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Haft II: JVA arbeitet bei der Briefkontrolle nach, oder: Doppelte Briefkontrolle rechtswidrig

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Im zweiten Posting stelle ich den LG Ingolstadt, Beschl. v. 14.10.2024 – 1 KLs 34 Js 3277/23 – der sich mit doppelter Briefkontrolle befasst vor.

Der Beschuldigte befindet sich in Untersuchungshaft in der JVA Augsburg-Gablingen. Für den Vollzug der Untersuchungshaft hat der Ermittlungsrichter beim AG mit Invollzugsetzung des Haftbefehls einen Beschränkungsbeschluss erlassen, wonach u. a. gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO Besuche, Telekommunikation sowie der Schrift- und Paketverkehr zu überwachen sind. Diese Überwachung wird nach Anklageerhebung durch Richter der zuständigen Strafkammer durchgeführt.

Die JVA Augsburg-Gablingen führt nun aber ebenfalls eine Brief- und Postkontrolle für den gesamten Brief- und Postverkehr durch. Sie stützt sich dabei auf Art. 19 Abs. 1, 23 Abs. 2 BayUVollzG. Der Beschuldigte hat beantragt, die Doppelkontrolle seiner Post durch die Anstalt in Gablingen aufzuheben. Der Antrag hatte Erfolg:

„Die von der JVA Augsburg-Gablingen ohne konkreten Anlass ein weiteres Mal durchgeführte Briefkontrolle ist rechtswidrig.

1. Der Antrag des Untersuchungsgefangenen pp. ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 119a Abs. 1 S. 1 StPO auszulegen. Zur Entscheidung ist nach Anklageerhebung die 1. Strafkammer des Landgerichts Ingolstadt als erkennendes Gericht zuständig.

2. Der Antrag ist begründet, soweit die JVA nach durchgeführter richterlicher Kontrolle und Genehmigung der Aushändigung die Text- und Inhaltskontrolle des Briefverkehrs ohne konkreten Anlass ein zweites Mal durchführt.

a) Seit der Föderalismusreform erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG auf das gerichtliche Verfahren ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs. Dabei kommt es durch die bundesgesetzliche Regelung in § 119 StPO und die Regelungen in BayUvollzG zu Überschneidungen.

Nach überwiegend vertretener, enger Auslegung des Begriffs „Untersuchungshaftvollzug“ steht dem Bundesgesetzgeber nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die Befugnis zu, Regelungen zu treffen, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert, die mithin der Abwehr von Flucht-, Verdunkelungs- und Wiederholungsgefahren dienen; hiervon hat er mit der Vorschrift des § 119 StPO Gebrauch gemacht (Karlsruher Kommentar/Gericke zur StPO, 9. Aufl., § 119 Rn. 2 mwN). Die Kompetenz des Bundes umfasst nicht nur die Regelungsbefugnis für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Außervollzugsetzung, sondern auch alle Bestimmungen, die die ordnungsgemäße Durchführung des Strafverfahrens sichern. Hierzu gehören auch Befugnisse, die zur Durchsetzung des Zwecks der Untersuchungshaft – Abwehr von Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahren – erforderlich sind, ebenso. Sie dienen gleichfalls der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens.

Das Recht des Untersuchungshaftvollzugs fällt dagegen in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder. Der Freistaat Bayern hat von dieser Zuständigkeit Gebrauch gemacht und das BayUvollzG geschaffen. Zum Schriftwechsel regelt Art. 19 Abs. 1 BayUvollzG, dass ein- und ausgehende Schreiben überwacht werden. Nach Abs. 2 kann von der Überwachung des gedanklichen Inhalts ein- und ausgehender Schreiben (Textkontrolle) abgesehen werden, wenn eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht zu befürchten ist. Die Regelungskompetenz der Länder und in deren Folge die Anordnungskompetenzen nach den landesrechtlichen Untersuchungshaftvollzugsgesetzen beschränkt sich auf Bereiche, die die Ordnung und Sicherheit der Anstalt betreffen oder die Ausgestaltung der Untersuchungshaft in allgemeiner Weise wie etwa Aufnahmeprozedere, Unterbringung, Versorgung usw. (Karlsruher Kommentar/Gericke zur StPO, 9. Aufl., § 119 Rn. 2 mwN).

