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Corona II: Masketragen und Abstand in der HV, oder: Die Sicherungsverfügung des Vorsitzenden

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Und als zweite Entscheidung dann noch einmal eine Sicherungsverfügung für die Hauptverhandlung. Dazu hat das OLG München im OLG München, Beschl. v. 17.05.2022 – 4d Ws 166/22 – Stellung genommen.

Folgender Sachverhalt: Die Vorsitzende der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II hat am 22.06.2021 für eine am 23.08.2021 im Sitzungssaal in der S.straße 10 in M. beginnende Hauptverhandlung eine Sicherungsverfügung erlassen, in der unter Ziffer III. besondere Regelungen zur Vermeidung von Infektionen mit dem Erreger SARS-CoV-2 enthalten sind.

Unter Ziffer III.1. wird ausgeführt, dass nach dem aktuellen Hygieneplan (Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin M. vom 31.08.2020 bzw. 02.03.2021) im Zuschauerbereich des Sitzungssaals insgesamt 23 Sitzplätze für die Saalöffentlichkeit zur Verfügung stünden, von denen 11 Sitzplätze für Journalisten reserviert seien. Weiter enthält die Verfügung den Hinweis, dass ausschließlich die als solche gekennzeichneten Sitzplätze benutzt werden dürften. Die dazwischenliegenden Plätze hätten zur Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 m frei zu bleiben; ihre Benutzung sei untersagt.

In Ziffer III.2. wird im Zuhörerbereich des Sitzungssaals wie auch im Sicherheitsbereich um den Sitzungssaal für das Sicherheitspersonal sowie für alle Zuhörer und Pressevertreter das stetige Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes (Maske der Schutzklasse FFP 2/KN 95 ohne Ausatemventil oder vergleichbar) vor Beginn, während und nach Ende der Sitzung angeordnet.

Ziffer II.3. regelt für alle Verfahrensbeteiligten (Gericht, Protokollführer, Staatsanwaltschaft, Nebenkläger, Nebenklägervertreter, Sachverständige, Verteidiger und Angeklagte) das Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes, und zwar entweder das Tragen einer OP-Maske oder einer Maske der Schutzklasse FFP 2/KN 95 ohne Ausatemventil, im Sitzungssaal. Ausgenommen von dieser Pflicht sind diejenigen Verfahrensbeteiligten, denen während der Hauptverhandlung das Wort zu mündlichen Ausführungen erteilt ist.

Weiter behält sich die Vorsitzende vor, im Einzelfall unter bestimmten näher dargelegten Umständen die Maskentragungspflicht für einzelne Verfahrensabschnitte und/oder einzelne Verfahrensbeteiligte aufzuheben. Zudem wird geregelt, dass Zeugen und Sachverständige ihre Zeugenaussage/Gutachtenserstattung ohne Mund-Nasen-Bedeckung abzugeben hätten.

Mit Verfügung vom 03.05.2022 hat die Vorsitzende der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II die Verpflichtung zur stetigen Maskentragungspflicht für das Sicherungspersonal, die Zuhörer und Pressevertreter in Ziffer III.2. der Sicherungsverfügung vom 22.06.2021 dahingehend modifiziert, dass nunmehr auch für sie und damit nunmehr für alle im Sitzungssaal anwesenden Personen das Tragen einer medizinischen Maske im Sinne einer sogenannten OP-Maske ausreichend sei.

Dagegen die Beschwerde des Angeklagten und der Verteidiger, die beim OLG keinen Erfolg hatte.

Das OLG sieht das Rechtsmittel als zulässig, aber unbegründet an:

„Die Anordnung, zum Schutz vor einer COVID-19-Infektion in der Hauptverhandlung eine medizinische Maske zu tragen, ist vorliegend von der Ermächtigung der Vorsitzenden zur Ausübung der Sitzungspolizei gemäß § 176 Abs. 1 GVG gedeckt und beruht auch auf einer fehlerfreien Ausübung des Ermessens der Vorsitzenden. Die Regelung des § 176 Abs. 1 GVG ermächtigt zu allen Maßnahmen, die für den ungestörten und gesetzesmäßigen Ablauf der Sitzung nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich sind (KK-Diemer, StPO, § 176 GVG Rdn.1).

