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Schwimmen (lassen) in der Elbe – eine das Leben gefährdende Behandlung?

Die Angeklagten zwangen

an einem Septemberabend den mit Jeans, Pullover und Schuhen bekleideten 21jährigen Geschädigten in die Elbe zu steigen und sich stromabwärts treiben zu lassen. Der Geschädigte war ein guter Schwimmer, ortskundig und trotz der vorhandenen Dunkelheit räumlich orientiert. Nach etwa 700 m vermochte er an einem Buhnenkopf aus dem Wasser zu steigen und zeitnah ärztliche Hilfe zu erlangen. Er erlitt eine leichte Unterkühlung (Untertemperatur von einem Grad Celsius) und wurde über Nacht im Krankenhaus mit vorgewärmten Infusionen versorgt. Die Elbe hatte zum fraglichen Zeitpunkt eine Temperatur von 15 Grad Celsius, einen Pegelstand von 92 cm über Pegel – was Niedrigwasser entspricht – und eine Fließgeschwindigkeit von 0,81 m/s. Strudelbildungen gab es in dem betreffenden Flussabschnitt nicht…“

Das LG hat das als eine das Leben gefährdende Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB angesehen. Der BGH, Beschl. v. 25.10.2011 – 4 StR 455/11 – sagt dazu:

„Daraus ergibt sich nicht, dass der von dem Angeklagten erzwungene und auf Grund der eingetretenen Unterkühlung als Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu beurteilende Aufenthalt des Geschädigten in der Elbe unter Bedingungen erfolgt ist, die dessen Leben zumindest abstrakt in Gefahr gebracht haben. Das Wasser war mit 15 Grad Celsius noch nicht so kalt, dass eine tödliche Unterkühlung zu befürchten war (vgl. LG Saarbrücken, NStZ 1983, 414). Auch Umstände, die geeignet waren, den Geschädigten in die Gefahr des Ertrinkens zu bringen, sind nicht festgestellt. In dem gleichmäßig und eher langsam fließenden Wasser war eine körperliche Überforderung des Geschädigten nicht zu befürchten. Allein aus dem Umstand, dass der Geschädigte beim Schwimmen wegen der mit Wasser vollgesogenen Kleidung mehr Kraft als erwartet aufwenden musste, kann noch keine abstrakte Lebensgefährdung abgeleitet werden. Als sich der Geschädigte ins Wasser sinken ließ und zu schwimmen begann, konnte er noch gefahrlos stehen. Panikreaktionen oder ein Orientierungsverlust waren mit Rücksicht auf die Ortskunde des Geschädigten und sein beherrschtes Reagieren offenkundig nicht zu befürchten. Andere in der konkreten Situation angelegte, aber letztlich nicht wirksam gewordene Gefahrenquellen (vgl. RG Urteil vom 8. April 1884 – II. StrafS 783/84, RGR 6, 282) sind nicht erkennbar.“

Zur Wassertiefe und zum Schiffsverkehr hatte das LG keine bzw. keine näheren Feststellungen getroffen. M.E. wäre die Frage dann ggf. anders zu beurteilen.

In erheblicher Weise dauernd entstellt

Ist das die Folge einer Körperverletzung, liegt eine Verurteilung wegen einer schweren Körperverletzung nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB nahe, so der BGH, Beschl. v. 20.04.2011 – 2 StR 29/11. Dort heißt es:

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Nebenkläger unter anderem sieben Stichverletzungen davongetragen hat, die den Oberkörper betrafen; außerdem entstanden Operationsnarben. Insgesamt handelt es sich um „eine Vielzahl markant bleibender Narben“ und „überdauernde große Narben im Oberkörperbereich.
Aufgrund dieser Feststellungen musste sich das Landgericht zur Erörterung der Frage gedrängt sehen, ob der Nebenkläger durch die Körperverletzung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt wurde. Erheblich ist eine Entstellung zwar nur dann, wenn sie zumindest dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 1). Dies kann jedoch im Einzelfall bei besonders großen oder markanten Narben der Fall sein (BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2), ebenso bei einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion. Ob die Qualifikation der Tat auf das äußere Verletzungsbild des Nebenklägers mitsamt den Operationsnarben zutrifft, kann anhand der Urteilsgründe nicht nachgeprüft werden. Das Landgericht hat insoweit keine zur Charakterisierung der Narben ausreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird der neue Tatrichter nachzuholen und sodann rechtlich zu beurteilen haben, ob von einer dauernden und erheblichen Entstellung des Nebenklägers auszu-gehen ist. Eine Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zur Ergänzung der textlichen Tatsachenfeststellungen ist dabei zulässig.“

Wochenspiegel für die 20. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand.

