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Wie lange muss ich auf Zahlung einer Behörde warten?, oder: Nach 4 Wochen ist Schluss

Und dann noch Gebührenrecht oder von dem, was damit zusammenhängt.

Zunächst hier der

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– zur  Zahlungs- oder Wartefrist des Vollstreckungsgläubigers. Ja? Genau, und zwar mit folgendem Sachverhalt:

Nach Beendigung eines Verwaltungsverfahrens sind die vom VG zugunsten des Klägers gegen die Behörde festgesetzten Kosten zunächst nicht gezahlt worden. Der Kläger hat daraufhin die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Das Vollstreckungsverfahren ist dann durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden. Das VG hat das Verfahren eingestellt. und die Kosten des Verfahrens der Behörde als Vollstreckungsschuldner auferlegt:

„Nachdem die Beteiligten übereinstimmend das Vollstreckungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen; zugleich entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten.

Das Vollstreckungsverfahren nach § 170 VwGO ist im Beschlussverfahren nach der VwGO durchzuführen und kann deshalb durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet werden. Daraus folgt, dass für die Einstellung und Kostenentscheidung die Regelungen der §§ 92 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO heranzuziehen sind (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 170 Rn. 2; VG Hannover, Beschluss vom 29. Januar 2004 – 6 D 85/04 -, BeckRS 2004, 21724).

Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten des Vollstreckungsverfahrens dem Vollstreckungsschuldner aufzuerlegen, da er die Ursache für das Vollstreckungsverfahren gesetzt hat. Der Vollstreckungsschuldner hat die im Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2022 – 1 K 120/19.KS – festgesetzte Summe nicht fristgemäß an die Bevollmächtigte des Klägers gezahlt oder hilfsweise, wie in der Grundentscheidung des Urteils als zulässig festgestellt, sich durch Hinterlegung der Kostenschuld von der Zahlungspflicht befreit.

Dem Vollstreckungsschuldner muss Gelegenheit gegeben werden, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung innerhalb einer angemessenen Frist abzuwenden, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 1991 – 1 BvR 440/83 -, juris). Die Fristdauer bezogen auf die Zahlungspflicht ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht geregelt. Der Gläubiger muss über die für Kostenfestsetzungsbeschlüsse geltende Wartefrist von zwei Wochen nach § 173 VwGO i.V.m. § 798 ZPO hinaus aber die weiteren Besonderheiten berücksichtigen. Da es sich bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften um solvente Schuldner handelt, bei denen die Begleichung von Schulden aber mitunter haushaltstechnisch schwierig sein kann, muss der Vollstreckungsgläubiger eine weitere angemessene Zeit nach Zustellung des Titels zuwarten. § 882a ZPO, wonach zur Zwangsvollstreckung gegen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Mahnfrist von vier Wochen einzuhalten ist, findet im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zwar keine unmittelbare Anwendung (vgl. MüKoZPO/Dörndorfer, 6. Aufl. 2020, ZPO § 882a Rn. 20). In analoger Anwendung von § 882a ZPO beträgt die bei Behörden angemessene Zahlungsfrist für die Begleichung von Rechtsanwaltskosten aber – ohne das Hinzutreten weiterer Besonderheiten – vier Wochen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 2. März 2004 – 13 A 01.2055 -, juris, der von einem Monat ausgeht). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Vollstreckungsschuldner die Erfüllung des Anordnungsanspruchs gegenüber den Vollstreckungsgläubigern zuvor ernsthaft verweigert hätte.

Im vorliegenden Fall ist der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Oktober 2022 den Beteiligten am 3. November 2022 übersandt und dem Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses trotz der Übermittlung in das elektronische Behördenpostfach erst am 10. November 2022 zugestellt worden. Die vom Kläger am 6. Dezember 2022 beantragte Vollstreckung wäre mithin vor Ablauf der vorgenannten Frist von vier Wochen (8. Dezember 2022) erfolgt. Allerdings ist der Bevollmächtigten des Klägers der Kostenfestsetzungsbeschluss bereits am 3. November 2022 zugegangen, so dass sie davon ausgehen durfte, dass auch dem Beklagten der Beschluss am selben Tag oder doch zeitnah zugestellt worden war. Ausgehend vom 3. November 2022 endete die Vier-Wochen-Frist am 1. Dezember 2022, so dass es nicht zu beanstanden ist, dass der Kläger den Antrag auf Vollstreckung am 6. Dezember 2022 bei dem Verwaltungsgericht gestellt hat.

