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Gorch Fock-Verfahren” – keine Anklagen wegen fahrlässiger Tötung – hier sind die Volltexte

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Wir erinnern uns: Anfang September 2008 ist eine damals 18-jährige Offizieranwärterin über Bord des Segelschulschiffs Gorck Fock gegangen. Ihre Leiche wurde Tage später in der Nordsee treibend gefunden. Wegen dieses Vorfalls hat es staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegeben gegen früheren Kapitän der Gorch Fock und dem Schiffsarzt. Diese sind eingestellt worden. Die Angehörigen der Offiziersanwärterin haben dagegen Klageerzwingungsanträge eingereicht. Diese hatten keinen Erfolg (vgl. dazu auch schon unser Posting „Gorch Fock-Verfahren” – keine Anklagen wegen fahrlässiger Tötung„).

Inzwischen liegen mir die Volltext zu den beiden Beschlüssen des OLG Schleswig vor.

Der Klageerzwingungsantrag gegen den damaligen Kapitän ist aus formellen Gründen zurückgewiesen worden, und zwar mit der häufig anzutreffenden Begründung: Aus dem Antrag müsse für das OLG ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine inhaltliche Überprüfung möglich sein, ob ein hinreichender Tatverdacht für die Erhebung der öffentlichen Anklage vorliegt. Dies war hier nicht der Fall (OLG Schleswig, Beschl. v. 12.06.2012 – 1 Ws 203/12 113/12).

„Dem Senat ist eine inhaltliche Überprüfung der Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens ohne die Rückgriff auf die Akten unmöglich. Denn die Antragsteller haben den Sachverhalt unvollständig dargelegt, indem sie den Beschuldigten entlastende Umstände verschwiegen und teilweise Zeugenaussagen durch bewusste Auslassungen von entlastenden Umständen verfälscht wiedergegeben haben….“

Bei dem Schiffsarzt ist der Antrag daran gescheitert, dass die für den Fahrlässigkeitsvorwurf erforderliche Kausalität nicht festgestellt werden konnte (OLG Schleswig, Beschl. v. 12.06.2012 – 1 Ws 183/12 (97/12)

Bei Fahrlässigkeitsdelikten gehört neben der Kausalität im engeren Sinne, wonach eine Bedingung dann für den tatbestandlichen Erfolg ursächlich ist, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, die weitere Voraussetzung, dass der Unfall gerade auf der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Täters beruht (ständige Rechtsprechung, u. a. BGHSt 11, 7; OLG Karlsruhe JR 1985, 479, 480). Das wäre hier dann der Fall gewesen, wenn Dr. F. die Beschwerden von Jenny B. falsch bewertet hätte und sie gerade wegen ihrer Unterleibsbeschwerden oder wegen ihrer Neigung zum Einschlafen verunglückt wäre. Eine solche Feststellung ist aber nicht möglich, denn es sind zahlreiche weitere Kausalverläufe, die zum Überbordgehen von Jenny B. geführt haben könnten, denkbar.

Klageerzwingungsverfahren – Verschärfung in Celle droht

Jeder Rechtsanwalt, der sich mit dem sog. Klagerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO) befasst, weiß, wie schwierig es angesichts der strengen OLG-Rechtsprechung zu den formellen Voraussetzungen ist, einen zumindest zulässigen Antrag abzuliefern. Eine Zulässigkietsvoraussetzung ist wohl, dass der Antrag nach h.M. auch Angaben zur sog. Fristwahrung enthalten muss.

Für den OLG Bezirk Celle war nicht ganz eindeutig, ob das OLG Celle das auch so sieht. Dass das der Fall ist, hat der dortigen 1. Strafsenat jetzt im OLG Celle, Beschl. v. 18.01.2012 – 1 Ws 20/12 klar gestellt:

Der Senat neigt dazu, sich (entgegen OLG Celle NStZ 1989, 43) der in der Rechtsprechung überwiegenden Auffassung anzuschließen, nach der ein zulässiger Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO Angaben zum Einhalten der Frist enthalten muss.“

Also ein „Neigungsbeschluss“. Im entschiedenen Fall kam es auf die Frage nicht an, da der Antrag dort nach Auffassung des OLG schon aus anderen Gründen unzulässig war.

