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Durchsuchung I: Durchsuchung im Finanzministerium, oder: Herausgabeverlangen wäre vorrangig gewesen

ale frei verwendbares Bild der Homeppage des BMF entnommen.

Und dann auf in die 50. Woche. Man merkt an der Zahl: Das Jahr neigt sich dem Ende zu.

Ich beginne diese Woche mit – noch einmal – Durchsuchungsentscheidungen, und zwar zunächst mit dem  LG Osnabrück, Beschl. v. 10.11.2022 – 1 Qs 24/22  u. 1 Qs 48/22. Ja, das ist eine der Entscheidungen, mit denen das LG Osnabrück die Durchsuchungsanordnung betreffend die Räumlichkeiten des Bundesministeriums der Finanzen kurz vor der Bundestagswahl 2021 für rechtswidrig erklärt hat. Diese Geschichte hat „damals“ viel Staub aufgewirbelt. Das LG arbeitet sie jetzt auf.

Es geht um zwei Durchsuchungsbeschlüsse, und zwar einmal die Durchsuchungsanordnung des AG Osnabrück vom 10.08. 2021 betreffend das Bundesministerium der Finanzen in Berlin für Diensträume sowie Papierarchive und elektronische Archive, die beim Bundesministerium der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit; FIU) zugeordnet sind und einen weiteren Durchsuchungsbeschluss des AG Osnabrück vom 25.08.2021 betreffend das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz . Den letzten Beschluss hatte das LG Osnabrück bereits mit Beschluss vom 09.022022 aufgehoben (12 Qs 32/21).

Hier geht es dann jetzt noch um den Beschluss vom 10.08.2021. Den hat das LG ebenfalls aufgehoben und das umfassen begründet. Wegen der Länge der Begründung beziehe ich mich hier (nur) auf die Pressemitteilung 41/22 des LG Osnabrück vom 10.11.2022. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext.

In der PM heißt es:

„Die Staatsanwaltschaft Osnabrück führt seit dem 23. Februar 2020 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Mitarbeitern der nunmehr als Direktion X in die Generalzolldirektion integrierten FIU wird vorgeworfen, übermittelte Geldwäscheverdachtsmeldungen verschiedener Bankinstitute nicht, verzögert oder nicht vollständig den Strafverfolgungsbehörden bekannt gemacht zu haben. Aufgrund eines früheren Durchsuchungsbeschlusses fand bereits im Jahr 2020 eine Durchsuchung der Diensträume der FIU statt. Nach der Beschlagnahme und Sicherstellung mehrerer Aktenordner wurden im Nachgang weitere Unterlagen der ermittelnden Polizeidienststelle übersandt. Ferner wurden EMailpostfächer von vier Führungskräften der FIU gesichert und unveränderlich gespeichert.

Unter dem 6. August 2021 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Osnabrück die Durchsuchung der der FIU zuzuordnenden Diensträume nebst Papierarchiven sowie elektronischen Archiven sowohl in den Räumlichkeiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz als auch des Bundesministeriums der Finanzen. Im Laufe der Maßnahme beim Bundesfinanzministerium erwirkte die Staatsanwaltschaft zudem noch fernmündlich eine Beschlagnahmeanordnung betreffend einzelner E-Mailpostfächer von Mitarbeitern der Arbeitsebene des Bundesfinanzministeriums.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2022 hat das Bundesministerium der Finanzen Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung vom 10. August 2021 sowie gegen die fernmündlich getroffene Beschlagnahmeanordnung erhoben. Das Amtsgericht Osnabrück hat den Beschwerden nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landgericht Osnabrück zur Entscheidung vorgelegt.

Die 1. Große Strafkammer erachtet den Durchsuchungsbeschluss betreffend das Bundesministerium der Finanzen unter mehreren Gesichtspunkten für rechtswidrig.

Der Gang des Verfahrens und der angefochtene Beschluss ließen nicht hinreichend erkennen, dass dem Richtervorbehalt genüge getan worden sei. So sei maßgeblicher Grund für die Beantragung des Durchsuchungsbeschlusses ein Schreiben vom 15. Mai 2020 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an das Bundesministerium der Finanzen gewesen. Dieses Schreiben sei aber nicht nur bereits Gegenstand der Akte gewesen, sondern auch in polizeilichen Ermittlungsberichten erwähnt. Ferner sei im Antrag der Staatsanwaltschaft lediglich auf eine erste Auswertung gesicherter E-Mailkorrespondenz zwischen den Bundesministerien der Finanzen sowie der Justiz und für Verbraucherschutz und der FIU verwiesen worden. Insoweit hätten die Ermittlungsergebnisse dem Ermittlungsrichter konkreter benannt werden müssen.

Ferner seien bei einer Durchsuchung gemäß § 103 StPO die Unterlagen, die als Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden sollen, hinreichend konkret zu benennen. Auch dieser Anforderung werde der Beschluss nicht gerecht. Zwar lasse die Anordnung eine detaillierte Aufzählung verschiedenster Beweismittel der Gattung nach erkennen, ermögliche jedoch zugleich faktisch die Suche nach jeglichem Gegenstand, der überhaupt im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen bei der FIU stehe beziehungsweise noch darüber hinausgehend generell allen E-Mail-Accounts, dienstlichen Mobiltelefonen und Datenspeichern. Die zu unbestimmten Formulierungen des Beschlusses seien von der Regelung des § 103 StPO nicht gedeckt.

Schließlich sei vor der Anordnung der Durchsuchung ein an das Ministerium gerichtetes Herausgabeverlangen durch die Ermittlungsbehörden erforderlich gewesen. Hierauf hat schon die 12. Große Strafkammer – bezogen auf die Durchsuchungsmaßnahme im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – hingewiesen (vgl. PM 5/22). Ein solches Herausgabeverlangen sei auch bezüglich des Bundesfinanzministeriums nicht entbehrlich gewesen, da im Ergebnis kein Grund zur Annahme bestanden habe, dieses werde einem entsprechenden Gesuch nicht nachkommen. Hieran ändere auch die vom Bundesministerium der Finanzen über die FIU ausgeübte Rechtsaufsicht nichts.

Hinsichtlich der gegen die mündlich erlassene Beschlagnahmeanordnung bezüglich einzelner dienstlicher E-Mail-Accounts von Mitarbeitern der Arbeitsebene im Bundesministerium der Finanzen gerichteten Beschwerde hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts in ihrem Beschluss das Verfahren an den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Osnabrück zurückgegeben, da nach Auffassung der Kammer mit jener Anordnung noch keine wirksame Beschlagnahme vorliege. Sie lasse bislang nicht in ausreichendem Maße erkennen, weshalb und inwieweit sämtliche – beziehungsweise welche – Inhalte der E-Mailpostfächer als Beweismittel von Bedeutung seien.“