Machen wir heute am Feiertag noch ein Posting zur Fristversäumung, nachdem der Beitrag Berufungsbegründung per Email – das geht, ja, aber Vorsicht! die ja auch schon zum Gegenstand hatte. Zu der Problematik habe ich dann nämlich noch den BGH, Beschl. v. 07.08.2013 – XII ZB 533/10, der sich mit den Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts bei plötzlich auftretender Erkrankung befasst.
Im Verfahren war sich der Rechtsanwalt nicht darüber im Klaren, ob eine beabsichtigte Beschwerde beim AG oder beim OLG eingelegt werden muss. Zur Sicherheit fertigt er je einen Beschwerdeschriftsatz an das AG und an das OLG und unterschreibt. Er fährt am Abend des Fristablaufs gegen 19.45 Uhr dann zunächst nach Hause und beabsichtigt, später noch einmal in die Kanzlei zu fahren, um die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts abschließend zu prüfen und den richtigen Schriftsatz zu faxen. Daran wird er jedoch durch eine plötzlich aufgetretene Magen-Darm-Erkrankung gehindert. Er hat daher seine Ehefrau, die ebenfalls Volljuristin ist, gebeten, in die Kanzlei zu fahren und den vorbereiteten Schriftsatz an das OLG zu faxen. Diese hat versehentlich jedoch den ebenfalls unterschriebenen Schriftsatz an das AG gesendet.
Das OLG hat auf der Grundlage Wiedereinsetzung abgelehnt. Der BGH gewährt und führt u.a. aus:
b) Dem Rechtsanwalt kann nicht vorgeworfen werden, einen Sendebericht nicht am Abend des Fristablaufs kontrolliert zu haben, da er plötzlich und unvorhergesehen erkrankt war. Diesen Umstand hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft nicht in seine Erwägungen einbezogen.Ein Rechtsanwalt hat zwar im Rahmen seiner Organisationspflichten grundsätzlich auch dafür Vorkehrungen zu treffen, dass im Falle einer Erkrankung ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungen wahrnimmt (BGH Beschluss vom 5. April 2011 VIII ZB 81/10 NJW 2011, 1601 Rn. 18). Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur dann durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er eine solche Situation vorhersehen kann. Wird er dagegen unvorhergesehen krank, gereicht ihm eine unterbleiben-de Einschaltung eines Vertreters nicht zum Verschulden, wenn ihm diese weder möglich noch zumutbar war (BGH Beschlüsse vom 5. April 2011 VIII ZB 81/10 NJW 2011, 1601 Rn. 18; vom 6. Juli 2009 II ZB 1/09 NJW 2009, 3037 Rn. 10 und vom 18. September 2008 V ZB 32/08 – FamRZ 2008, 2271 Rn. 9). So liegt der Fall hier. Der Rechtsbeschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass sein Anwalt am Abend des Fristablaufs plötzlich und unvorhergesehen an einer Magen-Darm-Grippe mit Fieber erkrankt war und deshalb nicht wie vorgesehen nochmals ins Büro fahren konnte, um den Beschwerdeschriftsatz selbst abzuschicken. Angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit (nach 22 Uhr) und der Tatsache, dass der Verfahrensbevollmächtigte ausweislich seines Briefkopfes als Einzelanwalt in Bürogemeinschaft tätig ist, war die Erreichung und Bestellung eines Vertreters erkennbar aussichtslos. Angesichts dieser Umstände hat er mit der Beauftragung seiner Ehefrau, das Fax an das Oberlandesgericht zu senden, schon eine Maßnahme getroffen, zu der er im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand nicht verpflichtet war. Allein deshalb910– 7 –kann ihm der dann bei der Ausgangskontrolle aufgetretene Fehler nicht angelastet werden (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 6. Juli 2009 II ZB 1/09 NJW 2009, 3037 Rn. 10 und Senatsbeschluss vom 26. November 1997 XII ZB 150/97 NJW-RR 1998, 639).