Schlagwort-Archive: Klageerzwingungsverfahren

Klageerzwingung III: Die Hürden sind (zu) hoch, oder: Das BVerfG hilft

 © hati - Fotolia.com

© hati – Fotolia.com

Die von den OLG aufgestellten Hürden, um einen zulässigen Klageerzwingungsantrag zu stellen, sind sehr hoch. Viele/die meisten Anträge scheitern daran, dass den OLG der Sachvortrag nicht ausreicht. So auch in einem dem BVerfG, Beschl. v. 21.10.2015 -2 BvR 912/15 zugrunde liegenden Klageerzwingungsverfahren in Hamburg. In dem hatte das OLG Hamburg in einem Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch zwei Ärzte das OLG den Antrag der Eltern des verletzten Kindes zurückgewiesen. Das BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde diese Zurückweisung als verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar angesehen:

Klageerzwingung I: Der Erbe als Antragsteller?

© reeel - Fotolia.com

© reeel – Fotolia.com

In meinem Blogordner haben sich einige Entscheidungen zum sog. Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO) 2 angesammelt, die ich heute dann mal posten will. Zum Aufwärmen 🙂 zunächst der OLG Bamberg, Beschl. v. 17.12.2015 – 3 Ws 47/15, der sich zur Antragsbefugnis des Erben und Pflichtteilsberechtigten im Klageerzwingungsverfahren verhält. Dazu schreibt das OLG die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung in der Frage noch eimal fest, was es in folgenden Leitsätzen festgehalten hat:

  1. Als zur Antragstellung berechtigter „Verletzter“ i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO kann nur derjenige angesehen werden, der durch die behauptete Straftat – ihre Begehung unterstellt – in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist (u.a. Festhaltung an OLG Bamberg, Beschl. v. 07.10.2008 – 3 Ws 60/08 = OLGSt StPO § 172 Nr. 47 und OLG Stuttgart Justiz 2010, 309).
  2. Der Erbe eines durch ein Vermögens- oder Eigentumsdelikt Geschädigten ist weder unmittelbar Verletzter i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO noch geht das höchstpersönliche Antragsrecht nach § 172 II StPO durch Erbfall auf ihn über. Dies gilt erst recht für den Inhaber eines lediglich schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Erben (u.a. Anschluss an OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2008 – 1 Ws 208/08 und v. 30.09.2008 – 1 WS 147/08 [bei juris]; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.05.2006 – 2 Ws 155/06 = SchlHA 2007, 286 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.1994 – 2 Ws 396/93 = wistra 1994, 155).

Der Verein im Klageerzwingungsverfahren, oder: Zivilrecht meets Strafrecht

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Wer meine Vita ein wenig kennt, weiß, dass ich „strafverfahrensrechtliche Vorkinder“ habe. Dazu gehört mein „Vereinrecht, Ein Leitfaden für Vereine und ihre Mitglieder“, das als Leitfaden für Vereinsmitglieder und Vorstände inzwischen in 9. Auflage erschienen ist. Und gerade wegen dieses Vorkindes interessieren mich Entscheidungen der Strafgerichte, die auch einen Bezug zum Vereinrecht haben, besonders.

In die Kategorie gehört der KG, Beschl. v. 09.11.2015 – 3 Ws 554/15, in dem es um einen (ausländischen) Verein im Klageerzwingungsverfahren ging. Der Antrag ist an den strengen Anforderungen für einen solchen Antrag gescheitert. Das KG fasst seine Entscheidung in folgenden Leitsätzen zusammen:

Betreibt ein ausländischer Verein das Klageerzwingungsverfahren, erfordert § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO Darlegungen zu den Vertretungsverhältnissen und zur Prozessfähigkeit (§ 56 ZPO).

Ein der Wahrnehmung palästinensischer Interessen verpflichteter Verein ist nicht Geschädigter (§§ 171, 172 StPO) einer Volksverhetzung. Denn das individualisierte Rechtsgut des § 130 StGB ist die Menschenwürde, die nur natürlichen Personen zukommt.  

Hat das Klageerzwingungsverfahren neben Privatklagedelikten auch ein Offizialdelikt zum Gegenstand, so ist der Antrag insgesamt unzulässig, wenn der Antrag in Bezug auf das Offizialdelikt unzulässig ist.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Gebühren im Klageerzwingungsverfahren?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

Am vergangenen Freitag hatte ich das Posting: Wie ist das mit den Gebühren im Klageerzwingungsverfahren? veröffentlicht, das mit der Frage abgeschlossen hat, ob die Abrechnung/Ansicht der Staatskasse in dem Sache richtig war. Nun, dazu gibt es einen Beschluss, nämlich den OLG Koblenz, Beschl. v. 08.08.2014 – 1 Ws 56/14. Und: M.E. nur zum Teil richtig,w as das OLG da gemacht hat. Dazu kurz:

