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Strafzumessung III: Geringerer Schuldumfang, gleich hohe Strafe, oder: Urteilsgründe

entnommen openclipart.org

Im letzten Posting komme ich dann noch einmal auf den KG, Beschl. v. 14.07.2020 – (4) 161 Ss 33/20 (43/20) zurück. Über den hatte ich ja schon gestern wegen der Vom KG entschiedenen materiellen Frage zur Beleidigung berichtet.

In dem Beschluss hat das KG dann aber auch noch einmal zur Strafzumessung im Berufungsverfahren Stellung genommen. Stichwort: Verringerung des Schuldumfangs aber gleich hohe Strafe. Das KG führt dazu aus:

„3. Jedoch begegnet die Strafzumessung nach den insoweit geltenden Rechtsgrundsätzen (vgl. Senat aaO) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Die Strafkammer hat – insoweit rechtsfehlerfrei – zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser unbestraft ist und die Tat bereits eineinhalb Jahre zurückliegt.

b) Sie hat ferner ausgeführt, zu Gunsten des Angeklagten spreche, dass er infolge des hier verfahrensgegenständlichen Fehlverhaltens nicht in den Polizeidienst übernommen wurde und sich nun beruflich umorientieren muss. Die festgesetzte Tagessatzanzahl lässt hingegen besorgen, dass die Strafkammer diese Aspekte tatsächlich nicht (ausreichend) berücksichtigt hat. Es handelt es sich hierbei um besonders gewichtige Strafmilderungsgründe. Der Angeklagte hat infolge der Tat nicht nur seinen Arbeitsplatz verloren, sondern kann darüber hinaus in seinem erlernten Beruf gar nicht mehr arbeiten. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass diese besonders gewichtigen Strafmilderungsgründe erst im September 2019, somit nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils, eingetreten sind. Anhaltpunkte dafür, dass bereits das Amtsgericht Tiergarten den Eintritt dieser gravierenden negativen Folgen erwartet und vorgreiflich in die Strafzumessung hat einfließen lassen, bestehen nicht. Strafschärfende Aspekte, die das erhebliche Gewicht dieser neu hinzugekommenen Milderungsgründe relativieren, hat die Strafkammer nicht benannt. Gleichwohl hat die Strafkammer dieselbe Tagessatzanzahl festgesetzt und auf die veränderte Lebenssituation des nun von Sozialleistungen lebenden Angeklagten nur mit einer Reduzierung der Tagessatzhöhe reagiert.

Dies ist in der vorliegenden Fallkonstellation erklärungsbedürftig. Die Bewertung der Tat und die Strafzumessung in der ersten Instanz sind zwar kein Maßstab für die Strafzumessung im Berufungsverfahren, weshalb eine Herabsetzung der Strafe im Fall der Verringerung des Schuldumfangs bzw. des Hinzutretens neuer Milderungsgründe nicht zwingend ist. Erforderlich ist aber eine Begründung. Der Angeklagte hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, warum er trotz Hinzukommens erheblicher Strafmilderungsgründe gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH NJW 1983, 54 und NStZ-RR 2013, 113; Kammergericht, Beschluss vom 7. Juli 1997 – [3] 1 Ss 124/97 [52/97] – [juris] m.w.N.; OLG München NJW 2009, 160; OLG Bamberg NStZ-RR 2012, 138 m.w.N.). Die besondere Begründung einer solchen Strafzumessung ist auch deshalb erforderlich, weil anderenfalls die spezialpräventive Wirkung der Verurteilung von vornherein in Frage gestellt sein kann. Wird in verschiedenen Abschnitten ein und desselben Verfahrens die Tat eines Angeklagten trotz unterschiedlicher für die Strafzumessung bedeutsamer Umstände ohne ausreichende Begründung mit der gleich hohen Strafe belegt, so kann auch bei einem verständigen Angeklagten der Eindruck entstehen, dass die Strafe nicht nach vom Gesetz vorgesehenen oder sonst allgemein gültigen objektiven Wertmaßstäben bestimmt wurde (vgl. BGH aaO; OLG München aaO). Eine Begründung der Verhängung einer identischen Strafe trotz wesentlicher Veränderung der für die Strafzumessung relevanten Gesichtspunkte ist allenfalls in Ausnahmefällen entbehrlich, in denen eine Gefährdung der spezialpräventiven Wirkung ausgeschlossen erscheint, weil etwa die durch den Vorderrichter verhängte Strafe offensichtlich im unteren Bereich des Vertretbaren gelegen hatte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. April 2016 2 [6] Ss 110/16 – AK 41/16 [juris] m.w.N.; OLG Bamberg aaO m.w.N.). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