Da der Beklagte auch erst am 12. Dezember 2022 und damit nach Zustellung der Antragsschrift die Hinterlegung beantragt und am 11. Januar 2023 die Hinterlegungssumme beim Amtsgericht eingezahlt hatte, war die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens aufgrund der vorherigen Untätigkeit des Beklagten nicht zu beanstanden. Auch wenn der Vollstreckungsschuldner nunmehr mit Schriftsatz vom 20. April 2023 geltend macht, die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens sei nach seiner Ansicht nicht erforderlich gewesen, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Vollstreckungsgläubiger nur die ihm aufgrund des Tenors des Urteils vom 14. Juli 2021 zustehenden Rechte geltend macht. Das Urteil enthält nicht – wie andere im Gesamtkomplex – den Ausspruch, dass die außergerichtlichen Kosten des Klägers nur gegen Sicherheitsleistung geltend gemacht werden können, sondern gibt dem Beklagten nur die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung (in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages) abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.“

Mit dem Beschluss werden einerseits den Behörden klare Vorgaben gemacht, ab wann sie mit einer Vollstreckung rechnen müssen, und andererseits aber auch den Betroffenen eine gewisse Wartefrist auferlegt. Damit ist m.E. gut abgewogen zwischen den Interessen des Klägers an einem möglichst schnellen Ausgleich seiner Kostenforderung und den Interessen der Behörden, bei denen es erfahrungsgemäß nicht immer so schnell geht, wie man es sich wünscht. Das hat sicherlich ggf. auch mit „haushaltstechnischen Schwierigkeiten“ zu tun. Man muss sich als „Gewinner“ also bei Behörden etwas mehr gedulden als die in § 798 ZPO vorgesehene Wartefrist nach Zustellung dauert. Nach vier Wochen ist dann aber Schluss.

Wird man sicherlich auch auf den Ausgleichvon (noch nicht titulierten) Kosten-/Auflagenforderungen erstrecken/anwenden können.

Aktive Nutzungspflicht gilt auch für „die Bayern“, oder: Sofortige Beschwerde als elektronisches Dokument

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Und dann als zweite Entscheidung der OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2022 – 2 WF 148/22 – zur Frage der aktiven Nutzungspflicht gem. § 130d StPO für die Staatskasse.

Mit Beschluss vom 17.05.2022 hat das AG Aschaffenburg der Antragsgegnerin für ihr Ehescheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung einer Zahlungsverpflichtung bewilligt und ihr die Rechtsanwaltskanzlei pp. als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Der Beschluss ist am 18.05.2022 auf die Geschäftsstelle gelangt.

Hiergegen hat die Bezirksrevisorin bei dem LG Aschaffenburg mit Schriftsatz vom 30.05.2022 Beschwerde nach § 127 Abs. 3 ZPO eingelegt mit dem Ziel, einen Einmalbetrag in Höhe der auf die Partei entfallenden Verfahrenskosten anzuordnen, welchen die Antragsgegnerin aus der Verwertung ihres hälftigen Miteigentumsanteils am früheren Wohnhaus der Familie, dem Anwesen pp.-Straße in K., aufbringen solle. Die Beschwerdeschrift ist in Papierform zur Akte gelangt, indem die Bezirksrevisorin nach Einsichtnahme in das Verfahrenskostenhilfeheft dieses samt Beschwerdeschrift vom 30.05.2022 an das Amtsgericht zurückgeleitet hat.

Das AG hat nach Anhörung der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 12.08.2022 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, wo es am 24.08.2022 eingegangen ist. Das OLG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und keine Wiedereinsetzung gewährt:

„Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist als unzulässig zu verwerfen, da innerhalb der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde keine formgerechte Beschwerde eingegangen ist, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 3, 569 Abs. 2, 130d S. 1 ZPO. Der Staatskasse kann auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist eingeräumt werden, da die gesonderte Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde durch die Staatskasse aus § 127 Abs. 3 S. 4 und 5 ZPO von drei Monaten ab Übermittlung des angegriffenen Beschlusses an die Geschäftsstelle am 18.08.2022 abgelaufen ist und eine Wiedereinsetzung insoweit ausscheidet.