Die Regelung des § 119 StPO bildet daher eine Rechtsgrundlage für alle Haftzwecke betreffenden Einschränkungen. Wie diese umzusetzen sind, ist indes wiederum regelmäßig Gegenstand der Vollzugsgestaltung (Karlsruher Kommentar/Gericke zur StPO, 9. Aufl., § 119 Rn. 2; KG StV 2014, 229 = BeckRS 2013, 17993; LG Kiel BeckRS 2019, 16070).

b) Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO sind zulässig, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine reale Gefahr für die darin genannten Haftzwecke (Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr) besteht. Bei einem auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl kann eine mögliche Verdunkelungsgefahr berücksichtigt werden, wenn konkrete Hinweise dafür vorliegen, dass zwischen dem Untersuchungsgefangenen und seinen Gesprächspartnern Absprachen über Verdunkelungshandlungen getroffen werden könnten (vgl. KG BeckRS 2013, 17993 mwN. und OLGSt StPO § 119 Nr. 40; KG, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 3 Ws 17/10 -; OLG Köln StV 2011, 35 und 743; Meyer-Goßner a. a. O.).

Die Anordnung der inhaltlichen Überwachung des Schriftwechsels des Untersuchungsgefangenen einen ganz erheblichen Eingriff in den persönlichen, durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Untersuchungsgefangenen dar. Daher ist stets zu prüfen, ob im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Haftzwecks durch den unkontrollierten Kontakt des Untersuchungsgefangenen mit der Außenwelt vorliegen (vgl. KG BeckRS 2013, 17993 Rn.10 mwN.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Letzteres wird durch den Antragsteller auch gar nicht in Frage gestellt, weshalb auf weitere Darlegungen hierzu verzichtet wird.

c) Für die Überwachung des Schriftwechsels des Untersuchungsgefangenen durch die JVA gilt dasselbe. Zwar ist nach Art. 19 Abs. 1 BayUvollzG eine Text- und Inhaltskontrolle ein- und ausgehender Schreiben grundsätzlich zulässig. Der ganz erhebliche Eingriff in den persönlichen, durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Untersuchungsgefangenen erfordert es aber, stets zu prüfen, ob nach einer aufgrund eines Beschränkungsbeschlusses nach § 119 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO durchgeführten Briefkontrolle eine weitere, nochmalige Kontrolle erforderlich ist oder ob von einer nochmaligen Kontrolle abzusehen ist, weil bereits eine Kontrolle stattgefunden hat. Eine zusätzliche Überwachung durch die Anstalt sollte sich in dieser Konstellation auf begründete Einzelfälle beschränken (BeckOK Strafvollzugsrecht Bayern Arloth-Bratke/Krä, Art.19 BayUvollzG Rn. 3a). Sofern eine zusätzliche Überwachung durch die Anstalt erfolgt, sollten Gericht/ Staatsanwaltschaft im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit eingebunden werden (BeckOK Strafvollzugsrecht Bayern aaO). Es begegnet deshalb grundsätzlichen Bedenken, dass die JVA Augsburg-Gablingen die durch den Richter durchgeführte Text- und Inhaltskontrolle generell, also aufgrund einer allgemeinen Anordnung, ohne einen besonderen Anlass wiederholt, dass sie also, nachdem der zuständige Richter die Briefkontrolle durchgeführt, den Brief in einen verschlossenen Umschlag gegeben und die Aushändigung des Briefes an den Untersuchungsgefangenen genehmigt hat, den Brief erneut öffnet, um eine weitere Text- und Inhaltskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Prüfungszwecks, denn auch der Richter wird den Schmuggel von Kassibern, gefährlichen Gegenständen oder Betäubungsmitteln nicht genehmigen und ist aufgrund des Zusammenwirkungsgebots nach Art. 7 Abs. 2 BayUvollzG gehalten, bei Hinweisen auf eine Suizidgefahr oder andere vollzuglich relevante Umstände die JVA hierauf aufmerksam zu machen. Stellt der Richter im Zuge der Durchführung der Kontrolle Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt fest, so ist die Anstalt unter Beachtung des Zusammenwirkungsgebots nach Art. 7 Abs. 2 BayUvollzG hierüber zu unterrichten, um weitere Anordnungen und Maßnahmen ihrerseits treffen zu können (BeckOK Strafvollzugsrecht Bayern Arloth-Bratke/Krä, Art.19 BayUvollzG Rn. 3a).

