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Und noch mal Mord – Habgier + Heimtücke = „besondere Schwere der Schuld“?

© Thomas Becker - Fotolia.com

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Nach Mord – niedriger Beweggrund? zum BGH, Beschl. v.  26.03.2014 – 2 StR 505/13 – heute dann noch einmal der Tatbestand des Mordes, nun aber zum Merkmal der „besonderen Schwere der Schuld“. Für Verteidiger in Kapitalsachen immer auch Ziel der Verteidigung in „Kapsachen“, die Feststellung der besonderen Schuldschwere zu vermeiden, um die daran geknüpfte Mindestverbüßungsdauer zu vermeiden. Im BGH, Beschl. v. ‌23‌.‌01‌.‌2014‌, 2 StR ‌637‌/‌13‌ – hatte der BGH es nun mit zwei Mordmerkmalen zu tun. Das LG hatte darauf die Annahme der besonderen Schuldschwere gestützt.

Dazu der BGH: Er ist der Ansicht, dass die Verwirklichung zweier Mordmerkmale nicht per se zu besonderer Schuldschwere führt. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bei einer Verurteilung wegen Mordes habe vielmehr zur Voraussetzung, dass das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Mordfällen so sehr abweicht, dass eine Strafaussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Täterprognose unangemessen wäre. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führe aber für sich genommen nicht ohne weiteres zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, und zwar auch dann nicht, wenn die Mordmerkmale auf materiell verschiedenen schulderhöhenden Umständen beruhen, hier waren es die Mordmerkmale Habgier und Heimtücke. Erforderlich sei auch in diesem Fall eine Gesamtwürdigung anhand der Umstände des Einzelfalles.

Mord – niedriger Beweggrund?

© Dan Race - Fotolia.com

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Machen wir heute mal zum Wochenauftakt – ist ja nur eine kurze „Arbeitswoche“ – etwas schwerere Kost, nämlich einmal „Kapsachen“, und zwar Mord. Und zwar den BGH, Beschl. v.  26.03.2014 – 2 StR 505/13, in dem der BGH das landgerichtliche Urteil aufgehoben hat, weil das LG – so der BGH – das Tatabestandsmerkmal der „niedrigen Beweggründe“ ggf. verkannt hat. Ausgangspunkt war folgender Sachverhalt:

 „1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Lebensgefährten, sie lebten unter Obdachlosen und waren alkoholabhängig. Am 30. April 2012 wurde ihnen in ihrer vorübergehenden Unterkunft ein Hausverbot erteilt. Sie luden ihre Habe in einen Einkaufswagen und verließen die Unterkunft, um zunächst gemeinsam mit anderen Obdachlosen die Zeit im Freien zu verbringen und dann in einer Unterführung zu übernachten. Der Angeklagte F. hatte den Verdacht, dass der zum Kreis der Obdachlosen gehörende S. an einem sexuellen Kontakt mit der Angeklagten B. interessiert sei. Deshalb war er eifersüchtig und aggressiv. Er drohte damit, den gehbehinderten S. umzubringen. Ein anderer Obdachloser konnte zunächst eine Eskalation verhindern. Nachdem sich die Angeklagten in eine nahe gelegene Unterführung zurückgezogen hatten, ging der stark alkoholisierte S. auf seinem Weg zu einem „Übernachtungscontainer“ auf die Unterführung zu, weil er dort Stimmen hörte. Der Angeklagte F. erkannte eine Gelegenheit, S. „mit dem Tode zu bestrafen“, nahm ihn in den „Schwitzkasten“ und versuchte, ihn durch Genickbruch zu töten. Dabei brach er ihm die Kehlkopfhörner sowie das Zungenbein und ließ das Opfer zu Boden fallen. Dann trat der Ange-klagte F. den Bewusstlosen ins Gesicht, zog ihn gemeinsam mit der An-geklagten B. einige Meter von der Unterführung weg auf den gepflasterten Weg, wo er weiter auf Kopf und Oberkörper des Opfers eintrat. Durch die Tritte erlitt das Opfer umfangreiche Zertrümmerungen der Gesichtsknochen sowie Rippenbrüche, „wollte“ aber aus der Sicht des Täters „einfach nicht verrecken“. Die Angeklagte B. erkannte die mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlungen und befürchtete, dass sie erhebliche strafrechtliche Folgen für ihren Lebensgefährten haben könnten. Sie zerschlug eine kleine Flasche, nahm ein Bruchstück des Glases, trat an das Opfer heran und schnitt ihm mehrfach in den Hals. Danach fühlte sie ihm den Puls, bis dieser nicht mehr spürbar war. Der Angeklagte F. trat auch danach noch auf das Opfer ein, holte einen Hammer und schlug dem bereits Verstorbenen damit mehrfach auf den Kopf.

Die Revision der Angeklagten B. hatte mit der Sachrüge Erfolg, die des Angeklagten F. übrigens auch, aber aus anderem Grund. Nach Auffassung des BGH tragen die Urteilsgründe den Schuldspruch wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen nicht. Sie lassen vielmehr – so der BGH – besorgen, dass das LG von einem falschen Maßstab ausgegangen sei.

