Schlagwort-Archive: Mitarbeiter

Wer ist Inhaber des Hausrechts bei einer Behörde?, oder: Aufforderung zum Verlassen durch Mitarbeiter

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 30.12.2021 – 4 RVs 130/21. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen Nötigung (§ 240 StGB) und Hausfriedensbruch (§ 123 StGB). Das OLG nimmt zur Frage des Hausrecht bei einer Behörde Stellung:

„1. Zutreffend stellt die Strafkammer fest, dass der Zeuge A als Beamter im Fachbereich „Tiere und Lebensmittel“ des Kreises C berechtigt i.S.v. § 123 Abs. 1 StGB war, den Angeklagten seines Büros zu verweisen. Berechtigt zur Aufforderung des Verlassens ist der Inhaber des Hausrechts und die von ihm Ermächtigten, wobei – in Abwesenheit des Hausrechtsinhabers – auch diejenigen als ermächtigt anzusehen sind, die am Schutz des Hausrechts teilnehmen und von denen der Hausrechtsinhaber ein Einschreiten erwarten kann (Schönke/Schöder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 123 Rdn. 29; vgl. auch Krüger in: LK-StGB, 13. Aufl., § 123 Rdn. 76; Feilcke in: MK-StGB, 4. Aufl., § 123 Rdn. 34). Dementsprechend können auch Behördenbedienstete störende Besucher aus ihrem Arbeitsraum verweisen (Schönke/Schöder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 123 Rdn. 29). Auch wenn unklar bleibt, ob sich die Strafkammer eine Überzeugung davon verschafft hat, dass – wie zwei Zeugen es bekundet haben – die Geschäfts- und Büroordnung des Kreises C das Hausrecht für die Büroräume auf die jeweiligen (dort dienstansässigen) Mitarbeiter delegiert, so ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugen jedenfalls nichts Gegenteiliges, so dass zumindest der am Schutz des Hausrechtes teilnehmende Zeuge A grundsätzlich berechtigt war, den Angeklagten aus seinem Büro zu verweisen.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist auch noch hinreichend erkennbar, dass der Angeklagte nach der Aufforderung zum Verlassen „ohne Befugnis“ in dem Büro des Zeugen A verweilte. Bzgl. der Unbefugtheit des Verweilens ist der Fall, dass der Täter schon vor der Aufforderung unbefugt verweilte, von dem Fall, dass der Aufenthalt erst durch die Aufforderung unbefugt wird, zu unterscheiden (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 123 Rdn. 37). Vor der Aufforderung zum Verlassen des Büros verweilte der Angeklagte – wie die Strafkammer zutreffend ausführt – befugt in dem Büro. In dem Publikumsverkehr geöffneten Behörden ist dem Bürger, der Auskunft suchen, Anträge stellen oder Beschwerden vorbringen will, der Aufenthalt grds. gestattet (Fischer a.a.O. Rdn. 38). Das jedem Bürger zustehende Recht, zur Erledigung seiner behördlichen Angelegenheiten mit den Bediensteten einer Behörde zu verhandeln, schließt die freie Entscheidung der Behörde über das Verweilen aus. Die Aufforderung, sich zu entfernen, macht das weitere Verweilen aber unbefugt, wenn der Bürger sein Betretungsrecht missbraucht, indem er den ordnungsgemäßen Gang der Dienstgeschäfte durch sein Verhalten (nachhaltig) stört oder unmöglich macht (Krüger in: LK-StGB, a.a.O., Rdn. 85).

Der Angeklagte befand sich ausweislich der getroffenen Feststellungen zunächst zum Vorbringen eines Anliegens im Büro des Zeugen A, nachdem ihm zuvor seitens des Kreises C ein Anhörungsbogen zur beabsichtigten Wegnahme und Veräußerung seiner Pferde zugeleitet worden war und er sich deswegen zu dem zuständigen Fachabteilungsleiter A begeben hatte. Sich persönlich an die Behörde zu wenden (anstatt den Anhörungsbogen auszufüllen), stellt keine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes dar, auch wenn das Verhalten womöglich für die Behördenmitarbeiter unerwünscht war.

Durch die zwischenzeitlich von dem Angeklagten begangene versuchte Nötigung war der Aufenthalt (jedenfalls) zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Verlassen nicht etwa deswegen unbefugt geworden, weil nunmehr ein Wechsel des Aufenthaltsziels (weg von dem Sichverschaffen rechtlichen Gehörs hin zur Begehung von Straftaten) eingetreten war. Die Begehung der Straftat störte zwar den Dienstbetrieb, weil in diesem Moment eine sachliche Behandlung der Angelegenheit zunächst nicht mehr erfolgte. Die Störung war aber nicht nachhaltig. Die Strafkammer hat festgestellt, dass trotz der versuchten Nötigung der Zeuge A sowie zwei weitere Mitarbeiter versuchten, sachlich auf den Angeklagten einzuwirken, der mit ihnen über die angedrohte Bestandsauflösung diskutieren wollte. Damit wurde die Bearbeitung des Anliegens des Angeklagten einvernehmlich fortgesetzt und sein Aufenthalt in dem Dienstraum war weiterhin „befugt“.

