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Erstreckung, die zweite, oder: Beim Nebenklägervertreter gilt die Rückwirkung nicht

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Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner der OLG Celle, Beschl. v. 13.11.2018 – 2 Ws 426/18. Auch er behandelt eine Erstreckungsproblematik, nämlich die Erstreckung der Beiordnung beim Nebenklägervertreter.

Grundlage war folgender Sachverhalt: Das AG hatte die Nebenklage zugelassen. In der Hauptverhandlung ist der Rechtsanwalt dann als Vertreter des Nebenklägers aufgetreten. Die Hauptverhandlung erstreckte sich über 14 Termine im Zeitraum vom 23.08.2017 bis zum 26.02.2018. Mit Schreiben vom 6.12.2017 beantragte der Nebenkläger für die Hinzuziehung seines RechtsanwaltsProzesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO. Das AG hat Prozesskostenhilfe im Hauptverhandlungstermin vom 8.12.2017 ohne Ratenzahlung bewilligt.

Der Nebenklagevertreter beantragt dann später die die Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren. Dieser Antrag umfasst auch den Zeitraum vor der Antragstellung nach § 397a Abs. 2 StPO. Abweichend davon hat die Kostenbeamtin des AG die beantragte Erstattung unter Hinweis darauf gekürzt, dass eine Rückwirkung der Prozesskostenhilfe auf einen Zeitpunkt vor der Antragstellung ausgeschlossen sei. Abgesetzt worden sind die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG und fünf Terminsgebühren Nr. 4108 VV RVG sowie Kopierkosten. Auf die Erinnerung des Nebenklagevertreters hat das AG die abgesetzten Beträge zugesprochen und entsprechend festgesetzt. Das LG hat auf die Beschwerde der Staatskasse den Beschluss des AG aufgehoben. Die zugelassene weitere Beschwerde des Nebenklagevertreter hatte keinen Erfolg.

Das OLG meint: § 48 Abs. 6 RVG gilt nicht für den Nebenklagevertreter, und zwar auch nicht entsprechend, was m.E. nicht zutreffend ist.

Hier dann die Leitsätze des OLG – Rest bitte selbst im Volltext lesen:

  1. Der Nebenklagevertreter hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse nach § 55 RVG, soweit diese vor Beantragung der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO entstanden beziehungsweise angefallen sind.
  2. § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG ist für einen Rechtsanwalt, der als Nebenklagevertreter unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinzugezogen wird, nicht anwendbar.
  3. Bereits die Auslegung des Wortlautes der für die vorliegende rechtliche Konstellation geltenden Vorschriften des § 397a Abs. 2 und 3 StPO sowie der Prozesskostenhilfe (§§ 114 bis 127 ZPO) spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG.

Aufhebung von PKH-Bewilligung(im Loveparade-Verfahren), oder: Wer ist zuständig?

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Bei der zweiten Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag handelt es sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2018 – III-2 Ws 94/18, der im sog. „Loveparade-Verfahren“ ergangen ist. Es geht um die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung für einen Nebenkläger durch den Rechtspfleger.

Der Beschwerdeführer ist in dem sog. Loveparade-Verfahren als Nebenkläger zugelassen worden. Ihm ist im November 2014  Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bewilligt worden. Mit Schreiben der für das Verfahren vor der zuständigen Strafkammer zuständigen Rechtspflegerin vom 17. November 2017 wurde der Nebenkläger aufgefordert, eine aktualisierte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. Da sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse verbessert hatten, wurde mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 3. Januar 2018 die zugunsten des Nebenklägers erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage aufgehoben (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hierbei wurde dem Nebenkläger eine Rechtsmittelbelehrungnach Maßgabe des § 127 Abs. 2 ZPO erteilt (sofortige Beschwerde binnen eines Monats). Gegen die Aufhebungsentscheidung richtet sich die „sofortige Beschwerde“ des Nebenklägers. Die Rechtspflegerin hat der „sofortigen Beschwerde“ nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG sagt:

  1. Der Nebenkläger kann die Entscheidung, durch welche die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung der Einkommensverhältnisse (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) aufgehoben worden ist, mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechten.
  2. Bei einem Nebenkläger entscheidet der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts auch im Falle des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Für eine solche Entscheidung besteht im Strafverfahren keine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers.
  3. Hat der Rechtspfleger die Aufhebungsentscheidung anstelle des funktionell zuständigen Vorsitzenden der Strafkammer getroffen, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Strafsenat als das beiden übergeordnete Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden.

Und in der Sache hat das OLG dann die PKH-Bewilligung aufgehoben. Es geht von der Missachtung der Mitteilungspflichtauch, die sich  auch als grobe Nachlässigkeit darstelle:

„……Atypisch ist im sog. Loveparade-Verfahren die lange Dauer zwischen der Erhebung der Anklage im Februar 2014 und der Eröffnung des Hauptverfahrens, die im Beschwerdeverfahren durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 erfolgt ist. Dazwischen liegt der Nichteröffnungsbeschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. März 2016.

Wenn das laufende Verfahren zwischenzeitlich aus dem Blick des Nebenklägers geraten sein sollte, so hat er es jedenfalls wieder in den Blick genommen, als er gegen die Nichteröffnungsentscheidung vom 30. März 2016 mit Schriftsatz seines anwaltlichen Beistands vom 6. April 2016 sofortige Beschwerde eingelegt hat. Dieses Rechtsmittel ist mit Schriftsatz vom 22. September 2016 „aus Kostengründen“ zurückgenommen worden, was erkennen lässt, dass dem Nebenkläger finanzielle Risiken (auch im Verhältnis zu den damals Angeschuldigten) bewusst waren. Schon durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde hatte die als Beistand hinzugezogene Rechtsanwältin weitere Vergütungsansprüche gegen die Landeskasse erworben, die im Rahmen der auferlegten 48 Raten zu Lasten des Nebenklägers wirken mussten.

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 war für den Nebenkläger klar, dass das Verfahren in ein neues Stadium getreten war und eine Hauptverhandlung stattfinden wird. Er hat auch auf die neue Situation reagiert, indem sein anwaltlicher Beistand die Anträge auf Zulassung der Nebenklage und Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 „vorsorglich neu gestellt“ hat. Dabei wurde keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, sondern auf die „bereits übersandte Erklärung“ Bezug genommen.“