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OWi I: Beiziehung des Passfotos vom Einwohnermeldeamt, oder: Zulässig und kein Verwertungsverbot

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Und ich mache dann heute noch einen OWi-Tag, und zwar mit verfahrensrechtlichen Entscheidungen.

In dem Zusammenhnag stelle ich zunächst den OLG Koblenz, Beschl. v. 02.10.2020 – 3 OWi 6 SsBs 258/20 – vor. Mit ihm wird über die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung entschieden. Der Betroffene hatte geltend gemacht, dass die Verwaltungsbehörde vor Erlass des Bußgeldbescheides sein Personalausweisfoto zur Fahreridentifizierung beim Einwohnermeldeamt angefordert habe. Die hierauf erfolgte Herausgabe des Personalausweisfotos verstoße gegen das Gesetz, weshalb das Verfahren einzustellen sei.

Das hat das OLG Koblenz anders gesehen:

2. Der als Verfahrensrüge zu behandelnde Einwand, die Verwaltungsbehörde habe gegen § 24 Abs. 2 und 3 PAuswG verstoßen und damit einen Verfahrensverstoß begangen, der die Einstellung des Verfahrens gebiete, ist nicht geeignet, der Rechtsbeschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Denn das Beschaffen des Personalausweisfotos des Betroffenen durch die Bußgeldbehörde beim zuständigen Einwohnermeldeamt stellt keinen Verstoß gegen das PAuswG dar.

Gemäß § 24 Abs. 2 PAuswG, der § 22 Abs. 2 Passgesetz entspricht, dürfen Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn 1. die ersuchende Behörde aufgrund von Gesetz oder Rechtsverordnung berechtigt ist, solche Daten zu erhalten, 2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen und 3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 PAuswG trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung dafür, dass die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen.

Die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PAuswG ist vorliegend erfüllt, da die Bußgeldbehörde gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO iVm. §§ 46 Abs. 1 und 2 OWiG berechtigt ist, von allen Behörden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskünfte zu verlangen (OLG Stuttgart, Beschl. 1 Ss 230/2002 v. 26.08.2002 – NStZ 2003, 93; OLG Rostock, Beschl. 2 Ss OWi 302/04 v. 28.11.2004 – juris; OLG Bamberg, Beschl. 2 Ss OWi 147/05 v. 02.08.2005 – DAR 2006, 336). Darüber hinaus ist in § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG ausdrücklich normiert, dass die Übermittlung von Lichtbildern an die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im automatisierten Verfahren erfolgen kann.

Des Weiteren ist auch die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG erfüllt, da die Daten bei dem Betroffenen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand hätten erhoben werden können. Es hätte zwar zur Klärung der Fahrereigenschaft die Möglichkeit bestanden, den Betroffenen durch Behördenbedienstete oder durch die Polizei in seiner Wohnung oder an seinem Arbeitsplatz aufzusuchen und ihn zum Vergleich mit dem Messfoto in Augenschein zu nehmen oder insoweit sogar eine Nachbarschaftsbefragung durchzuführen; jedoch wären solche Ermittlungshandlungen sowohl für die Behörden als auch für den Betroffenen unverhältnismäßig; selbst aus Sicht des Betroffenen dürften sie wesentlich stärker in seine Persönlichkeitssphäre eingreifen als die Erhebung seines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister (OLG Stuttgart, aaO.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. 1 Ss 54 B/02 v. 19.04.2002 – VRS 105, 221; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschl. 2 OB OWi 727/97 v. 20.02.1998 – NJW 1998, 3656; OLG Hamm, Beschl. 3 Ss OWi 416/09 v. 30.06.2009 – ZfSch 2010, 111).

Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAuswG ist weitere Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde, hier die Bußgeldstelle, ohne Kenntnis der Daten, vorliegend des Personalausweisfotos, nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen. Da die Bußgeldbehörde aber die Fahrereigenschaft fast ausnahmslos auch durch Ermittlungen am Wohn- oder Arbeitsort des Betroffenen, gegebenenfalls auch durch Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen, erforderlichenfalls nach mehrmaligen Aufsuchen klären kann, würde dies bedeuten, dass die Übermittlung von Lichtbildern durch die Personalausweis- oder Passbehörde an die Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten fast ausnahmslos unzulässig wäre. Dies würde aber zu einem nicht auflösbaren Wertungswiderspruch im Hinblick auf § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG führen und ist im Übrigen mit der spezielleren Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG nicht vereinbar. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG dürfen die Ordnungsbehörden Lichtbilder zum Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (sogar) im automatisierten Verfahren abrufen. Der Gesetzgeber hat, in dem er sogar das automatisierte Verfahren zugelassen hat, mit dieser spezielleren Norm zum Ausdruck bringen wollen, dass die Übermittlung von Lichtbildern durch die Passbehörden an die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zulässig sein soll. Dies lässt sich den Gesetzesmaterialien zu § 25 PAuswG in der Fassung vom 18. Juni 2009 entnehmen, in denen die Bundesregierung darauf hinweist, dass ein Abruf des Lichtbildes im automatisierten Verfahren nur bei Verkehrsordnungswidrigkeiten und nicht bei Ordnungswidrigkeiten insgesamt zulässig sei (BT-Drucksache 16/10489 v. 07.10.2008), folglich dies privilegiert werden soll. Die Einschränkung in § 24 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG, wonach eine Übermittlung nur zu erfolgen habe, wenn die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann, wäre im Hinblick auf die Übersendung von Lichtbildern nicht mehr verständlich, wenn man aus § 24 Abs. 2 Nr. 2 PAuswG bereits ein generelles Verbot dafür entnehmen würde.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass selbst ein Verstoß gegen die Vorschriften des PAuswG weder zu einem Verfahrenshindernis noch zu einem Beweisverwertungsverbot führen würde. Verfahrenshindernisse kommen bei Verfahrensmängeln nur dann in Betracht, wenn sie nach dem aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzgebers so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängig gemacht werden muss (vgl. OLG Rostock, aaO.). Ein derartig schwerwiegender Verfahrensmangel kann bei möglichen Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem Übersenden eines Ausweisfotos von der Meldebehörde zum Bildabgleich nicht gesehen werden, insbesondere im Hinblick auf § 25 PAuswG (vgl. OLG Rostock, aaO., OLG Bamberg, aaO.). Soweit die von der Meldebehörde der Bußgeldbehörde übermittelten Lichtbilder überhaupt in die Hauptverhandlung eingeführt werden – da eine Fahreridentifizierung in der Hauptverhandlung in der Regel nach Inaugenscheinnahme des Betroffenen durch Abgleich mit dem Messfoto erfolgt -, würde dies auch zu keinem Beweisverwertungsverbot führen, da ein Verfahrensfehler bei der Übermittlung des Personalausweisbildes nicht den Kernbereich der Privatsphäre des Betroffenen berührt und daher hinter dem Interesse an einer Tataufklärung zurückstehen muss, zumal die Identifizierung des Betroffenen jederzeit auch auf andere Weise erfolgen kann (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, aaO.; Bayerisches Oberstes Landesgericht, aaO.; OLG Frankfurt, Beschl. 2 Ws 331/97 v. 18.06.1997 – NJW 1997, 2963). Bei Vorliegen eines Verfahrensfehlers käme vorliegend auch keine Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG in Betracht. Soweit der Betroffene darauf hinweist, dass schon bei einem Verstoß gegen Richtlinien die Einstellung anerkannt sei, so kann dies nur bei weniger gravierenden Verstößen oder geringer Schuld geboten sein (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. Ss 10/96 v. 29.01.1996 – VRs 93, 478). Eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG müsste hier aber bereits daran scheitern, dass ein gravierender Verkehrsverstoß mit Regelfahrverbot vorliegt und eine geringe Schuld bei drei einschlägigen Voreintragungen nicht angenommen werden kann.“

OWi III: Unzulässige Anforderung des Passfotos, oder: Datenschutzverstoß ==> Einstellung

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Und als dritte Entscheidung zum Tagesschluss dann der AG Landstuhl, Beschl. v. 08.01.2020 – 2 OWi 4211 Js 12883/19. Nichts Neues, aber erfreulich, weil das AG seine frühere Rechtsprechnung bestätig, nach der Passfotos von einem Betroffefen, dem eine OWi zur Last gelegt wird, nicht zum Abgleich mit einem Messfoto von der Passbehörde angefordert werden dürfen, bevor der Betroffene erstmals durch die Bußgeldbehörde mit dem Vorwurf konfrontiert wird.Das AG stellt in solchen Fällen das Verfahren ein:

„Das Verfahren war hier aus Gesichtspunkten des Opportunitätsgrundsatzes einzustellen. Denn vorliegend liegt ein erheblicher Verfahrensverstoß der Bußgeldbehörde gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor, der zwar den staatlichen Strafanspruch im konkreten Fall nicht an sich beseitigt, jedoch so erheblich im Sinne vorsätzlichen Vorgehens ist, dass vorliegend eine Sanktionierung mittels der Rechts- und Regelfolgen der BKatV nicht vereinbar wäre.

Hier wurde das Passbild des potentiellen Betroffenen durch die vor Ort ermittelnde Polizei angefordert, bevor der Betroffene erstmals mit dem Vorwurf durch die Bußgeldbehörde konfrontiert worden war (Bl. 27 und 29/30 d.A.). Dies verstößt gegen §§ 22 Abs. 2 und 3 PassG bzw. § 24 Abs. 2 und 3 PAuswG (AG Schleswig, Beschluss vom 19.11.2018 – 53 OWi 107 Js 24000/18 – BeckRS 2018, 41318; AG Landstuhl, Beschluss vom 26. Oktober 2015 – 2 OWi 4286 Js 7129/15 –, juris).

Angesichts der Vielzahl von Fällen besteht die Befürchtung, dass die beauftragten Polizeidienststellen im Saarland die datenschutzrechtliche Problematik ihres Vorgehens nicht einmal kennen oder verstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG. Der Betroffene hat für das behördliche Fehlverhalten keine Veranlassung gegeben.“