Heute dann der Start in das „normale“ Wochenprogramm, Corona am Montag ist immer „Vorprogramm“. Und ich beginne die Berichterstattung mit Entscheidungen zur StPO, und zwar aus dem Ermittlungsverfahren.
An der Spitze ein Beschluss betreffend die Anordnung einer Durchsuchung. Den LG Konstanz, Beschl. vom 14.12.2021 – 4 Qs 111/21 – haben mir die Rechtsanwälte Laudon/Schneider aus Hamburg geschickt, Verteidiger war der Kollege Eggers. In der Entscheidung geht es um die Frage des Anfangsverdachts in einer KiPo-Sache.
Das AG hatte die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen und der Fahrzeuge des Beschuldigten nach diversen digitalen Speichermedien pp. , sowie deren Beschlagnahme angeordnet. Der Tatvorwurf lautete auf Erwerb bzw. Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften/Inhalte. So soll der Beschuldigte in zwei WhatsApp-Chats („Giiiirls“ bzw. ”Teen Nudes“) am 15.09.2021 und am 11.08.2019 jeweils kinder- bzw. jugendpornographische Bild- und Videodateien in seinem Ac-count empfangen, wahrgenommen und möglicherweise auch – bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses – in Besitz genommen haben.
Dagegen hat der Beschuldigte Beschwerde eingelegt und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten Durchsuchung beantragt. Begründung: Allein die Mitgliedschaft in den beiden Chats, deren Namensgebung nicht vermuten lasse, dass entsprechendes inkriminiertes Bild- und Videomaterial ausgetauscht werde, sei nicht strafbar. Mit solch einem Austausch müsse man auch nicht rechnen.Das LG hat die Beschwerde verworfen:
„Grundlage der Strafbarkeit sind vorliegend die §§ 184b Abs. 3 und 184c Abs. 3 StGB in der zwischen 01.07.2017 und 12.03.2020 gültigen Fassung, die mutmaßlichen Tatreiten sind der 15.07.2019 und der 11.08.2019. Demnach muss(te) der Täter es unternehmen, sich den Besitz an einer kinder- oder jugendpornographischer Schrift, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, verschaffen, oder eine solche Schrift besitzen. Fest stand nach Aktenlage bei Beschlusserlass, dass der Beschuldigte Mitglied der beiden o.g. WhatsApp-Chats war, in denen – zumindest auch – inkriminierte Schriften i.S. der §§ 184b und c StGB a.F. ein- und ausgingen. Zu den Schriften im vorgenannten Sinne gehörten gem. § 11 Abs. 3 StGB auch Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen, mithin auch die im angefochtenen Beschluss aufgezählten Dateien. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, mithin die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer den Straftatbestand der §§ 184b und c StGB a.F. verwirklicht haben könnte, lagen vorliegend vor (Anfangsverdacht). Beiden vorgenannten Tatbeständen handelt es sich um Unternehmensdelikte, so dass auch bereits Versuchshandlungen strafbar sind (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB). Die Mitgliedschaft in einem Chat wie den vorliegend zu beurteilenden ist bei der sich im Zeitpunkt der Beschlussfassung bietenden objektiven Sachlage gerade auch bei Zugrundelegung kriminalistischer Erfahrungen ein gewichtiger Hinweis darauf, dass sich die Chat-Mitglieder am Austausch der inkriminierten Dateien beteiligen, sei es durch aktives Einstellen entsprechender Dateien oder aber – wofür vorliegend jedenfalls eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestand und besteht -durch den „Konsum“ in Form des An-schauens und auch Archivierens zumindest für eine bestimmte Dauer, was den Besitztatbestand verwirklichen würde. Ein entsprechender Vorsatz – jedenfalls in bedingter. Form – liegt bei solchen Sachverhalten ebenfalls nahe. Es geht im aktuellen Verfahrensstadium nicht um die Frage nach einer Verurteilungswahrscheinlichkeit im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts, sondern um einen einfachen Anfangsverdacht. Wie stets wird all dies im weiteren Verlauf der Ermittlungen noch näher abzuklären sein.
Die Anordnung der Durchsuchung zur Beschlagnahme der im angefochtenen Beschluss angeführten Beweismittel war zur Verifizierung oder Falsifizierung des Tatverdachtes auch erforderlich. Letztlich kann – je nach dem Ergebnis der Auswertung – die Durchsuchung ja auch zur Entkräftung des Tatvorwurfs beitragen. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Die Anordnung stand auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verdachts und der Bedeutung der Sache und war insgesamt verhältnismäßig.“