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Anschaffung von Festplatten im Umfangsverfahren, oder: Wer trägt die Anschaffungskosten?

Bild von Jan Van Bizar auf Pixabay

In sog. Umfangsverfahren fallen i.d.R. erhebliche Aktenbestände an, die dann digital gespeichert werden. Es stellt sich die Frage, wer die Kosten für die Anschaffung der dazu erforderlichen Speichermedien zu tragen hat.

Dazu hat das OLG Jena im OLG Jena, Beschl. v. 27.12.2023 – 3 St 2 BJs 4/21 – Stellung genommen. Die Rechtsanwälte/Pflichtverteidiger sind in einem beim Staatsschutzsenat des OLG Jena anhängigen Verfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a. tätig. Sie haben beantragt, festzustellen, dass die Kosten für die. Beschaffung einer externen Festplatte bzw. eines gleichwertigen Speichermediums zum Zwecke des Empfangs bzw. der Einsichtnahme der verfahrensgegenständlichen Audio-Dateien erforderliche Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG sind. Das OLG hat dem Antrag entsprochen und festgestellt, dass die Kosten für die Beschaffung einer externen Festplatte bzw. eines gleichwertigen Speichermediums zum Zwecke des Empfangs bzw. der Einsichtnahme der verfahrensgegenständlichen Audio-Dateien erforderliche Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG sind:

„Die im Tenor genannten Auslagen sind zur sachgerechten Durchführung des Verfahrens seitens der Verteidigung erforderlich.

Es handelt sich bei den in Rede stehenden Anschaffungskosten auch aus Sicht des Senats nicht um Kosten, die bereits für den allgemeinen Bürobetrieb der Strafverteidiger angefallen sind. Aufwendungen für Computer und EDV-Anlagen zählen nur insoweit zu den allgemeinen Geschäftskosten, als sie für die Unterhaltung des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwalts im Allgemeinen entstehen (OLG Hamm, Beschluss v. 6.5.2015 — 2 Ws 40/15, BeckRS 2015, 12437). Das Datenvolumen der in Rede stehenden Beweismittel ist mit ca. zwei Terabyte so groß, dass es die für die Unterhaltung des Kanzleibetriebs im Allgemeinen entstehenden Aufwendungen für Speicherbedarf übersteigen wird (vgl. OLG Celle, a.a.O.) und dies zudem für eine erhebliche Dauer.

Hinzu tritt, dass der Senat auch bekannt gegeben hatte, dass entsprechende Datenträger aufgrund des damit verbundenen Beschaffungsaufwandes seitens des Thüringer Oberlandesgerichts nicht zur Verfügung gestellt werden können, diese aber bereits zum Transfer der Daten auf die Endgeräte der Verteidigung erforderlich wären.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Mir erschließt sich allerdings nicht, warum das OLG, worauf der Senat ausdrücklich hinweist, nicht in der Lage ist/sein soll/sein will, entsprechende Datenträger selbst zur Verfügung zu stellen. So groß ist der damit verbundene Beschaffungsaufwand ja nun nicht. Man hat den Eindruck, dass sich das OLG dahinter verstecken will.

Der Kollege Urbanzyk, der mir den Beschluss übersandt hat, hatte noch angemerkt, dass der Bezirksrevisor bereits darauf hingewiesen habe, dass die Festplatten nach „Abschluss des Verfahrens“ an das OLG herauszugeben seien. Dazu ist anzumerken: Gegen ein Herausgabeverlangen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, nur ist der für die Herausgabe ins Auge gefasste Zeitpunkt m.E. zu früh bzw. zu ungenau terminiert. Denn die Festplatten bzw. die dort gespeicherten Aktenbestandteile sind Teil der Handakten des Verteidigers, auf die er auch nach „Abschluss des Verfahrens“ – meint der Bezirksrevisor „Rechtskraft“ – schon aus Haftungsgründen Zugriff haben und behalten muss. M.E. wird eine Herausgabepflicht daher erst mit Ablauf der Sechs-Jahres-Frist des § 50 Abs. 1 BRAO bestehen. Aber wer hat Interesse an sechs Jahre alten Festplatten? Die Justiz offenbar schon.

Teures Dauerparken, oder: Nach dem Urlaub ist das Auto weg

entnommen wikimedia.org Urheber Sterilgutassistentin

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„Unbegrenztes Parken“ gibt es nicht. Das ist das Fazit aus dem VG Neustadt, Urt. v. 27.01.2015 – 5 K 444/14 NW. In dem Verfahren ging es um die Übernahme der Kosten, die durch das Abschleppen eines „Dauerparkers“ entstanden waren. Der klagende Parker hatte seinen Pkw am Mittwoch, den 27.02.2013 früh morgens auf einem Parkplatz ordnungsgemäß abgestellt. Von dort aus fuhr er mit Freunden weiter in den Urlaub. Noch am selben Tag stellte die Gemeinde Halteverbotsschilder auf mit dem Zusatz „Sonntag, 3. März 2013 ab 7.00 Uhr“. An diesem Tag fand dort ein Umzug statt. Nachdem der Mann sein Fahrzeug auch am Sonntag nicht entfernt hatte und auch telefonisch nicht erreichbar war, ließ die Gemeinde den Pkw am 03.03.2013 um 12.15 Uhr abschleppen und forderte die dafür entstandenen Kosten. Die Klage des urlaubenden Parkers hatte keinen Erfolg.