Dazu zählen auch Maßnahmen zum Schutz der Verfahrensbeteiligten, sodass sich die Ermächtigung auch auf Maßnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung mit dem Coronavirus bezieht (OLG Celle, aaO; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.09.2020 – 1 BvR 1948/20 -, juris).

Der Vorsitzenden kommt dabei ein weiter Ermessensspielraum zu, wobei sich das Ermessen darauf bezieht, ob überhaupt eingeschritten wird und in welcher Weise auf eine drohende Störung unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter bei Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu reagieren ist (OLG Celle aaO).

Die dabei ergangene Entscheidung unterliegt im Beschwerdeverfahren nur der Prüfung, ob die Vorsitzende ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt und den Zweck sowie die Grenzen des Ermessens beachtet hat. Verwehrt ist dem Beschwerdegericht die Überprüfung der Zweckmäßigkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen (OLG Celle aaO; OLG Stuttgart aaO).

Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Sicherungsverfügung vom 22.06.2021 und ihre Abänderung in Ziffer III. 2. mit Verfügung vom 03.05.2022 der Nachprüfung stand.

Es begegnet keinen Bedenken, dass die Vorsitzende das Tragen einer medizinischen Maske in der Hauptverhandlung zum Schutz vor einer Coronainfektion für geeignet hält, das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus während der Sitzung zu reduzieren. Dies entspricht der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, wonach das Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung das Infektionsrisiko verringern könne (vergleiche Robert-Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19 vom 05.05.2022). Somit ist die Anordnung geeignet, mögliche Infektionen im Gerichtssaal zu verhindern oder die Wahrscheinlichkeit dafür zu reduzieren.

Es ist auch die Annahme der Vorsitzenden nicht zu beanstanden, dass in geschlossenen Räumen neben der durch die Gerichtsverwaltung bereits festgelegten Mindestabstandsregelung und der Höchstzahlbestimmung anwesender Personen keine Maßnahmen zur Verfügung stehen, die ergänzend zu den Anordnungen der Verwaltung das Ansteckungsrisiko ebenso wirksam wie das Tragen einer Mund- und Nasenbedeckung reduzieren könnten.

Eine Mund- und Nasenbedeckung wird in geschlossenen Räumen einen höheren Schutz vor Infektionen bieten als das bloße Einhalten eines Abstands und das Lüften der Räumlichkeiten bei gleichzeitiger Beschränkung der Anzahl der anwesenden Personen.

Dies entspricht auch den Ausführungen des Robert-Koch-Instituts in seiner Risikobewertung zu COVID-19 vom 05.05.2022, wonach angesichts der weiterhin hohen Zahl von Neuinfektionen die konsequente kumulative Einhaltung von Hygiene, Lüften, Abstandhalten, Kontakteinschränkung und Maskentragung zur Reduktion des Infektionsrisikos erforderlich sind. Die Maßnahmen weisen nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts die höchste Effektivität auf, wenn sie bei einem Zusammentreffen von allen anwesenden Personen eingehalten werden.

Da danach mehrere in Betracht kommende aber noch nicht ausreichende Maßnahmen bereits durch die vorgegebenen Regelungen der Gerichtsverwaltung ausgeschöpft sind, bleibt zur weiteren Reduzierung des Risikos die Anordnung der Mund- und Nasenbedeckung. Die kumulative Anwendung dieser Maßnahmen entspricht den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.

Die Vorsitzende ist im Rahmen ihrer Ermessensausübung rechtsfehlerfrei auch davon ausgegangen, dass die Anordnung der Mund- und Nasenbedeckung verhältnismäßig im engeren Sinne und damit angemessen ist.