Die anlasslose doppelte Briefkontrolle ist deshalb unzulässig. Dass beim Angeschuldigten pp. ausnahmsweise die Voraussetzungen dafür vorliegen, den ganz erheblichen Eingriff in den persönlichen grundgesetzlich geschützten Lebensbereich des Untersuchungsgefangenen ein weiteres Mal durchzuführen, hat die JVA nicht behauptet und auch nicht dargelegt.“

Pflichti II: Nach fünf Monaten ohne Besuch gibt es einen neuen Pflichtverteidiger

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Ebenfalls nicht viel Federlesen hat das LG Ingolstadt im LG Ingolstadt, Beschl. v. 23.08.2017 – 1 KLs 383 Js 228567/16 – gemacht. Gegen den Beschuldigten ist ein Verfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mitn BtM in nicht geringer Menge u.a. anhängig. Der Beschuldigte ist inhaftiert. Der dem Beschuldigten nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO beigeordnete Pflichtverteidiger hat den Mandanten über fünf Monate nicht besucht. Das reicht dem LG für eine Umbeiordnung auf einen andern Pflichtverteidiger:

Dennoch ist die Sorge des Angeschuldigten berechtigt, dass Rechtsanwalt F der Aufgabe, sich für ihn und seine Belange einzusetzen, nicht mehr gerecht werde. Denn dieser hat ihn seit dem 10.03.2017 über einen Zeitraum von mehr als fünf Monaten nicht mehr in der JVA besucht.

Es ist allgemein anerkannt, dass der fehlende Besuch eines Pflichtverteidigers über einen längeren Zeitraum in der Untersuchungshaft das fehlende Vertrauen des Beschuldigten zu dem beigeordneten Verteidiger rechtfertigt und deshalb einen wichtigen Grund für die Entpflichtung darstellt. Daran ändert auch die bei dem letzten persönlichen Gespräch zwischen Pflichtverteidiger und Angeschuldigtem getroffene Vereinbarung nichts. Obwohl sich sein Mandant bereits fast sechs Monate in Untersuchungshaft befand, hatte der Verteidiger zum Zeitpunkt dieses Gesprächs Akteneinsicht lediglich bis BI. 39 erhalten, sein Wissen über den Gang des Ermittlungsverfahrens befand sich auf dem Stand vom 03.11.2016. Insbesondere war ihm der Inhalt der bis dahin stattgefundenen vier polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen nicht bekannt. Hiervon erhielt er erst mit der von der Staatsanwaltschaft am 03.05.2017 bewilligten Akteneinsicht Kenntnis. Doch während dem Angeschuldigten im Haftbefehl vom 01. 11. 2016 eine Tat mit 6 kg Cannabis zur Last gelegt worden war, standen nunmehr fünf Taten mit insgesamt 20 kg im Raum. Angesichts des im Vergleich mit dem Stand zum Zeitpunkt des Gesprächs vom 10.03.2017 veränderten Sachverhalts und der erheblichen Straferwartung wäre ein nochmaliger Besuch des Angeschuldigten in der Haft auch ohne dessen ausdrücklich geäußerten Wunsch für eine ordnungsgemäße Verteidigung zwingend erforderlich gewesen, zumal zwischen Pflichtverteidiger und Angeschuldigtem laut Vortrag von Rechtsanwalt F im Schriftsatz vom 04.05.2017 vereinbart worden war, weitere Besuche würden entweder auf schriftlichen Wunsch des Angeschuldigten oder nach AkteneinSicht erfolgen.