  • Zutreffend ist der Ansatz des OLG, dass es sich bei den „durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten“ i.S. des § 177 StPO, die von einer Kostenentscheidung des OLG nach § 177 StPO erfasst werden, immer nur um die im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung/Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO entstandenen Kosten handeln kann. Die demgegenüber vom Kollegen in der Frage und auch gegenüber dem OLG vertretene andere Auffassung, dass sich nämlich die Kostenentscheidung des OLG nicht lediglich auf das Klageerzwingungsverfahren, sondern auf das gesamte Strafverfahren beziehe, würde dem Wortlaut der Vorschrift des § 177 StPO widersprechen.
  • Zutreffend ist die Entscheidung des OLG auch noch insoweit, wenn ihr (inzidenter) die Annahme zugrunde liegt, dass auch der Verteidiger des Beschuldigten im Klageerzwingungsverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet und für ihn grds. die Gebühren Nr. 4100, 4104 VV RVG entstehen. Zutreffend ist es auch, wenn das OLG davon ausgeht, dass dann, wenn der Rechtsanwalt den Beschuldigten zuvor auch schon im Ermittlungsverfahren verteidigt hat, für dessen Tätigkeiten im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO nicht zusätzliche Gebühren entstehen. Vielmehr werden diese Tätigkeiten – ebenso wie z.B. Tätigkeiten des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren durch die allgemeinen Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG mitabgegolten.
  • Unzutreffend ist die Entscheidung des OLG aber, wenn einfach festgestellt wird, dass „keine durch das Klageerzwingungsverfahren veranlassten erstattungsfähigen Gebühren angefallen“ seien. Richtig ist, dass keine besonderen Gebühren(tatbestände) angefallen sind und die Tätigkeit des Verteidigers im Klageerzwingungsverfahren durch die für seine Tätigkeiten im (Ermittlungs)Verfahren entstandene (Verfahrens)Gebühr Nr. 4100 VV RVG abgegolten wird. Das OLG übersieht aber, dass die Tätigkeit im Klageerzwingungsverfahren zu einem Mehraufwand des Verteidigers geführt hat, der im Zweifel zur Folge hat, dass deshalb die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG höher innerhalb des Rahmens zu bemessen ist als sie ohne diese Tätigkeiten zu bemessen wäre. Insoweit gilt dasselbe wie für die Abrechnung von Beschwerden im Bereich von Teil 4 VV RVG. Das OLG hätte also die sog. Differenztheorie anwenden und einmal die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG mit Klageerzwingungsverfahren und einmal ohne Klageerzwingungsverfahren ermitteln müssen Der Unterschiedsbetrag wären durch das Klageerzwingungsverfahren veranlasste erstattungsfähige Gebühren i.S. des § 177 StPO gewesen und würden durch die Kostenentscheidung des OLG erfasst und wären damit von der Antragstellerin zu erstatten.

Gorch Fock-Verfahren” – keine Anklagen wegen fahrlässiger Tötung – hier sind die Volltexte

© Gabriele Rohde – Fotolia.com

Wir erinnern uns: Anfang September 2008 ist eine damals 18-jährige Offizieranwärterin über Bord des Segelschulschiffs Gorck Fock gegangen. Ihre Leiche wurde Tage später in der Nordsee treibend gefunden. Wegen dieses Vorfalls hat es staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegeben gegen früheren Kapitän der Gorch Fock und dem Schiffsarzt. Diese sind eingestellt worden. Die Angehörigen der Offiziersanwärterin haben dagegen Klageerzwingungsanträge eingereicht. Diese hatten keinen Erfolg (vgl. dazu auch schon unser Posting „Gorch Fock-Verfahren” – keine Anklagen wegen fahrlässiger Tötung„).

Inzwischen liegen mir die Volltext zu den beiden Beschlüssen des OLG Schleswig vor.

Der Klageerzwingungsantrag gegen den damaligen Kapitän ist aus formellen Gründen zurückgewiesen worden, und zwar mit der häufig anzutreffenden Begründung: Aus dem Antrag müsse für das OLG ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine inhaltliche Überprüfung möglich sein, ob ein hinreichender Tatverdacht für die Erhebung der öffentlichen Anklage vorliegt. Dies war hier nicht der Fall (OLG Schleswig, Beschl. v. 12.06.2012 – 1 Ws 203/12 113/12).

„Dem Senat ist eine inhaltliche Überprüfung der Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens ohne die Rückgriff auf die Akten unmöglich. Denn die Antragsteller haben den Sachverhalt unvollständig dargelegt, indem sie den Beschuldigten entlastende Umstände verschwiegen und teilweise Zeugenaussagen durch bewusste Auslassungen von entlastenden Umständen verfälscht wiedergegeben haben….“

Bei dem Schiffsarzt ist der Antrag daran gescheitert, dass die für den Fahrlässigkeitsvorwurf erforderliche Kausalität nicht festgestellt werden konnte (OLG Schleswig, Beschl. v. 12.06.2012 – 1 Ws 183/12 (97/12)

Bei Fahrlässigkeitsdelikten gehört neben der Kausalität im engeren Sinne, wonach eine Bedingung dann für den tatbestandlichen Erfolg ursächlich ist, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, die weitere Voraussetzung, dass der Unfall gerade auf der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Täters beruht (ständige Rechtsprechung, u. a. BGHSt 11, 7; OLG Karlsruhe JR 1985, 479, 480). Das wäre hier dann der Fall gewesen, wenn Dr. F. die Beschwerden von Jenny B. falsch bewertet hätte und sie gerade wegen ihrer Unterleibsbeschwerden oder wegen ihrer Neigung zum Einschlafen verunglückt wäre. Eine solche Feststellung ist aber nicht möglich, denn es sind zahlreiche weitere Kausalverläufe, die zum Überbordgehen von Jenny B. geführt haben könnten, denkbar.