Die Anordnung enthält eine geringfügige Belastung für die Beschwerdeführer und die Sitzungsteilnehmer. Das Tragen einer Maske ist grundsätzlich weder gesundheitsgefährdend noch ruft es körperliche Schmerzen oder gleichwertige nichtkörperliche Beeinträchtigungen hervor. Für den Einzelfall sieht die Anordnung Befreiungsmöglichkeiten vor. Dieser eher geringen Belastung der Sitzungsteilnehmer hat die Vorsitzende die Gefahr einer COVID-19-Infektion gegenübergestellt und dabei das Infektionsschutzinteresse für überwiegend gehalten. Dabei hat die Vorsitzende nicht verkannt, dass mittlerweile insgesamt das Infektionsgeschehen rückläufig ist, die bayerische Staatsregierung im öffentlichen Leben insbesondere hinsichtlich der Maskenpflicht die Coronamaßnahmen gelockert hat und die weiteren Hygienemaßnahmen während der Sitzungen ebenfalls einen Schutz bieten. Es begegnet rechtlich jedoch keinen Bedenken, dass die Vorsitzende diesen Umständen bei ihrer Abwägung letztlich weniger Gewicht beigemessen hat als den Risiko erhöhenden, sich nach wie vor in einer hohen Infektionsgefahr manifestierenden Gesichtspunkten.

Diese Umstände rechtfertigen es, die Anordnung der Vorsitzenden als angemessen anzusehen. Die Hauptverhandlung ist das Zusammentreffen einer Vielzahl von Personen in einem geschlossenen Raum mit einem vergleichsweise hohen Infektionsrisiko. Auch der Umstand, dass alle Verfahrensbeteiligten zur Teilnahme an der Hauptverhandlung verpflichtet sind, ohne selbst die Hygienemaßnahmen im Saal wesentlich beeinflussen zu können, spricht für die Schaffung eines hohen Schutzes. Somit war die Vorsitzende berechtigt, unter Ausübung ihres Ermessens, die angefochtene Anordnung gemäß § 176 Abs. 1 GVG zu verfügen.

Der Anordnung steht auch nicht die Regelung in § 176 Abs. 2 GVG entgegen, deren Satz 1 bestimmt, dass an der Verhandlung beteiligte Personen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen dürfen.

Denn § 176 Abs. 2 Satz 2 GVG sieht weiter vor, dass die Vorsitzende Ausnahmen vom Verbot des Verhüllens gestatten kann, wenn und soweit die Kenntlichmachung des Gesichts weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung notwendig ist. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens kann die Vorsitzende daher Ausnahmen von § 176 Abs. 2 Satz 1 GVG bestimmen.

§ 176 Abs. 2 Satz 1 GVG bezweckt keineswegs eine Beschränkung der Befugnisse des Vorsitzenden zur Aufrechterhaltung der Ordnung (BayObLG, Beschluss vom 09.08.2021, BeckRS 2021, 25633). Vielmehr ging es dem Gesetzgeber um eine Entlastung des Vorsitzenden, der nicht mehr verpflichtet sein sollte, ein Verbot der Gesichtsverhüllung im Interesse der Sachaufklärung aussprechen und gegebenenfalls begründen zu müssen (Bay ObLG aaO).

Der sitzungspolizeilichen Anordnung der Vorsitzenden stehen auch nicht die Vorschriften der Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 Satz 3, Art. 15 Satz 3 BayRiStAG i.V.m. Art. 75 BayBG entgegen, die vorsehen, dass Richter, Staatsanwälte und ehrenamtliche Richter bei Ausübung des Dienstes ihr Gesicht nicht verhüllen dürfen, es sei denn dienstliche Gründe erforderten dies. Eine sitzungspolizeiliche Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sitzungssaal, die sich auf vernünftige Gründe des Gemeinwohls stützt, um die Wahrscheinlichkeit einer COVID-19-Infektion zu senken, stellt einen dienstlichen Grund im Sinne dieser Vorschriften zur teilweisen Verhüllung des Gesichts dar.

Die Befugnis zu sitzungspolizeilichen Anordnungen der Vorsitzenden bezieht sich auch auf die am Strafverfahren beteiligten Verteidiger (Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 176 Rdn.10).

Bei Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen der Vorsitzenden kommen bei Ihnen jedoch Zwangsmaßnahmen gemäß § 177 GVG regelmäßig nicht zur Anwendung, da der Gesetzgeber erwartet, dass sich Verteidiger – wie alle am Verfahren beteiligten Organe der Rechtspflege – an rechtmäßige sitzungspolizeiliche Anordnungen halten.