Das VG meint: Zwar könne auch von einem Dauerparker nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwacht und prüft bzw. prüfen lässt, ob sich die Verkehrsregelungen geändert haben. Parkte ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug ursprünglich rechtmäßig auf einem Dauerparkplatz und änderte sich daraufhin die Verkehrslage, so sei es jedenfalls aber dann verhältnismäßig, ihn zu den Abschleppkosten heranzuziehen, wenn das Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellen der Verbotsschilder abgeschleppt wurde.

„Der Kostenbescheid war auch nicht unverhältnismäßig (sogenannte Sekundärebene). Die Beklagte ging zu Recht davon aus, dass es nicht ausnahmsweise unangemessen und unzumutbar war, den Kläger zu den Kosten heranzuziehen (vgl. zu § 6 Abs. 2 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – OVG RP, Urteil vom 1. Oktober 1996 – 7 A 11677/95.OVG –). Nach der Rechtsprechung wird eine solche Ausnahme von der Kostentragungspflicht insbesondere in folgenden Fällen gemacht: Der Fahrzeugführer parkte sein Fahrzeug rechtmäßig, nachträglich entstand aber eine Situation, wonach er rechtswidrig parkte. Diese Änderung der Verkehrslage kündigte die Behörde jedoch nicht früh genug an. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es allerdings keinen Vertrauensschutz dafür, dass ein zunächst rechtmäßiges Dauerparken an einer bestimmten Stelle unbegrenzt erlaubt bleibt. Umgekehrt kann von einem Dauerparker aber auch nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwacht und prüft bzw. prüfen lässt, ob sich die Verkehrsregelungen geändert haben. Ansonsten bestünde kein Unterschied zwischen Kurzzeit- und Dauerparkplätzen (vgl. BayVGH, Urteil vom 17. April 2008 – 10 B 08.449 –, juris). Daher hat die Rechtsprechung in zahlreichen Fällen entschieden, dass die Kostenbelastung jedenfalls dann verhältnismäßig ist, wenn das Fahrzeug abgeschleppt wurde am vierten Tag nachdem die Verbotsschilder aufgestellt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 – 11 C 15/95 –, juris; BayVGH, Urteil vom 17. April 2008 – 10 B 08.449 –, juris m. w. N. zu möglichen kürzeren Mindestvorlaufzeiten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls). Das Kostenrisiko trifft nach dieser Vorlaufzeit bei längerfristigem Parken denjenigen, der die Sachherrschaft über sein Fahrzeug hat und Vorsorge treffen kann, falls sich die Verkehrslage innerhalb dieses absehbaren Zeitraums ändert. Dieses Kostenrisiko soll nicht die Allgemeinheit tragen. Kann oder will der Fahrzeughalter nicht kontrollieren, ob die Verkehrsverhältnisse sich geändert haben, so kann er sich nicht darauf berufen, dass sich die Verkehrsregelung geändert hat (vgl. SächsOVG, Urteil vom 23. März 2009 – 3 B 891/06 –, juris). Die Beklagte stellte die Verkehrsschilder am Mittwoch, den 27. Februar 2013, auf. Erst nach Ablauf von drei vollen Tagen, am Sonntag, den 3. März 2013, schleppte sie das Fahrzeug des Klägers ab. Es war dem Kläger auch auf einem Dauerparkplatz zumutbar, innerhalb dieser drei Tage Vorlaufzeit zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen, ob das Parken weiter zulässig war.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Ausländer als Mandant – Dolmetscher? Ja – ohne wenn und aber

© AllebaziB - Fotolia.com

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In der Praxis häufig(er) sind die Fälle, in denen dem ausländischen, der deutschen Sprache unkundigen Angeklagten bereits ein Pflichtverteidiger bestellt ist und sich dann ein weiterer Rechtsanwalt mit Vollmacht meldet, der dann um Übernahme der Kosten für die Zuziehung eines Dolmetschers zu einem Gespräch mit dem Angeklagten nachsucht. Frage: Kostenübernahme durch die Staatskasse ja oder nein?

Das LG Dortmund hatte in einem vergleichbaren Fall „nein“ gesagt, das OLG Hamm sagt dann im OLG Hamm, Beschl. v. 25.03.2014 – 1 Ws 114/13 – aber ja, und zwar mit folgendem Leitsatz:

„Dem der Gerichtssprache unkundigen Beschuldigten steht unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers zu, ohne dass es zuvor eines förmlichen Antragsverfahrens bedarf.“

Was auffällt: Ohne wenn und aber und ohne Diskussion darüber, dass der Angeklagte ja schon einen (Plficht)Verteidiger hatte. Schön.