 

Klageerzwingungsverfahren: (Ausreichende) Begründung ist (zu) schwer

Es gibt nur wenige sog. Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO), die zulässig sind und dann ggf. noch zum Erfolg führen. Das hat zu tun mit der in diesem Bereich sehr strengen Rechtsprechung der OLG, die inzwischen an der ein oder anderen Stelle auch schon vom BVerfG beanstandet worden ist. Im Grunde ist es hier wie bei § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO: Die Hürden liegen hoch, wenn nicht sogar zu hoch. Denn die OLG gehen davon aus, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die zu deren Nachweis geeigneten Beweismittel angeben muss, und zwar so, dass es dem OLG ermöglicht werden soll, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft oder sonstige Unterlagen das Begehren auf seine Berechtigung zu überprüfen. Und da fällt dann immer wieder etwas ein, was fehlt :-(.

Dazu jetzt auch das OLG Köln, Beschl. v. 03.12.2010 – 1 Ws 146/10, in dem es um die Beihilfe eines Steuerberaters zur Insolvenzverschleppun ging. Gut, ist ja auch nicht so ganz einfach. Das OLG meint: Erfüllt das Verhalten eines steuerberatend Tätigen nicht den Straftatbestand der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung, sondern ist dessen Verhalten jedenfalls vor dem Hintergrund der Bereitschaft, eigenes Vermögen zur Rettung der GmbH einzusetzen, als noch „berufstypisch“ und „sozialadäquat” zu bewerten, so ist ein Klageerzwingungsverfahren des Insolvenzverwalters, unbegründet. Schöpft die Antragsschrift zur Zielrichtung des Handelns des Geschäftsführers und zum Kenntnisstand des Steuerberaters den Inhalt der Ermittlungsakten nicht zureichend aus, so ist der Klageerzwingungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

Den Steuerberater wird es gefreut habe. Den Antragsteller nicht.

OLG Dresden: Klageerzwingungsantrag im Verfahren Marwa Elsherbiny bleibt ohne Erfolg

Das OLG Dresden meldet mit PM vom19.01.2011 zum Beschluss des OLG Dresden vom 17.01.2011 in 1 Ws 188/10:

Die Mutter und der Bruder von Marwa Elsherbiny haben vor dem OLG Dresden beantragt, die Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Präsidenten des LG Dresden und gegen einen Vorsitzenden Richter dieses Gerichts (im Rahmen eines sog. Klageerzwingungsverfahrens) gerichtlich zu überprüfen. Diesen Antrag hat der 1. Strafsenat des OLG Dresden mit Beschluss als unzulässig verworfen.

Die ägyptische Staatsbürgerin Marwa Elsherbiny war am 01.07.2009 in der Hauptverhandlung am LG Dresden, in der sie als Zeugin in einem Strafverfahren gegen den dortigen Angeklagten ausgesagt hatte, von diesem ermordet worden. Ihr Ehemann hatte in der Folge gegen den Präsidenten des LG Dresden und den die Hauptverhandlung leitenden Vorsitzenden Richter Strafanzeige u.a. wegen fahrlässiger Tötung erstattet. Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte die eingeleiteten Ermittlungsverfahren eingestellt. Der daraufhin eingelegten Beschwerde des Ehemannes der Getöteten hatte die Generalstaatsanwaltschaft nicht stattgegeben. Hiergegen richtete sich nun der Klageerzwingungsantrag der Mutter und des Bruders der Getöteten. Ihr Antrag blieb ohne Erfolg.

Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte der 1. Strafsenat aus, den Antragstellern habe die Antragsbefugnis gefehlt, da nicht sie, sondern der Ehemann der Getöteten die Strafanzeige erstattet und gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Dresden Beschwerde eingelegt habe. Die Antragsteller seien bislang nicht als Anzeigeerstatter am Ermittlungsverfahren beteiligt gewesen. Eine Bevollmächtigung durch den Ehemann der Getöteten sei nach ihrem Vortrag nicht anzunehmen.