Auf das äußere „Tatbild“ einer brutalen Tötung kommt es dafür nicht an, sondern auf eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Hand-lungsantriebe des jeweiligen Täters maßgeblichen Faktoren (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 131). Auch ist die vom Landgericht hervorgehobene „Solidarität“ der Angeklagten B. mit dem Angeklagten F. nicht von Belang, weil eine Zurechnung des von dem Mittäter verwirklichten Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nach § 25 Abs. 2 StGB nicht möglich ist. Mittäter einer vorsätzlichen Tötung können wegen Tot-schlags oder Mordes unterschiedlich beurteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 – 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231, 233). Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen ist für jeden Mittäter der vorsätzlichen Tötung gesondert zu prü-fen. Daran sind die Überlegungen der Schwurgerichtskammer durch die Her-vorhebung einer „Solidarität“ der Angeklagten B. mit ihrem Lebensgefähr-ten zum Teil vorbeigegangen.

Im Übrigen hat das Landgericht Gesichtspunkte hervorgehoben, die eine Bewertung des Motivs als besonders verachtenswert nicht rechtfertigen. Aus der „Beziehung zum Opfer“ lässt sich für die Angeklagte B. , die „ein freundschaftliches Verhältnis“ zu dem Getöteten gehabt hatte, kein niedriger Beweggrund ableiten. Insoweit ist auch die „Vorgeschichte der Tat“ ohne Aussagekraft.“

Strafzumessung: Straferschwerend wird berücksichtigt, dass es fast ein Mord war…

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Ein Juraposting habe ich dann noch vor Weihnachten – zum Abschluss noch ein wenig Strafzumessung. Da gibt es immer wieder eine Menge zu berichten aus der BGH-Rechtsprechung. Hier z.B. den BGH, Beschl. v. 29.08.2013 – 2 StR 44/13. Etwas verwickelt bzw. ein wenig überraschend. Bei der Strafzumessung wegen Totschlags darf zwar straferschwerend berücksichtigt werden, wenn der Täter objektiv zurechenbar die äußeren Mordmerkmale verwirklicht hat, auch wenn der Mordtatbestand in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt ist. Hierfür müssen die Urteilsgründe jedoch die Verwirklichung der äußeren Mordmerkmale uneingeschränkt nachweisen. Es genügt nicht  nur die „Nähe zu den äußeren Mordmerkmalen“.

Der BGH drückt es vornehmer 🙂 aus:

„2. Der Strafausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten „die Nähe zum Mordmerkmal der Heimtücke“ (UA S. 57) bewertet. Zwar darf es straferschwerend berücksichtigt werden, wenn der Täter eines Totschlags objektiv zurechenbar die äußeren Mordmerkmale verwirklicht hat, auch wenn der Mordtatbestand in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 24. November 1983 – 4 StR 551/83, NStZ 1984, 311, 312). Dass die Tat des Angeklagten eine objektiv heimtückische Tötung darstellt, ergibt sich jedoch nicht aus den Urteilsgründen. Das Landgericht hat ausgeführt, dass das Tatopfer „bei Abgabe der tödlichen Schüsse und damit bei Vornahme der maßgeblichen ersten vom Tötungsvorsatz getragenen Angriffshandlung des Angeklagten bereits nicht mehr arglos“ (UA S. 51), jedenfalls aber nicht wehrlos gewesen sei. Angesichts dieser von den bisherigen Feststellungen getragenen Wertungen lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, worin die äußeren Mordmerkmale des § 211 StGB liegen; die Strafe muss deshalb neu bemessen werden.“

Und wenn man liest:

„3. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich eingehender als bislang geschehen mit dem „teilweise sogar strafbare(n) Vorverhalten des Opfers“ (UA S. 55) auseinanderzusetzen haben; die Ausführungen, mit denen das Landgericht gemeint hat, das Verhalten des Angeklagten könne nicht als„notwehrähnliche Situation“ (UA S. 56) bezeichnet werden, berücksichtigen dieses nicht.“

dann kann das Verfahren im „2. Durchlauf“ eine ganz andere Wendung nehmen.

„Gewaltorgie“ – „Niedriger Beweggrund“?

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Das LG Verden verurteilt die Angeklagten u.a. wegen versuchten Mordes. Als Mordmerkmal wird ein „niedriger Beweggrund“ angenommen. Der BGH, Beschl. v. 21.02.2013 – 3 StR 496/12 – teilt insoweit aus den landgerichtlichen Feststellungen mit, dass das LG festgestellt hat,  „dass die alkoholisierten Angeklagten in der Verdener Innenstadt auf den dort schlafenden T. trafen. Sie schlugen und traten in einer vom Landgericht nachvollziehbar als „Gewaltorgie“ bezeichneten Aktion immer wieder wuchtig auf ihn ein, auch gegen seinen Kopf. Dadurch verursachten sie massive Verletzungen, die ohne eine umgehende, nur durch das zufällige Auffinden des bewusstlosen Opfers ermöglichte medizinische Versorgung binnen kurzer Zeit zum Tode geführt hätten.“