1. Auf die Frage, ob die Bezirksrevisorin als Behörde i.S.d. § 130d ZPO anzusehen ist, kommt es ebenso wenig an, wie auf ihre An- oder Eingliederung in die Justiz und ihre Dienststellung. Denn Beschwerdeführer ist der Freistaat Bayern, der von der Bezirksrevisorin vertreten wird. Maßgeblich ist daher auf den Freistaat Bayern abzustellen und nicht auf die Bezirksrevisorin.

Der Freistaat Bayern ist gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 3 ZPO als „Staatskasse“ beschwerdeberechtigt, wenn Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, ohne dass Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Dabei wird er nach § 5 Abs. 1 Nummer 7 lit. e der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern vom 26.10.2021 (Vertretungsverordnung – VertV) und Abschnitt A. 3. der Gemeinsamen Bekanntmachung zum Vollzug der Vertretungsverordnung (VollzBekVertV) durch den Bezirksrevisor vertreten. Der Bezirksrevisor ist insoweit innerorganisatorisch dem Freistaat Bayern zugeordnet und tritt als für diesen Handelnder auf.

Für den Freistaat Bayern als juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt § 130d ZPO. Danach unterliegen u.a. juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden seit 01.01.2022 für schriftlich einzureichende Erklärungen der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Der dort geregelte aktive Nutzungszwang gilt also auch für schriftliche Verfahrenshandlungen der „Staatskasse“ wie die vorliegende sofortige Beschwerde.

Die Bezirksrevisorin als deren Vertreterin (Vertreterin des Freistaates Bayern) hätte die sofortige Beschwerde deshalb als elektronisches Dokument übermitteln müssen (vgl.- insofern zu § 4 JVEG – Landgericht Lübeck, Beschluss vom 28.09.2022, 7 T 341/22 – juris und die Entscheidung des Senats vom 04.11.2022, 2 WF 167/22). Verfahrenshandlungen, die unter Verstoß gegen den aktiven Nutzungszwang nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden, sind unwirksam und führen bei einer Rechtsmittelschrift zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

2. Der Staatskasse kann auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist gewährt werden. Es kann dahinstehen, ob sich die Unkenntnis über die zwingende Einreichung einer sofortigen Beschwerde nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 3 S. 3, 569 Abs. 2, 130d ZPO ab dem 01.01.2022 mangels bislang ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung hierzu als unverschuldet darstellt. Denn mittlerweile ist die Ausschlussfrist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde nach § 127 Abs. 3 S. 4 und 5 ZPO von drei Monaten ab Übermittlung des angegriffenen Beschlusses an die Geschäftsstelle abgelaufen. Der Beschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17.05.2022, mit welchem der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, ist nicht verkündet worden, sondern am 18.05.2022 auf die Geschäftsstelle gelangt. Die Ausschlussfrist des § 127 Abs. 3 S. 5 ZPO ist damit am 18.08.2022 abgelaufen. Erst am 24.08.2022 ist das Verfahren beim Oberlandesgericht eingegangen, so dass eine formgerechte Rechtsmitteleinlegung im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden konnte.

In die abgelaufene Ausschlussfrist des § 127 Abs. 3 S. 4 und 5 ZPO kann hingegen keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Zum einen steht der Zweck der Ausschlussfrist, die Bestandsschutz in die getroffene gerichtliche Bewilligungsentscheidung schaffen soll (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, 16.09.2016, OVG 5 M 36.15, Juris), einer Wiedereinsetzung entgegen. Zudem ist eine Wiedereinsetzung auf die ausdrücklich in § 233 ZPO bezeichneten Fristen beschränkt und die Frist aus § 127 Abs. 3 S. 4 und 5 ZPO ist dort nicht aufgenommen worden.

Die sofortige Beschwerde der Staatskasse ist damit als unzulässig zu verwerfen. Ausführungen zur Frage der Begründetheit des Rechtsmittels sind daher nicht veranlasst.“

Durchsuchung I: Durchsuchung im Finanzministerium, oder: Herausgabeverlangen wäre vorrangig gewesen

ale frei verwendbares Bild der Homeppage des BMF entnommen.

