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Der unzulässige Deal: Geständnis gegen „Absehen von U-Haft“

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Im U-Haftrecht kennen wir die Diskussion um die sog. apokryphen Haftgründe, also andere als in § 112 StP0 im Gesetz normierte Gründe für die Anordnung der U-Haft, die im Verborgenen schlummern. Wir kennen auch die Diskussion und den plakativen Satz: U-Haft schafft Rechtskraft. Mit einer Fallkonstellation, die darüber noch hinausging, hatte sich vor einiger Zeit das OLG Köln im OLG Köln, Beschl. v. 24.06.2013 – 2 Ws 264/13 – zu befassen.

Dort hatte der Beschuldigte ein Geständnis abgelegt. Das hatte das LG aber wegen eines Verstoßes gegen § 136a Abs. 1 Satz 3 StPO als unverwertbar angesehen und deshalb die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschuldigten abgelehnt. Das LG ist davon ausgegangen, dass dem Angeschuldigten, gegen den der Haftgrund der Fluchtgefahr  zum Zeitpunkt dessen Festnahme vorgelegen habe, ein i.S. des § 136a StPO unzulässiger Vorteil versprochen worden sei, und zwar: „Der Angeschuldigte habe gegenüber dem ihn vernehmenden Polizeibeamten seine Aussagebereitschaft von dem Nichtergehen eines Untersuchungshaftbefehls abhängig gemacht.  Der Vernehmungsbeamte habe daraufhin mit der Staatsanwaltschaft Rücksprache gehalten und ihm anschließend erklärt, dass kein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt werde. Diese Vorgehensweise habe das Versprechen eines nicht vorgesehenen Vorteils beinhaltet“.

Das hat die Staatsanwaltschaft natürlich nicht hingenommen und ist in die Beschwerde gegangen. Damit hatte sie aber beim OLG keinen Erfolg:

Nach dem Inhalt der vorbezeichneten Vermerke ist der in Aussicht gestellte Vorteil (der „Nichtinhaftierung“) mit dem Erfordernis eines Geständnisses verknüpft worden, indem seitens der Ermittlungsbehörden eine nach Maßgabe des § 136a Abs. 1 Satz 3  Alt. 2 StPO unzulässige enge Verbindung zwischen einem Geständnis und einer Entlassung gezogen worden ist. Dies ergibt sich schon aus der Formulierung unter Ziffer 04 des polizeilichen Abschlussvermerks vom 02.01.2013, nach dem auf den Antrag auf Untersuchungshaft „insbesondere“ verzichtet worden sei, „da der Tatverdächtige im Rahmen des Vorgesprächs bereits signalisiert hatte, nur ein Geständnis abzulegen, wenn er nicht in Untersuchungshaft ginge“. Dafür spricht auch die Formulierung in dem nach Anklageerhebung auf Veranlassung der Strafkammer gefertigten dritten Vermerk vom 28.01.2013, wonach die geständige Einlassung des Beschuldigten die Begründung „untermauert“, dass er sich dem Verfahren stellt und sich nicht durch Flucht entziehen will. Bereits diese Formulierungen stehen im Widerspruch zu den Ausführungen in der Beschwerdebegründung, nach der die Auskunft, es werde von der Beantragung eines Haftbefehls abgesehen werden, nicht mit der geständigen Einlassung verknüpft, sondern ausschließlich aufgrund der Prüfung und Verneinung der Haftgründe durch den zuständigen Staatsanwalt erfolgt sei.

Die Darstellung der Beschwerdebegründung überzeugt aus weiteren Gründen nicht. Aus den von der Strafkammer zutreffend aufgeführten Gründen hat der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO – auch bereits zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme und der Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei – objektiv vorgelegen; auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kammer, die neben der konkreten Straferwartung auf die laufenden Bewährungen verwiesen hat, mit deren Widerruf der Angeschuldigte rechnen musste, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Von Fluchtgefahr ist offenbar auch die Polizei selbst ausgegangen, die den Beschuldigten im Anschluss an die Wohnungsdurchsuchung am 19.12.2012 vorläufig festgenommen hat. Zum Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme war der Angeschuldigte nicht auf frischer Tat betroffen oder verfolgt worden, so dass für die vorläufige Festnahme allein der Festnahmegrund des § 127 Abs. 2 StPO in Betracht kam. Der Hinweis der Staatsanwaltschaft Köln, für die vorläufige Festnahme gemäß § 127 StPO genüge ein Fluchtverdacht, geht insoweit fehl, als dass das Vorliegen eines Fluchtverdachts nur für den Fall einer vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO, nicht aber für den hier einschlägigen Festnahmegrund des § 127 Abs. 2 StPO genügt (vgl. Karlsruher Kommentar-Schultheiß, a.a.O., § 127 Rn. 16, 36 Meyer-Goßner, a.a.O., § 127 Rn. 9 f, 18). Für eine Festnahme auf Grundlage der letztgenannten Vorschrift ist das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 112 f., 126 a StPO erforderlich.“

Das „vorgegebene“ Geständnis in der Revision

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In einem Verfahren wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung u.a., in dem es offenbar zu einer Verständigung (§ 257c StPO) gekommen ist, rügt die Angeklagte später, „ihr sei durch die Strafkammer ein Geständnis „vorgegeben“ worden“. Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 08.08.2013 – 5 StR 312/13 – diese Rüge als unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO angesehen, und zwar