c) Weiter heißt es in den Urteilsgründen: „Im Übrigen hat die Strafkammer insbesondere das Tatbild gewürdigt.“ Diese Ausführung ist einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Ihr lässt sich noch nicht einmal entnehmen, ob das Tatbild zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt wurde. Der Senat verkennt nicht, dass es Fälle geben mag, in denen das Tatbild derart außergewöhnlich oder besonders ist, dass auch ohne weitere Erläuterungen erkennbar ist, welche Gesichtspunkte in die Strafzumessung eingeflossen sind. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Es erschließt sich nicht, welche Aspekte der hier verfahrensgegenständlichen Tat vom Regelbild derart abweichen, dass sie gesondert in die Strafzumessung eingeflossen sind. Strafschärfende Gesichtspunkte drängen sich nach den Feststellungen jedenfalls nicht auf. Der Senat kann nicht ausschließen, dass im Rahmen der Würdigung des Tatbildes einzelne Aspekte zum Nachteil des Angeklagten in die Strafzumessung eingeflossen sind, die nicht hätten strafschärfend berücksichtigt werden dürfen.

d) Insbesondere kann der Senat – auch im Hinblick darauf, dass die Strafkammer lange Ausführungen zum bedingten Vorsatz des Angeklagten gemacht hat – nicht ausschließen, dass strafschärfend bewertet wurde, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung von zwei Personen gehört und dies vom Angeklagten auch billigend in Kauf genommen wurde. Vorbehaltlich ergänzender Feststellungen durch die neue Strafkammer ist derzeit davon auszugehen, dass der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet war, seine Äußerung nur einer Person, nämlich dem Zeugen K – bei dem er aufgrund der zumindest guten Freundschaft davon ausgehen konnte, dass dieser die Bemerkung für sich behalten werde – zu Gehör zu bringen.“

Strafzumessung: „mir tut leid, was damals passiert ist…“ – Strafmilderung?

© Dan Race Fotolia .com

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Drei Punkte hatte der BGH im BGH, Beschl. v. 08.12.2015 – 3 StR 416/15 an der landgerichtlichn  Strafzumessung zu beanstanden. Verurteilt worden ist der Angeklagte u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs vom LG Mönchengladbach zu einer Freiheitsstraße von drei Jahren und neun Monaten: Der BGH beanstandet u.a. , dass das LG teilweise den falschen Strafrahmen gewählt hat, und darüberhinaus:

Zunächst: Festgestellt wird einer der „Strafzumesssungsklassiker“, nämlich:

„Wird ein Urteil auf ein Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten im Strafausspruch aufgehoben und vermag der neue Tatrichter Feststellungen nicht zu treffen, die im ersten Rechtszug als bestimmende Zumessungstat-sachen strafschärfend herangezogen worden waren, hält er aber dennoch eine gleich hohe Strafe für erforderlich, so hat er nach ständiger Rechtsprechung seine Entscheidung eingehend zu begründen; denn die ursprüngliche Bewer-tung der Tat und die Strafzumessung in der aufgehobenen Entscheidung sind zwar kein Maßstab für die neue Bemessung der Strafe, jedoch hat der Angeklagte einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er trotz des Wegfalls eines Strafschärfungsgrundes nun gleich hoch bestraft wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2012 – 3 StR 439/12, StV 2013, 758, 759; vom 28. April 2015 – 3 StR 92/15, NStZ-RR 2015, 207 jeweils mwN).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat keine Begründung für die Verhängung gleich hoher Strafen gegeben, obwohl es weitere, nicht angeklagte Missbrauchstaten des Angeklagten zum Nachteil des Geschädigten in die Strafzumessung nicht eingestellt hat. Hinzu kommt, dass es im Gegensatz zum Tatrichter des ersten Verfahrens keine – einschlägige – Vorverurteilung mehr feststellen konnte. Außerdem lagen die zwischen 2004 und 2007 begangenen Straftaten nunmehr um noch ein Jahr länger zurück…

Und dann ein weiterer klassischer Fehler:

„3. Darüber hinaus unterliegt die Strafzumessung einer weiteren Beanstandung. Denn die Begründung, mit der das Landgericht der über seinen Verteidiger abgegebenen Erklärung des Angeklagten, dass ihm leid tue, was damals passiert sei, eine strafmildernde Bedeutung abgesprochen hat, hält recht-licher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat ausgeführt, dass dem An-geklagten im Hinblick auf diese Erklärung weder ein Geständnis noch Reue zugutegehalten werden könnten. Insbesondere weil der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gestanden habe, könne auch nicht „unterstellt werden“, dass er die Taten mit dieser Erklärung habe einräumen wollen noch dass er diesbezügliche Reue zum Ausdruck ge-bracht habe. Damit hat die Strafkammer – ungeachtet ihrer Beteuerung, das Nichtvorliegen eines Geständnisses „selbstverständlich“ nicht zu seinen Lasten verwertet zu haben – das Schweigen des Angeklagten zur Sache zu seinem Nachteil verwendet. Denn sie hat wegen des mangelnden Geständnisses des Angeklagten seiner Erklärung des Bedauerns über die Vorfälle keine strafmildernde Bedeutung zugemessen.“