Aus Sicht eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten ist damit die Besorgnis gerechtfertigt, die Verteidigung könne objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden.“

Zutreffend.

„Disziplinierung“ durch „vorauseilenden Gehorsam“, oder: Das zu schnell eingeholte Sachverständigengutachten

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Kollegen haben mir in der letzten Zeit wiederholt davon berichtet, dass die AG teilweise dazu übergegangen sind, bei Einwänden des Betroffenen gegen die Ordnungsgemäßheit einer Messung (von sich aus) Sachverständigengutachten einzuholen. Darüber habe ich hier ja auch schon im Zusammenhang mit dem AG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 25.01.2013 – 4.9 OWi 289 Js 14760/12 (156/12) berichtet (vgl. dazu: „Zu schnelle“ Einholung eines SV-Gutachtens – unrichtige Sachbehandlung – Niederschlagung der Kosten). Hintergrund für dieses Vorgehen – in quasi vorauseilendem Gehörsam – dürfte u.a. eben häufig sein, dass man Verteidiger/Betroffene disziplinieren und von weiteren Anträgen (in anderen Verfahren) abhalten/abschrecken will, indem hohe Kosten verursacht werden, die möglicherweise in keinem angemessenen wirtschaftlichen Verhältnis zur verhängten Geldbuße stehen.

Dem lässt sich vom Verteidiger jetzt auch der LG Ingolstadt, Beschl. v. 30.09.2015 – 2 Qs 48/15 – entgegenhalten. Da hatte der Verteidiger  lediglich die Übersendung der Messdatei nebst Beweisfoto beantragt, um diese von einem durch den Betroffenen zu beauftragenden Sachverständigen überprüfen zu lassen. Allein das führte zu einem Beweisbeschluss über die Einholung eines SV-Gutachtens – Kosten dann über 2.000 € -, von dem das AG noch nicht einmal Abstand genommen hat, als der Verteidiger ausdrücklich klargestellt und mitgeteilt hat, dass es lediglich darum gehe, die Messung von einem eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen, um ggf. im Anschluss hieran konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlbedienung oder Fehlmessung vorzutragen.

Das LG verweist auf die Rechtsprechung der Obergerichte zum standardisierten Messverfahren und darauf, dass danach nur konkrete Einwände das AG zur Beweisaufnahme zwingen. Und dann:

„…. Derartige konkrete Anhaltspunkte für Messfehler waren im Verfahren nicht dargetan. Der Betroffene hat vielmehr mit Schriftsatz vom 19.05.2014 lediglich die Übersendung der Messdatei nebst Beweisfoto beantragt, um diese von einem durch den Betroffenen zu beauftragenden Sachverständigen überprüfen zu lassen.

Der Antrag des Betroffenen vom 19.05.2014 konnte auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Betroffene hiermit die Richtigkeit der Messung in einer Art und Weise angezweifelt hätte, dass die Erholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen wäre. Denn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler waren, was Voraussetzung für die Erholung eines Sachverständigengutachtens gewesen wäre, seitens des Betroffenen gerade noch nicht aufgezeigt worden.

Vorstehendes hat der Betroffene unmittelbar im Nachgang zum Beweisbeschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 22.05.2014 mit Schriftsatz vom 02.06.2014 unter näherer Darlegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nochmals ausdrücklich klargestellt und mitgeteilt, dass zum damaligen Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler weder bestünden noch dass ein solcher seitens des Betroffenen konkret behauptet würde. Dem Betroffenen gehe es lediglich darum, die Messung von einem eigenen Sachverständigen überprüfen zu lassen, um ggf. im Anschluss hieran konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlbedienung oder Fehlmessung vorzutragen.