Und dann auf in die 50. Woche. Man merkt an der Zahl: Das Jahr neigt sich dem Ende zu.

Ich beginne diese Woche mit – noch einmal – Durchsuchungsentscheidungen, und zwar zunächst mit dem  LG Osnabrück, Beschl. v. 10.11.2022 – 1 Qs 24/22  u. 1 Qs 48/22. Ja, das ist eine der Entscheidungen, mit denen das LG Osnabrück die Durchsuchungsanordnung betreffend die Räumlichkeiten des Bundesministeriums der Finanzen kurz vor der Bundestagswahl 2021 für rechtswidrig erklärt hat. Diese Geschichte hat „damals“ viel Staub aufgewirbelt. Das LG arbeitet sie jetzt auf.

Es geht um zwei Durchsuchungsbeschlüsse, und zwar einmal die Durchsuchungsanordnung des AG Osnabrück vom 10.08. 2021 betreffend das Bundesministerium der Finanzen in Berlin für Diensträume sowie Papierarchive und elektronische Archive, die beim Bundesministerium der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit; FIU) zugeordnet sind und einen weiteren Durchsuchungsbeschluss des AG Osnabrück vom 25.08.2021 betreffend das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz . Den letzten Beschluss hatte das LG Osnabrück bereits mit Beschluss vom 09.022022 aufgehoben (12 Qs 32/21).

Hier geht es dann jetzt noch um den Beschluss vom 10.08.2021. Den hat das LG ebenfalls aufgehoben und das umfassen begründet. Wegen der Länge der Begründung beziehe ich mich hier (nur) auf die Pressemitteilung 41/22 des LG Osnabrück vom 10.11.2022. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext.

In der PM heißt es:

„Die Staatsanwaltschaft Osnabrück führt seit dem 23. Februar 2020 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Mitarbeitern der nunmehr als Direktion X in die Generalzolldirektion integrierten FIU wird vorgeworfen, übermittelte Geldwäscheverdachtsmeldungen verschiedener Bankinstitute nicht, verzögert oder nicht vollständig den Strafverfolgungsbehörden bekannt gemacht zu haben. Aufgrund eines früheren Durchsuchungsbeschlusses fand bereits im Jahr 2020 eine Durchsuchung der Diensträume der FIU statt. Nach der Beschlagnahme und Sicherstellung mehrerer Aktenordner wurden im Nachgang weitere Unterlagen der ermittelnden Polizeidienststelle übersandt. Ferner wurden EMailpostfächer von vier Führungskräften der FIU gesichert und unveränderlich gespeichert.

Unter dem 6. August 2021 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Osnabrück die Durchsuchung der der FIU zuzuordnenden Diensträume nebst Papierarchiven sowie elektronischen Archiven sowohl in den Räumlichkeiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz als auch des Bundesministeriums der Finanzen. Im Laufe der Maßnahme beim Bundesfinanzministerium erwirkte die Staatsanwaltschaft zudem noch fernmündlich eine Beschlagnahmeanordnung betreffend einzelner E-Mailpostfächer von Mitarbeitern der Arbeitsebene des Bundesfinanzministeriums.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 hat das Bundesministerium der Finanzen Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung vom 10. August 2021 sowie gegen die fernmündlich getroffene Beschlagnahmeanordnung erhoben. Das Amtsgericht Osnabrück hat den Beschwerden nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landgericht Osnabrück zur Entscheidung vorgelegt.

Die 1. Große Strafkammer erachtet den Durchsuchungsbeschluss betreffend das Bundesministerium der Finanzen unter mehreren Gesichtspunkten für rechtswidrig.

Der Gang des Verfahrens und der angefochtene Beschluss ließen nicht hinreichend erkennen, dass dem Richtervorbehalt genüge getan worden sei. So sei maßgeblicher Grund für die Beantragung des Durchsuchungsbeschlusses ein Schreiben vom 15. Mai 2020 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an das Bundesministerium der Finanzen gewesen. Dieses Schreiben sei aber nicht nur bereits Gegenstand der Akte gewesen, sondern auch in polizeilichen Ermittlungsberichten erwähnt. Ferner sei im Antrag der Staatsanwaltschaft lediglich auf eine erste Auswertung gesicherter E-Mailkorrespondenz zwischen den Bundesministerien der Finanzen sowie der Justiz und für Verbraucherschutz und der FIU verwiesen worden. Insoweit hätten die Ermittlungsergebnisse dem Ermittlungsrichter konkreter benannt werden müssen.