Allerdings lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass das Gespräch zwischen dem Angeklagten und den Behördenmitarbeitern bereits 40 min andauerte und es redundant verlief. Der Angeklagte hatte sich bereits vorher rechtliches Gehör verschafft und sein Anliegen unterbreitet. Eine immer wieder erneut aufgenommene „Diskussion“ hätte den Dienstbetrieb nachhaltig gestört, weil sie die beteiligten Mitarbeiter an der weiteren Bearbeitung dieser Sache bzw. anderer Aufgaben übergebührlich gehindert hätte. Dementsprechend wurde dem Angeklagten durch die Aufforderung des Zeugen A zum Verlassen des Büros die Verweilensbefugnis entzogen. Auf die Frage, ob dies wegen einer etwaigen Verwaltungsakzessorietät bereits deswegen gilt, weil in der Aufforderung ein nach § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO sofort vollziehbarer Verwaltungsakt zu sehen ist, kommt es daher nicht an….“

Die Bewertungsplattform im Internet – hat deren Mitarbeiter ein Zeugnisverweigerungsrecht?

© strixcode – Fotolia.de

Eine für die Praxis sicherlich immer bedeutsamer werdende Frage hat der  LG Duisburg, Beschl. v. 06.11.2012 32 Qs 49/12 – zum Gegenstand. Nämlich die Frage, ob dem Mitarbeiter einer Internetbewertungsplattform kein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich des Urhebers einer Bewertung auf der Plattform zusteht. Es ging um den Mitarbeiter eines Internetdienstes, welcher Nutzern die Möglichkeit eröffnet, Kliniken zu bewerten. Aufgabe des Mitarbeiters war es, Bewertungsbeiträge stichprobenartig und anlassbezogen auf die Einhaltung der vom Internetdienst aufgestellten Bewertungsregeln zu prüfen. In einem wegen übler Nachrede geführten Ermittlungsverfahren gegen einen Nutzer des Internetdienstes hat sich der Mitarbeiter geweigert, nähere Angaben zum Urheber der Bewertung zu machen, welche Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens geboten hatte. Das AG setzte daraufhin gegen den Mitarbeiter ein Ordnungsgeld fest. Dagegen hat der sich mit der Beschwerde gewandt, mit der beim LG Duisburg keinen Erfolg hatte. Dieses hat ein Zeugnisverweigerungsrecht verneint.

Insbesondere steht ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zu.

Hiernach sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. § 53 Abs. 1 Satz 2 StPO ordnet dazu weiter an, dass sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht auf die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie auf Mitteilungen, welche der Zeuge im Hinblick auf seine Tätigkeit erhalten hat, und auf den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und auf berufsbezogene Wahrnehmungen. § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO stellt dabei klar, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nur gilt, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

Zwar wirkt der Zeuge berufsmäßig bei einem der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informationsdienst mit. Zwar geht es um die Person des Verfassers eines Beitrages. Es handelt sich indes nicht um einen Beitrag zum redaktionellen Teil des Informationsdienstes, weshalb ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO ausgeschlossen ist.

Die vom Beschwerdeführer herangezogene Parallele zu Leserbriefen verfängt nicht. Es ist allgemein anerkannt, dass Leserbriefe zum redaktionellen Teil einer Zeitung gehören (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 53 Rdnr. 40; KG, Beschluss vom 17.03.1983 – ER 9/83, NJW 1984, 1133; LG Oldenburg, Beschluss vom 22.09.2010 – 3 Qs 263/10, NStZ 2011, 655) und ihre Verfasser nicht namhaft gemacht werden müssen. Denn auch die in solchen Leserbriefen dargestellten Meinungen und Tatsachen tragen zur Funktion der Presse bei, die öffentliche Gewalt zu kontrollieren und an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.11.1973 – 2 BvL 42/71BVerfGE 36, 193, 204). Hintergrund hierfür ist jedoch, dass Leserbriefe immer nur nach redaktioneller Prüfung veröffentlicht werden. Entscheidend ist, dass eine Informationsverarbeitung durch den jeweiligen Pressedienst erfolgt und sich die Tätigkeit bis zur Veröffentlichung nicht in der bloßen Einstellung eines fremden Textes erschöpft (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar, 6. Auflage 2008, § 53 Rdnr. 34). So liegt der Fall aber hier.