Es begegnet im Hinblick auf die angeordneten Maßnahmen der Sicherungsverfügung keinen rechtlichen Bedenken, dass die Sechzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 01.04.2022 und das Infektionsschutzgesetz vom 20.03.2022 für eine Hauptverhandlung vor Gericht weder eine Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske noch die weiteren angeordneten Maßnahmen vorsehen. Die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung enthält dazu lediglich allgemeine Verhaltensempfehlungen.

Die Sicherungsverfügung beruht auf § 176 Abs. 1 GVG und nicht auf dem Infektionsschutzgesetz und auch nicht auf der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Letztere haben für ihren Regelungsbereich die schützenswerten wirtschaftlichen Interessen von Einrichtungen und Veranstaltern an einem möglichst ungehinderten Besucher- und Kundenverkehr zu berücksichtigen und gegen den Infektionsschutz abzuwägen (OLG Celle NStZ-RR 2022, 58). Bei sitzungspolizeilichen Anordnungen sind ökonomische Interessen nicht berührt. Maßgeblich sind dafür die Umstände der jeweiligen Hauptverhandlung und Gesichtspunkte des Infektionsschutzes.

Soweit die Beschwerdeführer sich gegen das Hygienekonzept für den Sitzungssaal in der S.straße 10 und damit zusammenhängend gegen die maximal zugelassene Anzahl der anwesenden Personen sowie das Mindestabstandsgebot wenden, handelt es sich nicht um eine von der Vorsitzenden der Strafkammer in der Sicherungsverfügung getroffene Regelung.

Das Abstandsgebot und die einzuhaltende Kapazitätsgrenze wurden im Rahmen des vom Präsidenten des Oberlandesgerichts M. festgelegten Hygienekonzepts durch die Gerichtsverwaltung für den Sitzungssaal bestimmt. Auch die Auswahl und Zuweisung des Sitzungssaals durch die Gerichtsverwaltung wird nicht durch die Sicherungsverfügung der Vorsitzenden geregelt.

Corona I: Weiterhin kein Bock auf Masketragen, oder: Unterbindungsgewahrsam rechtmäßig

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Heute zum Auftakt der 14. KW. dann mal wieder ein paar Entscheidungen zu Corona. Passend zum „Freedomday“, wobei mir keiner vernünftig erklären kann, warum man den brauchte. Nur weil die FDP meinte, es besser zu wissen, und wir einen BMJV haben, der den Begriff „Freiheit“ sehr einseitig definiert. Ich vermute, dass es nicht lange dauern wird und die Maskenpflicht zurückkommt. Hatten wir das nicht gerade auch in Frankreich?

Ich beginne dann mit dem BGH, Beschl. v. 08.02.2022 – 3 ZB 4/21 – zum sog. Unterbindungsgewahrsam (hier § 35 PolG NRW). Ergangen ist sie auf der Grundlage folgenden Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hatte im Dezember 2020 an einer Versammlung von Gegnern der staatlichen Maßnahmen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus in Köln teilgenommen und sich geweigert, einen Mund-Nasen-Schutz anzulegen, obwohl die Pflicht zum Tragen eines solchen am Versammlungsort in der Kölner Altstadt angeordnet war. Nachdem er außerdem massiven körperlichen Widerstand gegenüber den eingesetzten Ordnungskräften geleistet hatte, als diese seine Identität feststellen wollten, hat ihn die Polizei in Gewahrsam. Das AG hat das für zulässig erklärt und die Fortdauer des Freiheitsentzugs für weitere zwei Stunden bis zum Ende der Versammlung angeordnet. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Betroffenen hat das LG zurückgewiesen. Dagegen dann die Rechtsbeschwerde mit der die Feststellung beantragt wird, dass der Betroffene durch die Entscheidungen von AG und LG in seinen Rechten verletzt worden ist. Der BGG hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen:

„b) Zutreffend hat das Landgericht die vom Amtsgericht angeordnete Freiheitsentziehung materiell am Maßstab des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW gemessen. Ohne Rechtsfehler hat es angenommen, dass die Ingewahrsamnahme dem Grunde und der Dauer nach der Sach- und Rechtslage entsprach. Auch sonst begegnet die Beschwerdeentscheidung keinen rechtlichen Bedenken, die dem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen könnten. Im Einzelnen:

aa) Das Landgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung als gegeben erachtet. Das ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW kann eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern.

