz eines dort installierten TUFFViewers im Rahmen der Datenauswertung zu überzeugen versucht. Dort ist dem Gericht durch den Leiter der Stabsstelle Verkehrsüberwachung, Herrn pp., die Auskunft erteilt worden, dass es wegen seiner fehlenden Sachkenntnis nicht möglich sei, das dortige Messdatenauswertungsverfahren zu demonstrieren. Auch die zuständigen Sachgebietsleiter stünden hierfür nicht zur Verfügung. Aus der dem Gericht vorliegenden, in der Hauptverhandlung verlesenen, von der Zeugin A. an die Mitarbeiter der Stabsstelle Verkehrsüberwachung übersandten E-Mail vom 21.11.2014 ist zu entnehmen, dass anfragenden Rechtsanwälten die Auskunft zu erteilen sei, dass seit dem 15.10.2013 die Umstellung auf den neuen TUFFViewer 3.45-1 abgeschlossen worden sei und dieser seither für die ausschließliche Auswertung durch die Mitarbeiter des Landkreises Ludwigslust Parchim verwendet werde. Weiterführende Auskünfte an Rechtsanwälte sollten nicht erteilt werden. In seiner ebenfalls dem Gericht vorliegenden und in der Hauptverhandlung verlesenen weiteren E-Mail vom 02.02.2015 beklagt der vorgenannte Leiter der Stabsstelle Verkehrsüberwachung gegenüber den dortigen Mitarbeitern den Umstand, dass die interne E-Mail vom 21.11.2014 dem Amtsgericht Parchim vorläge und er prüfen lasse, wer für die Weitergabe der betreffenden E-Mail an „unbefugte Dritte“ verantwortlich sei.

Dem ist zu entnehmen, dass die Stabsstelle Verkehrsüberwachung in Kenntnis der ihr bereits in vorangegangenen Verfahren mitgeteilten oben bezeichneten obergerichtlichen Rechtsprechung bewusst auch der Erlasslage zuwiderhandelnd die Datenauswertung ausschließlich in private Hände ohne eigene Kontrollmöglichkeit übertragen hat. Auch hat der Landkreis Ludwigslust-Parchim dem Gericht die Einsichtnahme in die mit der V. Wismar GmbH bestehende Dienstleistungsvereinbarung trotz in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Ersuchens mit Fristsetzung zum 28.3.2015, 12.00 Uhr, verweigert.“

Da ist man doch ein wenig „verwundert“. Ich kann nur sagen: Keinen weiteren Kommentar.