Die zweite Entscheidung, die sich mit dem Verwenden des Hakenkreuzes als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation befasst (§ 86a StGB), stammt aus Bayern. Dort hatte das AG Ingolstadt den Erlass eines Strafbefehls gegen eine Beschuldigte aus Rechtsgründen abgelehnt.
Der Beschuldigten wurde vorgeworfen, dass die Angeschuldigte auf ihrem Facebook-Account einen „Post“ mit einer Bildreihe geteilt haben soll, auf welcher auf der linken oberen Seite ein Bild von Adolf Hitler und einem augenscheinlich muslimischen Würdenträger und der Bildunterschrift 1941 abgebildet ist. Rechts daneben ist ein Bild von Angela Merkel mit einem augenscheinlich muslimischen Würdenträger in vergleichbarer Sitzanordnung und der Bildunterschrift 2017 zu sehen.
Darunter ist auf der linken Seite ein Mann in nationalsozialistischer Uniform und einer Hakenkreuzbinde abgebildet, welcher mit grimmiger Mine und einem zum Schlag bereiten Knüppel über einer liegenden Person steht. Rechts daneben in identischer Position steht ein Mann mit einem Kapuzenpullover mit der Aufschrift Antifa, welcher ebenfalls mit einem Knüppel schlagbereit über der am Boden liegenden Person steht. In der dritten Reihe ist eine Karte Europas abgebildet, welche größtenteils Rot eingefärbt ist und mit einem Hakenkreuzsymbol versehen ist. Dem gegenüber gestellt ist eine Karte Europas mit blauer Färbung und dem Symbol der Europäischen Union.
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschat hat das LG Ingolstadt mit dem LG Ingolstadt, Beschl. v. 09.09.2024 – 2 Qs 100/24 – den ablehnenden Beschluss aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen. Das LG führt aus:
„Ein hinreichender Tatverdacht besteht, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses, eine Verurteilung in einer Hauptverhandlung wahrscheinlich ist.
Nach dem zuvor dargestellten Maßstab ist die Angeschuldigte einer Straftat nach § 86a StGB hinreichend verdächtig.
Vorliegend hat das Amtsgericht Ingolstadt ein strafbares Verhalten der Angeschuldigten aus rechtlichen Gründen verneint.
Die Begründung des Amtsgerichts Ingolstadt kann jedoch nur insoweit überzeugen, dass gegebenenfalls von einer Tathandlung mit relativ geringem Unwertgehalt ausgegangen werden kann. Die Tathandlung erfüllt den Tatbestand des § 86a StGB jedoch auch bei restriktiver Auslegung der Norm.
Grundsätzlich ist das „Verwenden“ im Sinne des § 86a StGB jeder Gebrauch, der das Kennzeichen optisch oder akustisch wahrnehmbar macht; die Rechtsprechung nimmt jedoch solche Fälle aus, in denen der Schutzzweck des Tatbestandes ersichtlich nicht verletzt wird, namentlich eine Wirkung auf Dritte in einer dem Symbolgehalt des Kennzeichens entsprechenden Richtung nicht eintreten kann, etwa wenn der Inhalt die Gegnerschaft zur Organisation eindeutig zum Ausdruck bringt (BGH NJW 2007, 1602). Eine Verletzung des Schutzzwecks soll aber nicht schon deshalb ausgeschlossen sein, weil das Zeichen von Gegnern der verfassungsfeindlichen Ideologie verwendet wird (BGHSt 25, 30 (32) = NJW 1973, 106).
Eine Distanzierung, z. B. durch Durchstreichen des Hakenkreuzes, reicht nach neuerer Rspr. aus, denn dann ist der Schutzzweck der Vorschrift – Unterbindung des Verbreitens von Kennzeichen mit nationalsozialistischem Symbolgehalt – nicht betroffen (vgl. Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 86a Rn. 4 mit weiteren Nachweisen).
Im konkreten Fall hat die Angeschuldigte, wie das Amtsgericht in seinem Beschluss zu Recht ausführt, das verbotene Symbol der Naziherrschaft, dem Hakenkreuz, eingesetzt, um vermeintliche Zustände des Jahres 2017 mit den Zuständen des Jahres 1941 zu vergleichen. Dies wird durch die Bildunterschrift „Wir lernen aus der Geschichte, dass wir überhaupt nichts lernen“, nochmals deutlich. Durch den Vergleich ist für einen unbeteiligten Dritten erkennbar, dass durch die Angeschuldigte die Herrschaft der Nationalsozialisten als negatives Vergleichsmaterial herangezogen wird. Ein Gutheißen des Nationalsozialismus ist nicht erkennbar. die Angeschuldigte zielt darauf ab, die von ihr angeprangerten „Zustände“ des Jahres 2017 (Merkel, Antifa, Europäische Union) in plakativer Form darzustellen. Für ihre Kritik wählt sie dann als „Stilmittel“ die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Durch § 86a StGB soll jedoch auch verhindert werden, dass sich die Verwendung von Kennzeichen verbotener verfassungsfeindlicher Organisationen als Form einer allgemein üblichen, selbst bei nichtigem Anlass gebräuchlichen Unmutsäußerung derart einbürgert, dass der Gesetzeszweck, solche Kennzeichen generell aus dem öffentlichen Erscheinungsbild der Bundesrepublik Deutschland zu verbannen, nicht erreicht wird, mit der Folge, dass sie schließlich auch wieder von Verfechtern politischer Ziele, für die das Kennzeichen steht, gefahrlos gebraucht werden können (vgl BayObLG Urteil vom 28.02.2002 5 St RR 355/01, NStZ 2003, 89;BGHSt 25, 20, 33).
Es widerspricht diesem Ziel des Gesetzgebers und damit dem Schutzzweck der Norm, sollte man, wie vorliegend, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen dann verwenden dürfen, wenn man Kritik an mit der Herrschaft der Nationalsozialisten nicht vergleichbaren Sachverhalten aus dem Jahr 2017 üben möchte. Die Angeschuldigte stellt die Naziherrschaft zwar erkennbar als Negativbeispiel dar, ein konkreter und nachvollziehbarer Zusammenhang mit den Bildern der Reihe 2017, weshalb Angela Merkel oder der Europäische Union Methoden des Nationalsozialismus zu unterstellen wären, kann jedoch gerade nicht erkannt werden.
Deshalb ist die Angeschuldigte vorliegend der ihr zur Last gelegten Straftat dringend verdächtig.“
Anmerkung: An sich sollte das Posting anders heißen. Aber mit „Hakenkreuz“ im Titel wird er bei FB, wohin ich teile, als Spam gelöscht.