Ferner seien bei einer Durchsuchung gemäß § 103 StPO die Unterlagen, die als Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden sollen, hinreichend konkret zu benennen. Auch dieser Anforderung werde der Beschluss nicht gerecht. Zwar lasse die Anordnung eine detaillierte Aufzählung verschiedenster Beweismittel der Gattung nach erkennen, ermögliche jedoch zugleich faktisch die Suche nach jeglichem Gegenstand, der überhaupt im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen bei der FIU stehe beziehungsweise noch darüber hinausgehend generell allen E-Mail-Accounts, dienstlichen Mobiltelefonen und Datenspeichern. Die zu unbestimmten Formulierungen des Beschlusses seien von der Regelung des § 103 StPO nicht gedeckt.

Schließlich sei vor der Anordnung der Durchsuchung ein an das Ministerium gerichtetes Herausgabeverlangen durch die Ermittlungsbehörden erforderlich gewesen. Hierauf hat schon die 12. Große Strafkammer – bezogen auf die Durchsuchungsmaßnahme im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – hingewiesen (vgl. PM 5/22). Ein solches Herausgabeverlangen sei auch bezüglich des Bundesfinanzministeriums nicht entbehrlich gewesen, da im Ergebnis kein Grund zur Annahme bestanden habe, dieses werde einem entsprechenden Gesuch nicht nachkommen. Hieran ändere auch die vom Bundesministerium der Finanzen über die FIU ausgeübte Rechtsaufsicht nichts.

Hinsichtlich der gegen die mündlich erlassene Beschlagnahmeanordnung bezüglich einzelner dienstlicher E-Mail-Accounts von Mitarbeitern der Arbeitsebene im Bundesministerium der Finanzen gerichteten Beschwerde hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts in ihrem Beschluss das Verfahren an den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Osnabrück zurückgegeben, da nach Auffassung der Kammer mit jener Anordnung noch keine wirksame Beschlagnahme vorliege. Sie lasse bislang nicht in ausreichendem Maße erkennen, weshalb und inwieweit sämtliche – beziehungsweise welche – Inhalte der E-Mailpostfächer als Beweismittel von Bedeutung seien.“

Wer ist Inhaber des Hausrechts bei einer Behörde?, oder: Aufforderung zum Verlassen durch Mitarbeiter

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Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 30.12.2021 – 4 RVs 130/21. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen Nötigung (§ 240 StGB) und Hausfriedensbruch (§ 123 StGB). Das OLG nimmt zur Frage des Hausrecht bei einer Behörde Stellung:

„1. Zutreffend stellt die Strafkammer fest, dass der Zeuge A als Beamter im Fachbereich „Tiere und Lebensmittel“ des Kreises C berechtigt i.S.v. § 123 Abs. 1 StGB war, den Angeklagten seines Büros zu verweisen. Berechtigt zur Aufforderung des Verlassens ist der Inhaber des Hausrechts und die von ihm Ermächtigten, wobei – in Abwesenheit des Hausrechtsinhabers – auch diejenigen als ermächtigt anzusehen sind, die am Schutz des Hausrechts teilnehmen und von denen der Hausrechtsinhaber ein Einschreiten erwarten kann (Schönke/Schöder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 123 Rdn. 29; vgl. auch Krüger in: LK-StGB, 13. Aufl., § 123 Rdn. 76; Feilcke in: MK-StGB, 4. Aufl., § 123 Rdn. 34). Dementsprechend können auch Behördenbedienstete störende Besucher aus ihrem Arbeitsraum verweisen (Schönke/Schöder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 123 Rdn. 29). Auch wenn unklar bleibt, ob sich die Strafkammer eine Überzeugung davon verschafft hat, dass – wie zwei Zeugen es bekundet haben – die Geschäfts- und Büroordnung des Kreises C das Hausrecht für die Büroräume auf die jeweiligen (dort dienstansässigen) Mitarbeiter delegiert, so ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugen jedenfalls nichts Gegenteiliges, so dass zumindest der am Schutz des Hausrechtes teilnehmende Zeuge A grundsätzlich berechtigt war, den Angeklagten aus seinem Büro zu verweisen.

Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist auch noch hinreichend erkennbar, dass der Angeklagte nach der Aufforderung zum Verlassen „ohne Befugnis“ in dem Büro des Zeugen A verweilte. Bzgl. der Unbefugtheit des Verweilens ist der Fall, dass der Täter schon vor der Aufforderung unbefugt verweilte, von dem Fall, dass der Aufenthalt erst durch die Aufforderung unbefugt wird, zu unterscheiden (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 123 Rdn. 37). Vor der Aufforderung zum Verlassen des Büros verweilte der Angeklagte – wie die Strafkammer zutreffend ausführt – befugt in dem Büro. In dem Publikumsverkehr geöffneten Behörden ist dem Bürger, der Auskunft suchen, Anträge stellen oder Beschwerden vorbringen will, der Aufenthalt grds. gestattet (Fischer a.a.O. Rdn. 38). Das jedem Bürger zustehende Recht, zur Erledigung seiner behördlichen Angelegenheiten mit den Bediensteten einer Behörde zu verhandeln, schließt die freie Entscheidung der Behörde über das Verweilen aus. Die Aufforderung, sich zu entfernen, macht das weitere Verweilen aber unbefugt, wenn der Bürger sein Betretungsrecht missbraucht, indem er den ordnungsgemäßen Gang der Dienstgeschäfte durch sein Verhalten (nachhaltig) stört oder unmöglich macht (Krüger in: LK-StGB, a.a.O., Rdn. 85).

Der Angeklagte befand sich ausweislich der getroffenen Feststellungen zunächst zum Vorbringen eines Anliegens im Büro des Zeugen A, nachdem ihm zuvor seitens des Kreises C ein Anhörungsbogen zur beabsichtigten Wegnahme und Veräußerung seiner Pferde zugeleitet worden war und er sich deswegen zu dem zuständigen Fachabteilungsleiter A begeben hatte. Sich persönlich an die Behörde zu wenden (anstatt den Anhörungsbogen auszufüllen), stellt keine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes dar, auch wenn das Verhalten womöglich für die Behördenmitarbeiter unerwünscht war.

Durch die zwischenzeitlich von dem Angeklagten begangene versuchte Nötigung war der Aufenthalt (jedenfalls) zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Verlassen nicht etwa deswegen unbefugt geworden, weil nunmehr ein Wechsel des Aufenthaltsziels (weg von dem Sichverschaffen rechtlichen Gehörs hin zur Begehung von Straftaten) eingetreten war. Die Begehung der Straftat störte zwar den Dienstbetrieb, weil in diesem Moment eine sachliche Behandlung der Angelegenheit zunächst nicht mehr erfolgte. Die Störung war aber nicht nachhaltig. Die Strafkammer hat festgestellt, dass trotz der versuchten Nötigung der Zeuge A sowie zwei weitere Mitarbeiter versuchten, sachlich auf den Angeklagten einzuwirken, der mit ihnen über die angedrohte Bestandsauflösung diskutieren wollte. Damit wurde die Bearbeitung des Anliegens des Angeklagten einvernehmlich fortgesetzt und sein Aufenthalt in dem Dienstraum war weiterhin „befugt“.

Allerdings lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen, dass das Gespräch zwischen dem Angeklagten und den Behördenmitarbeitern bereits 40 min andauerte und es redundant verlief. Der Angeklagte hatte sich bereits vorher rechtliches Gehör verschafft und sein Anliegen unterbreitet. Eine immer wieder erneut aufgenommene „Diskussion“ hätte den Dienstbetrieb nachhaltig gestört, weil sie die beteiligten Mitarbeiter an der weiteren Bearbeitung dieser Sache bzw. anderer Aufgaben übergebührlich gehindert hätte. Dementsprechend wurde dem Angeklagten durch die Aufforderung des Zeugen A zum Verlassen des Büros die Verweilensbefugnis entzogen. Auf die Frage, ob dies wegen einer etwaigen Verwaltungsakzessorietät bereits deswegen gilt, weil in der Aufforderung ein nach § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO sofort vollziehbarer Verwaltungsakt zu sehen ist, kommt es daher nicht an….“