Spätestens im Anschluss an den klarstellenden Schriftsatz vom 02.06.2014 wäre der Tatrichter zur Vermeidung unnötiger Verfahrenskosten gehalten gewesen, den Beweisbeschluss auf entsprechenden Antrag des Betroffenen aufzuheben.

Da angesichts der dargestellten gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung letztlich eine Beweisaufnahme über erkennbar nicht erhebliche Tatsachen stattgefunden hat (vgl. Binz/Dörndorfer/Petzold/ Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Auflage 2014, § 21 Rn 7 m. w. N.; OLG München NJW-RR 2003, 1294), ist es vorliegend geboten, gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG von der Erhebung der Gutachterkosten i. H. v. 2.054,54 € abzusehen.“

Strafbefehl/Kosten: Besser rechtskräftig werden lassen?

Manchmal ist es eigenartig. Mich hatte vor einiger Zeit ein Kollege danach gefragt, wie mit der Kostenentscheidung umzugehen sei, wenn im Strafbefehlsverfahren ein beschränkter Einspruch gegen einen Strafbefehl Erfolg gehabt habe. Das war/ist die Frage, ob dann § 473 Abs. 3 StPO (entsprechend) anwendbar ist oder nicht. Ich hatte die Frage unter Hinweis auf den Wortlaut des § 473 Abs. 3 StPO – „Rechtsmittel“ verneint. Nun habe ich von einem anderen Kollegen den LG Ingolstadt, Beschl. v. 27.03.2014 – 2 Qs 32/14 übersandt bekommen, der sich mit genau der Frage befasst.

Im Verfahren ging es um die falsche Bildung einer Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl, was dann nach Einspruch in der Hauptverhandlung bzw. im Urteil repariert worden ist. Das LG verneint die Anwendbarkeit des § 473 Abs. 3 StPO, was m.E. zutreffend ist.

Not amused bin ich allerdings über die Formulierung:

„Zutreffend ist zwar, dass die Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl unter Verstoß gegen § 54 Abs. 2 StGB festgesetzt worden ist. Dies hätte den Beschwerdeführer allerdings nicht daran hindern müssen, den Strafbefehl dennoch rechtskräftig werden zu lassen. Ihm war bekannt, dass bei Einlegung eines Einspruchs weitere Verfahrens- und Verteidigerkosten anfallen.“

Also: Falsche/zu hohe Strafe hinnehmen….? Kann m.E. so nicht richtig sein, wenn es „auch, und in erster Linie darauf ankam, dass wegen der Regelungen in §§ 32 Abs. 2, 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG eine Gesamtgeldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen festgesetzt wird“, worauf das LG selbst hinweist.

Aber das LG zeigt dann (zumindest) einen Weg auf, wie es nach seiner Auffassung hätte richtig laufen können:

„Der Beschwerdeführer hätte die Entstehung der zusätzlichen Kosten möglicherweise dadurch verhindern können, dass er in Absprache mit der Staatsanwaltschaft unbeschränkten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hätte, die Staatsanwaltschaft daraufhin den Strafbefehlsantrag zurückgenommen und einen neuen Strafbefehlsantrag mit einer niedrigeren Gesamtgeldstrafe beantragt hätte. Dass der Beschwerdeführer diesen Weg nicht gegangen ist, zeigt, dass er sich die Chance auf eine Herabsetzung der Gesamtgeldstrafe auf nicht mehr als 90 Tagessätze erhalten wollte. Dies war nur möglich, wenn gegen einen Strafbefehl mit einer höheren Gesamtgeldstrafe Einspruch eingelegt wurde. Der Fehler bei der Bildung der Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl war daher nicht ursächlich für die durch die Hauptverhandlung und das Urteil zusätzlich entstandenen Kosten und Auslagen.“

Na ja, auch da habe ich so meine Bedenken, ob das – in Bayern !! – machbar gewesen wäre.