(1) Das Landgericht hat darin, dass der Betroffene bei seinem Aufenthalt auf dem keine Mund-Nase-Bedeckung trug, zutreffend eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG erblickt. Nach der genannten Norm begeht eine solche, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 IfSG, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 32 IfSG, zuwiderhandelt.

Eine derartige Rechtsverordnung nach § 32 IfSG war die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (CoronaSchVO) vom 30. November 2020 in der ab dem 16. Dezember 2020 gültigen Fassung. Diese bestimmte in § 3 Abs. 2, dass „unter freiem Himmel“ eine Maske zu tragen ist bei Versammlungen von mehr als 25 Personen (Nr. 6) oder an weiteren Orten, „für die die zuständige Behörde eine entsprechende Anordnung trifft oder getroffen hat, wenn gemessen an der verfügbaren Fläche mit dem Zusammentreffen einer so großen Anzahl von Menschen zu rechnen ist, dass Mindestabstände nicht sichergestellt werden können“ (Nr. 8). In § 18 Abs. 2 Nr. 2 CoronaSchVO war geregelt, dass der Verstoß gegen die Maskenpflicht nach § 3 Abs. 2 eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der § 73a Abs. 1a Nr. 6, §§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG darstellt.

Die Stadt K. hatte auf der Grundlage von § 2 Abs. 4, § 15a CoronaSchVO in der Fassung vom 30. September 2020 am 9. Oktober 2020 eine solche Anordnung erlassen. In § 1 Nr. 2 Buchst. c der Allgemeinverfügung Nr. 289 hatte sie angeordnet, dass in der Altstadt eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen ist. Gemäß dem als Anlage beigefügten Lageplan 1 gehörte der gesamte zum Gebiet der Altstadt. Die Verfügung war ausführlich begründet; sie wies ebenfalls darauf hin, dass der Verstoß gegen die Maskenpflicht eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG darstellt. Mit der hier maßgeblichen Allgemeinverfügung Nr. 358 vom 5. Dezember 2020, gültig bis zum Ablauf des 21. Dezember 2020, hatte die Stadt K. die Anordnung dahin modifiziert, dass sie auf die Zeit von 10 bis 22 Uhr beschränkt ist.

(2) Die genannten Rechtsvorschriften und die konkrete bußgeldbewehrte Anordnung der Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in dem hoch frequentierten Gebiet der K. Altstadt verletzen kein Verfassungsrecht. Insoweit wird Bezug genommen auf die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (u.a. Beschlüsse vom 30. April 2020 – 13 B 539/20.NE, juris; vom 28. Juli 2020 – 13 B 675/20.NE, juris; vom 29. Juli 2020 – 13 B 792/20.NE, juris; vom 18. August 2020 – 13 B 847/20.NE, juris; s. auch vom 15. Dezember 2020 – 13 B 1731/20.NE, juris; vom 10. Februar 2021 – 13 B 1932/20.NE, juris; vom 12. Februar 2021 – 13 B 1750/20.NE, juris, zur Rechtslage nach Einführung des § 28a IfSG) und des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 4 RBs 387/21, juris Rn. 17 ff.) zur Verfassungsmäßigkeit der Maskenpflicht nach der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen in ihren verschiedenen Fassungen sowie des Bundesverfassungsgerichts zur Grundgesetzkonformität der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Rahmen der sogenannten Bundesnotbremse (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a., NJW 2022, 139). Tragend für diese Beurteilung sind die folgenden Erwägungen:

…….

