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Pflichti III: Bestellung in der Strafvollstreckung, oder. Exequaturverfahren und inhaftierter Mandant

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Und dann zum Tagesschluss und zum Ende des „Pflichtverteidigungsmarathons“ noch zwei Beschlüsse zur Bestellung eines Pflichtverteidigers im (Straf)Vollstreckungsverfahren.

Zunächst der KG, Beschl. v. 03.02.2022 – 2 Ws 12/22 -, der sich zur  Bestellung im sog. Exequaturverfahren nach dem IRG ablehnend äußert:

„Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers liegen nicht vor; der entsprechende Antrag des Beschwerdeführers war daher abzulehnen.

Im Vollstreckungsverfahren hat sich der Gesetzgeber darauf beschränkt, für wenige Einzelfälle – vor allem in Bezug auf die Sicherungsverwahrung (vgl. § 463 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 8 StPO) – die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorzuschreiben. Jenseits dessen wendet die Rechtsprechung die für das Erkenntnisverfahren geltende Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO entsprechend an, wenn und soweit dies verfassungsrechtlich geboten ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Verfahren außergewöhnliche Schwierigkeiten aufweist oder der Verurteilte aufgrund besonderer, in seiner Person liegender Umstände ersichtlich nicht in der Lage ist, sich selbst angemessen zu äußern (vgl. Senat NJW 2015, 1897 und Beschluss vom 11. Februar 2015 – 2 Ws 29/15 – m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Vollstreckungsverfahren nur ausnahmsweise vor, weil dieses – anders als das Erkenntnisverfahren – nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist. Der Verurteilte muss sich hier auch nicht gegen einen Tatvorwurf verteidigen, vielmehr ist das Vollstreckungsgericht an die rechtskräftigen Feststellungen des Tatrichters in dem der Vollstreckung zugrunde liegenden Urteil gebunden. Schließlich ergehen im Vollstreckungsverfahren gerichtliche Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung (vgl. dazu Senat a.a.O. m.w.N.). Insgesamt besteht danach im Vollstreckungsverfahren in deutlich geringerem Maße ein Bedürfnis für die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers. Maßgeblich ist letztlich, in welchem Umfang die vollstreckungsrechtliche Entscheidung in die Rechte des Verurteilten eingreift.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe sind vorliegend die Voraussetzungen für eine Beiordnung ersichtlich nicht gegeben. Das Beschwerdeverfahren wirft angesichts der eindeutigen Rechtslage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Fragen auf, die über die Probleme hinausgehen, die in einem die Anrechnung von Haftzeiten betreffenden Verfahren regelmäßig zu beurteilen sind. Schwierige Fragestellungen – etwa psychiatrischer Art –, die das Verständnis des Verurteilten und seine Fähigkeit über-stiegen, sich damit angemessen auseinanderzusetzen (vgl. Senat NStZ-RR 2006, 211 und Beschluss vom 23. September 2005 – 5 Ws 469-470/05 –), fehlen.

Es ist auch nicht über eine sehr lange (Rest-)Strafdauer zu entscheiden, die für eine Pflichtverteidigerbestellung sprechen könnte. Zwar beträgt die in Deutschland zu ver-büßende Restfreiheitsstrafe 7396 Tage. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch nicht diese – rechtskräftig verhängte – (Rest-)Strafe, sondern lediglich der Anrechnungsmaßstab der nach der Entscheidung des Landgerichts vom 12. Mai 2020 auf die Strafe anzurechnenden ausländischen Haft. Ungeachtet dessen ist die von der Rechtsprechung für die Pflichtverteidigerbestellung im Erkenntnisverfahren als bedeutsam erachtete Grenze von einem Jahr Freiheitsstrafe aus den vorgenannten Gründen nicht ohne weiteres auf das Vollstreckungsverfahren übertragbar (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. April 2016 – 2 Ws 111/16 – und vom 11. Februar 2015 – 2 Ws 29/15 –). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer, der sich in seinem Antrag auf Neuberechnung der Strafzeit selbst ausführlich und nachvollziehbar zur Sache geäußert hat, aufgrund persönlicher Defizite nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, fehlen.“

Und dann noch der LG München I, Beschl. v. 16.10.2020 – 23 Qs 30/20. Er ist schon etwas älter, aber in der Begründung interessant. Das LG München I hat beigeordnet und begründet das wie folgt:

„Der rechtliche Anknüpfungspunkt ist § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO. Nach dieser Vorschrift ist dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn der Beschuldigte sich aufgrund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet. Hierunter ist insbesondere auch die Strafhaft zu verstehen (Schnitt In Meyer-Goßner/Schmitt, 63. Aufl., StPO § 140 Rn. 16). Zwar regelt diese Vorschrift die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Erkenntnisverfahren, sie findet jedoch im Strafvollstreckungs- bzw. im Bewährungsverfahren entsprechende Anwendung, soweit dies im Lichte der Besonderheiten des Bewährungs- und Vollstreckungsverfahrens geboten ist. Die Rechtsmittelmöglichkeiten des Verurteilten sind hier aufgrund der öffentlichen Zustellung des Widerrufsbeschlusses – wie bereits dargestellt – stark eingeschränkt und mit der Inhaftierung weiter in tatsächlicher Hinsicht – auch weiter durch die besonderen Quarantäneregelungen während der andauernden Covid-19-Pandemie beschnitten, sodass die Beiordnung hier im konkreten Einzelfall auch im Licht der Besonderheiten des konkreten Bewährungsverfahrens geboten ist.“