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Strafzumessung I: Strafzumessung bei mehreren Angeklagten, oder: Gleichbehandlung?

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Heute bringe ich dann drei Strafzumessungsentscheidungen.

Ich eröffne den Bericht mit dem BGH, Urt. v. 05.06.2019 – 2 StR 40/19, das eine erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft zum Gegenstand hat. Das LG hat die Angeklagten jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten F. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten W. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Dagegen richtet sich die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft.

Die hatte Erfolg. Der BGH beanstandet u.a. eine zugunsten des Angeklagten F. falsche Strafrahmewahl.

„1. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten F.   weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Vorteil auf, weil die Gleichbehandlung der Angeklagten bei der Strafrahmenwahl nicht nachzuvollziehen ist.
a) Zwar ist bei mehreren Tatbeteiligten jeder nach dem Maß seiner Schuld abzuurteilen, so dass die Revision grundsätzlich nicht auf einen Vergleich der Strafzumessung hinsichtlich verschiedener Täter gestützt werden kann. Anders liegt es jedoch ausnahmsweise, wenn es an einer nachvollziehbaren Begründung für eine Gleichbehandlung verschiedener Täter trotz erheblich unterschiedlicher Strafzumessungssachverhalte geht und die Berechtigung dieses Ergebnisses auch nicht aus den sonstigen Urteilsfeststellungen geschlossen werden kann (vgl. für den umgekehrten Fall der Ungleichbehandlung bei gleicher Sachlage Senat, Beschluss vom 11. August 2010 – 2 StR 318/10, StV 2010, 677, 678).
b) Nach diesem Maßstab ist die Anwendung von § 250 Abs. 3 StGB auf den Angeklagten F.   rechtsfehlerhaft.
aa) Das Landgericht hat ausgeführt, erst „unter zusätzlicher Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte W.    bei der Begehung der Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne von § 21 StGB vermindert war“, sei die Anwendung des § 250 Abs. 3 StGB gerechtfertigt. Danach bleibt unverständlich, warum dies bei dem Angeklagten F.   möglich sein soll, obwohl bei diesem die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht vorlagen.
bb) Auch die sonstigen Feststellungen vermögen die Anwendung von § 250 Abs. 3 StGB auf den Angeklagten F.   trotz Fehlens eines vertypten Milderungsgrundes nicht zu erklären. Der zur Tatzeit 54-jährige Angeklagte F.   war Initiator der Tat, er ist deutlich älter als der zur Tatzeit 23-jährige Angeklagte W.     und wesentlich stärker vorbestraft; auch hat er die Tat kurz nach seiner letzten Haftentlassung begangen und war bei allen Teilakten der Tatbegehung führend. Demgegenüber reicht der Hinweis des Landgerichts, dem Angeklagten W.      sei der Geschädigte bis zur Tat „völlig unbekannt“ gewesen und er habe seinen Tatentschluss „ohne jeden nachvollziehbaren Grund“ gefasst, nicht aus, um die Gleichbehandlung bei der Anwendung des § 250 Abs. 3StGB trotz unterschiedlicher Sachlagen hinsichtlich des vertypten Milderungsgrundes nach § 21 StGB zu erklären.“

Und:

„2. Die Strafzumessung im engeren Sinne begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat wesentliche, im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmende Strafzumessungstatsachen zum Vorteil der Angeklagten außer Betracht gelassen.

Das Landgericht hat bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte F.   dem Geschädigten nicht nur Geld und Drogen weggenommen hat, sondern auch Waffen, nämlich zwei Teleskopschlagstöcke und einen Faustdolch. Dem Angeklagten W.     , der sich seinerseits Drogen verschafft hat, hat der Angeklagte F.    noch „vor Verlassen des Anwesens“ einen Teleskopschlagstock übergeben. Nach diesen Feststellungen verschafften sich beide Angeklagten Betäubungsmittel (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) und sie führten bei der Tatbegehung Waffen mit sich (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB). Darin liegt jeweils ein bestimmender Strafzumessungsgrund, den das Landgericht nicht in seine Abwägung einbezogen hat.“

Strafzumessung III: Mehrere Angeklagte, oder: Gleichbehandlung erforderlich

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Strafzumessung bei mehrere Angeklagten ist nicht so ganz einfach. Zu der Problemati hate es vor einigen Jahren Rechtsprechung des BGH gegeben, die nun der BGH, Beschl. v. 03.11.2016 – 2 StR 363/16 – noch einmal ins Gedächtnis gerufen hat. Das LG Bonn hatte den Angeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten nebst Wertersatzverfall, den Angeklagten H. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dem BGH „passen“ die beiden Strafaussprüche nicht:

„….. Hingegen begegnen die sie betreffenden Strafaussprüche durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Bei Aburteilung mehrerer Beteiligter an derselben Tat durch dasselbe Gericht in demselben Verfahren müssen die jeweiligen Strafmaße in einem sachgerechten, nachprüfbaren Verhältnis zur Strafe anderer Beteiligter stehen (vgl. etwa BGH StV 2011, 725; 2011, 725, 726; s. auch BGHSt 56, 262, 263). Auch wenn es keinen allgemeinen Anspruch auf Gleichbehandlung gibt (s. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 46 Rn. 23), gilt dies – mit Einschränkungen – doch auch dann, wenn in einem Verfahren im Kern vergleichbare Tatvorwürfe gegen verschiedene Beteiligte abgeurteilt werden. Insoweit muss sich den Urteilsgründen hinreichend entnehmen lassen, dass der Strafbemessung gegen mehrere Angeklagte der gleiche Maßstab zugrunde liegt und die gegen sie verhängten Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen.

Diesem Maßstab wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen eines im Kern vergleichbaren Tatvorwurfs, dem Anbau von Marihuana in einer Indoorplantage, jeweils zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dies lässt sich anhand des festgestellten Sachverhalts und der mitgeteilten Strafzumessungserwägungen nicht mehr nachvollziehen. Der Betrieb der von dem Angeklagten H. betriebenen Plantage im Fall C.I der Urteilsgründe war auf eine Menge gerichtet, die die nicht geringe Menge um mehr als das 900fache überschritt, während der Anbau durch den Angeklagten K. im Fall C.II (2. Ernte) eine Betäubungsmittelmenge von 450fachen der nicht geringen Menge erbrachte. Dass die Strafkammer für diese Taten mit maßgeblich unterschiedlichen Wirkstoffmengen die gleiche Strafe verhängt hat, obwohl die weiter angeführten Strafzumessungserwägungen beide Angeklagte in gleicher Weise betreffen (Geständnis, weiche Droge, Untersuchungshaft zu ihren Gunsten und erheblicher Aufwand an Arbeit und Kapital sowie großes Maß an krimineller Energie zu ihren Lasten), ist nicht nachzuvollziehen, auch wenn im Fall C.I die Betäu-bungsmittel sichergestellt werden konnten. Dies gilt umso mehr, als das Landgericht zusätzlich beim Angeklagten K. berücksichtigt hat, dass er als Marihuanakonsument eher tatgeneigt sei, und er zudem länger als der Angeklagte H. Untersuchungshaft verbüßt hat.“

Also: Gerecht muss die Strafzumessung bei mehreren Angeklagten sein………….