Bei der hier konkret maßgeblichen Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in der K. Altstadt handelte es sich um ein im Vergleich zu Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren milderes Mittel. Die Anordnung bezog sich zudem nur auf wenige Straßenzüge mit hohem Publikumsverkehr – den meisten Normadressaten stand es frei, die entsprechenden Gebiete zu meiden -, sie war zuletzt zeitlich beschränkt, und sie sah zahlreiche Ausnahmen vor. So waren etwa Radfahrer, Jogger, Kinder sowie Personen, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können, von der Maskenpflicht befreit. Vor diesem Hintergrund besteht an der Verhältnismäßigkeit der Anordnung kein Zweifel.

(3) Die Einschätzung des Landgerichts, dass sich aus dem Verhalten des Betroffenen die hinreichende Erwartung der Begehung weiterer Ordnungswidrigkeiten durch ihn ergab, ist ebenfalls nicht zu beanstanden (zum Maßstab vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 – 3 ZB 2/21, juris Rn. 21). Die Prognose, er werde sich ohne die Ingewahrsamnahme erneut ohne Mund-Nase-Bedeckung am Versammlungsort auf dem pp. aufhalten, gründete sich auf seine gänzlich fehlende Bereitschaft zur Kooperation mit den staatlichen Ordnungskräften. Der Betroffene stellte durch die Zuwiderhandlung gegen die Maskenpflicht von vornherein deren Ablehnung zur Schau. Gegenüber den eingesetzten Polizisten leistete er einen strafrechtlich relevanten körperlichen Widerstand. Überdies verweigerte er die Auskunft auf die Frage, wie er sich fortan zu verhalten gedenke. Die ganze Situation spielte sich schließlich vor den Augen einer größeren Menschenmenge ab, was nahelegt, dass der Betroffene gerade die Versammlung weiterhin nutzen wollte, um seinen politischen Protest gegen die staatlichen „Corona-Maßnahmen“ zu demonstrieren. Damit gab es eine durch Tatsachen belegte Gefahr vergleichbarer Handlungen.

(4) Das zu besorgende Verhalten des Betroffenen stellte eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW dar. Auch diese Würdigung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler auf. Die Maskenpflicht diente, wie ausgeführt, dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung.

bb) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass die Freiheitsentziehung zur Gefahrenabwehr erforderlich war. Gegen seine nachvollziehbar begründete Beurteilung, der Betroffene werde sich im Fall seiner Freilassung wieder ohne Mund-Nase-Bedeckung zum Versammlungsort auf dem Heumarkt begeben, ist nichts zu erinnern. Weniger eingriffsintensive Maßnahmen, durch die dies gleichermaßen hätte verhindert werden können, sind nicht ersichtlich gewesen. Es ist angesichts der Beharrlichkeit des Betroffenen nicht damit zu rechnen gewesen, dass er freiwillig eine Maske angelegt oder einen Platzverweis befolgt hätte.

cc) Der vom Amtsgericht für notwendig gehaltene Zeitraum der Freiheitsentziehung von etwa zwei (weiteren) Stunden begegnet ebenso wenig rechtlichen Bedenken. Nachvollziehbar hat das Beschwerdegericht den Gewahrsam bis zum Ende der Versammlung für angemessen gehalten. Dass der Betroffene – wie er nunmehr vortragen lässt – nicht gewusst haben will, dass diese bis um 17 Uhr andauern würde, ist kein Umstand, der geeignet ist, die bis zu diesem Zeitpunkt fortwährende Gefahr in Frage zu stellen. Denn er hätte sich die entsprechende Information im Fall seiner Freilassung jederzeit beschaffen können. Besondere Ermittlungen von Amts wegen im Sinne des § 26 FamFG, die über die Anhörung des Betroffenen hinausgehen, waren entgegen dem Beschwerdevorbringen insoweit nicht veranlasst.

dd) Die angeordnete Freiheitsentziehung war überdies verhältnismäßig. Dies gilt auch bei Heranziehung eines besonders strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabs, was bei präventiven Freiheitsbeschränkungen, die nicht dem Schuldausgleich dienen, regelmäßig geboten ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 u.a., BVerfGE 128, 326, 372 f.; Beschluss vom 18. April 2016 – 2 BvR 1833/12 u.a., NVwZ 2016, 1079 Rn. 25).