Heute dann der Überblick für die 20. KW 2011, wobei ich gerade gedacht habe: Kinder, wie die Zeit vergeht, schon wieder 20 Wochen rum. Wir haben ja bald schon wieder Halbzeit. Na ja, war bisher ganz ok. Immerhin schon zwei Bücher auf den Weg gebracht, den “Ludovisy, 5. Aufl.” und mein “Vereinsrecht, 8. Aufl.” Beide kommen Ende Mai auf den Markt. Und zwei kommen noch. Aber dazu dann später mehr. Soll ja nicht zu viel Werbung werden :-).

Wir berichten also über:

  1. Über die TOP-Meldung der Woche: Die verhaftete Zeugin.
  2. Über Kachelmann natürlich auch, mal hier, hier.
  3. Gibt es eine Wachablösung durch SK?
  4. Über die Verhaftung eines 15 Jährigen wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge.
  5. Über Haftempfindlichkeit.
  6. Das mit dem Affen und dem Spiegel, das hätte ich mal versuchen sollen.
  7. Schreibt der Strafrechtler wirklich, wenn ihm was nicht passt.
  8. Mit wäre schon lieb, wenn der Autofahrer bremsen würde, wenn er durch eine Pfütze fährt…
  9. Über die Plagiatskultur.
  10. Und über den Tritt ins Gesicht.

Ernst August Prinz von Hannover – Verurteilung wegen Körperverletzung rechtskräftig

Das OLG Celle meldet:

OLG Celle: Revision von Ernst August Prinz von Hannover verworfen

Mit Beschluss hat das OLG Celle die Revision von Ernst August Prinz von Hannover gegen das Urteil des LG Hildesheim vom09.03.2010 einstimmig als offensichtlich unbegründet verworfen. Das landgerichtliche Urteil lässt nach Überprüfung durch den Strafsenat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Prinzen erkennen.

Entgegen der Ansicht des Angeklagten besteht danach kein Verfahrenshindernis wegen Fehlens eines wirksamen Strafantrags. Unerheblich ist, dass die Strafanzeige des Nebenklägers vom 31.01.2000 die von dem Angeklagten eingeräumten Ohrfeigen, auf die das LG die Verurteilung gegründet hat, ausspart. Entscheidend ist nach den Ausführungen des Senats, dass das abgeurteilte Geschehen als einheitlicher geschichtlicher Vorgang dem angezeigten Sachverhalt entspricht, auch wenn die Darstellung des Nebenklägers in wesentlichen Details von der des Angeklagten abweicht. Das LG hat die Darstellung des Nebenklägers in seiner Beweiswürdigung nicht ausschließen können, aber auch nicht als bewiesen angesehen. Daher ist das LG bei seiner Verurteilung nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ von dem von ihm im Wesentlichen eingeräumten Sachverhalt ausgegangen.

Der Senat stellt weiter klar, dass das von dem Angeklagten behauptete Verfahrenshindernis wegen fehlenden Strafantrags auch deswegen ausscheidet, weil die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ausdrücklich bejaht hat. Die weiteren Rügen des Angeklagten hat der Senat entweder als verspätet oder unbegründet erachtet. Insbesondere habe das LG bei der Strafzumessung die lange Verfahrensdauer berücksichtigt.

Das Urteil ist rechtskräftig, ein Rechtsmittel dagegen nicht mehr möglich.

Beschluss des OLG Celle vom 28.04.2011

AZ: 31 Ss 7/11

Die Reißzwecke unter der Ferse

Da werden der Geschädigten vom Angeklagten Reißzwecken unter die Fersen geklebt und sie wird gezwungen zu stehen. Man denket sofort an eine Körperverletzung „mittels eines gefährlichen Werkzeugs“. Der BGH sagt in seinem Beschl. v. 19.10.2010 – 4 StR 264/10: Nein, nur Körperverletzung. Denn:

„Im Fall II. 12 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte die Körperverletzung „mittels“ eines gefährlichen Werkzeugs begangen hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 -4 StR 589/09, NStZ 2010, 512 f.). Das körperliche Wohlbefinden der Geschädigten wurde nicht unmittelbar durch die unter ihre Fersen geklebten Reißzwecken erheblich beeinträchtigt, sondern dadurch, dass sie stundenlang gezwungen war, auf den vorderen Fußballen zu stehen. Der Angeklagte hat sich mithin nur der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Nötigung strafbar gemacht.“

Sehr fein ziseliert. Da sieht man, worauf ein Verteidiger alles achten muss.