Der BGH sieht Defizite bei der Bejahung des niedrigen Beweggrundes, und zwar hinsichtlich der subjektiven Seite:

„Die Bewertung, dass sie dabei aus niedrigen Beweggründen handelten, hält der revisionsrechtlichen Prüfung indes nicht stand. Das Landgericht hat bei der Annahme niedriger Beweggründe nämlich allein auf das objektiv äußerst brutale Tatgeschehen abgestellt, ohne die für die einzelnen Angeklagten maßgeblichen subjektiven Beweggründe zu erörtern. Die Beurteilung, ob ein Beweggrund „niedrig“ ist, setzt aber regelmäßig zunächst die Feststellung der Tatmotive voraus. Daran fehlt es hier.

Zwar geht die Strafkammer im Ansatz zutreffend davon aus, dass die Beurteilung niedriger Beweggründe einer Gesamtwürdigung bedarf, die alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren einschließt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1987 – 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 127; vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692). Jedoch teilt das Urteil die tatsächlichen Beweggründe der Angeklagten nicht mit. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe und der Feststellung, den Angeklagten sei zu Beginn des Geschehens unausgesprochen klar gewesen, dass man dem Geschädigten „nunmehr bei dieser Gelegenheit eine Abreibung verpassen wollte“, ergibt sich nicht, welche Motive für die Täter maßgeblich waren. Es bleibt insbesondere offen, ob und gegebenenfalls für welchen der Täter handlungsleitend war, dass der Geschädigte mehrere Jahre vor der Tat die Mutter des Angeklagten A. über einen längeren Zeitraum körperlich misshandelt hatte. Wäre dies für die Tatmotivation maßgeblich gewesen, hätte es jedenfalls in die erforderliche Gesamtwürdigung einbezogen werden müssen, wenngleich je nach den weiteren Umständen auch Gefühlsregungen wie Wut, Ärger, Hass und Rache als niedrige Beweggründe in Betracht kommen können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 mwN).“

50.000 € Schmerzensgeld nach einem Mord nicht zu viel…

Das OLG Bremen hat im OLG Bremen, Beschl. v. 16.03.2012 – 3 U 6/12 PKH für eine Berufung verweigert, mit der der der Beklagte ein vom LG Bremen festgesetztes Schmerzensgeld von 50.000 € auf 25.000 € reduzieren wollte. Ausgangspunkt war eine Verurteilung des Beklagten wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung unter Berücksichtigung verminderter Schuldfähigkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren. Das LG hat das von ihm festgesetzte Schmerzensgeld wie folgt begründet:

Zur Begründung der Verurteilung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte der Tochter der Klägerin vorsätzlich Verletzungen zugefügt habe, aufgrund derer die Tochter der Klägerin verstorben sei. Zwar sei zu beachten, dass nach dem Gesetzeswortlaut nur die Körper- und Gesundheitsverletzung, nicht aber die Vernichtung des Lebens als solche Schmerzensgeldansprüche auslösen könne. Nach den sachverständigen Ausführungen stehe aber fest, dass die Tochter der Klägerin nach dem ersten Würgeangriff das Bewusstsein wiedererlangt habe. Sie sei für einen nennenswerten Zeitraum bei vollem Bewusstsein gewesen und habe die ihr zugefügten Verletzungen – insbesondere auch die schwere Afterverletzung – vollständig wahrgenommen.

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes sei ausschlaggebend, dass die Tochter der Klägerin nach dem Würgeangriff nicht nur starke Schmerzen und erhebliche Verletzungen durch den Beklagten erlitten, sondern insbesondere auch aufgrund des als sicher erkannten Todeseintritts eine Todesangst ausgestanden habe. Eine Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit des Beklagten aufgrund Alkoholisierung oder sonstiger Stoffe könne nach den Sachverständigenangaben ausgeschlossen werden. Der relativ kurze Zeitraum des Überlebens sei angesichts der vorsätzlichen und mit Misshandlungen verbundenen Tat kein taugliches Bemessungskriterium für das Schmerzensgeld und trete völlig hinter die Kombination aus verletzungsbedingtem Schmerz und der Angst vor dem als vom Beklagten beabsichtigt erkannten Tod zurück. Durch diese Kombination hebe sich der Fall von anderen Vergleichsfällen aus den Schmerzensgeldtabellen ab und rechtfertige eine Verurteilung in der tenorierten Höhe. „

Das OLG hat das „gehalten: Bei einer vorsätzlich begangenen gefährlichen Körperverletzung, die zum Tode der Geschädigten führt, trete bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes hinter dessen Genugtuungsfunktion zurück. Nach den Umständen des Einzelfalls könen deshalb ein Schmerzensgeld von € 50.000,00 auch dann angemessen sein, wenn die Geschädigte die Verletzungshandlung lediglich für einen kurzen Zeitraum (hier ca. 30 Minuten) überlebt, sie jedoch die ihr zugefügten schweren Verletzungen und Schmerzen bewusst und in Todesangst wahrnehme.