„Denn es wird schon nicht vorgetragen, dass ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden, der die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten ist, bereits am 22. Verhandlungstag Gespräche über eine Verständigung geführt worden waren, in deren Rahmen die Verteidigung an einer Bekanntgabe einer Auflistung zu den Standpunkten der Strafkammer nach dem bisherigen Beweisergebnis interessiert gewesen war; diese hat die Strafkammer der Verteidigung dann zur Verfügung gestellt. Ferner hätte die Beschwerdeführerin zum Inhalt ihrer am 23. Verhandlungstag nach den Vorschlägen des Gerichts abgegebenen Erklärung vortragen müssen. Denn insoweit handelte es sich ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 34) nicht lediglich um ein sogenanntes „Formalgeständnis“; vielmehr hat die Angeklagte darin unter anderem Reue bekundet und die Gründe für ihr deliktisches Verhalten zum Nachteil der Nebenklägerin zu erklären versucht.“


Hoch her geht es offenbar beim LG Mönchengladbach – das Geständnis als Folge einer Ingewahrsamnahme?

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Ich hatte vor einigen Tagen über den dem BGH, Beschl. v. 18.09.2012 – 3 StR 348/12 – berichtet, in dem der BGH sich u.a. mit der Frage der Beschränkung von Verteidigerrechten befasst hatte. Ich erinnere: der Vorsitzende der Strafkammer hatte dort einen Antrag des Angeklagten einfach zerrissen (vgl. hier: “und reichte den …. Antrag dem Vorsitzenden, den dieser zerriss” – so bescheidet man Anträge in Mönchengladbach).

Der BGH, Beschluss befasst sich aber nicht nur mit der Frage, sondern auch noch mit folgender Vorgehensweise: Der Angeklagte A. lässt sich zur Sache ein. Nach dieser Einlassung lässt der Vorsitzende alle vier anderen zu diesem Zeitpunkt von ihrem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten während einer Sitzungsunterbrechung in Gewahrsam nehmen. Die machen dann einen Verstoß gegen § 136a StPO geltend. Im Ergebnis ohne Erfolg. M.E. merkt man dem BGH, Beschluss aber an, dass dem BGH (auch) diese Vorgehensweise nicht passt.

c) Die vom Angeklagten S. erhobene Verfahrensrüge, die Kammer habe ihn sowie den Angeklagten A. durch Täuschung und unzulässigen Zwang (§ 136a Abs. 1 StPO) zu Einlassungen veranlasst, hat im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg.

Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass aus sich heraus nicht ohne Weiteres die Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Vorsitzende nach einer Einlassung des Angeklagten A. alle vier anderen zu diesem Zeitpunkt von ihrem Schweigerecht Gebrauch machenden Angeklagten während einer Sitzungsunterbrechung in Gewahrsam nehmen ließ. Eine allein in Betracht kommende Ingewahrsamnahme nach § 231 Abs. 1 Satz 2 StPO setzt voraus, dass Anhaltspunkte dafür bestehen, der Angeklagte werde sich aus der Verhandlung entfernen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2003 – 3 Ws 498/03, NStZ-RR 2003, 329, 330; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 231 Rn. 3; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 231 Rn. 2, 4). Es erscheint zweifelhaft, ob allein die geständige Einlassung des Angeklagten A. eine entsprechende Prognose begründen konnte, nachdem die in Freiheit befindlichen Angeklagten zu den vorangegangenen Hauptverhandlungsterminen erschienen waren und der Nebenkläger die Tatvorwürfe in seiner Zeugenaussage bereits bestätigt hatte. Jedoch lässt sich hieraus nicht entnehmen, dass der Gewahrsam gezielt zur Herbeiführung einer Einlassung angeordnet wurde und diese damit unverwertbar war (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 – 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933, 2936 mwN). Zudem liegt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gewahrsam und der Einlassung des Angeklagten S. deshalb nicht nahe, weil dieser erst sechs Tage nach dem – knapp eine Stunde dauernden – Gewahrsam Angaben machte.

 

Geschwindigkeitsüberschreitung – Geständnis – Urteilsgründe – was haben die miteinander zu tun?

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Auf die Frage: „Geschwindigkeitsüberschreitung – Geständnis – Urteilsgründe – was haben die miteinander zu tun? muss man antworten: Eine Menge, und davon kann der Erfolg einer Rechtsbeschwerde abhängen mit im Rahmen der Fahrverbotsverteidigung für den Betroffenen wichtigem Zeitgewinn. Das folgt aus dem OLG Braunschweig, Beschl. v. 01.03.2012 – Ss (OWi) 36/12 -, den mir ein Kollege vor kurzem hat zukommen lassen. Das OLG beanstandet nicht ausreichende Feststellungen/Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil:

Zur Einlassung des Betroffenen zum Schuldspruch teilen die Urteilsgründe lediglich mit, dass dieser seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat und eine ordnungsgemäßen Messung und das Messergebnis nicht in Zweifel gezogen hat. (…)

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ist die Wiedergabe der Einlassung insbesondere dann zwingend erforderlich, wenn – wie hier – weder dargelegt wurde, mit welchem Messverfahren die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt und wel­cher Toleranzwert berücksichtigt wurde. Denn auf Angaben zum Messverfahren und Toleranzwert kann bei Geschwindigkeitsverstößen nur in den wenigen Fällen eines echten „qualifizierten“ Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden (BGH NJW 1993, 3081; OLG Bamberg, NStZ-RR 2007, 321; OLG Celle, Beschl. v. 09.04.2009, 322 SsBs 301/08, juris). Die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufgrund eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen setzt stets voraus, dass der Betroffene eine bestimmte (Mindest-)Geschwindigkeit nicht nur tatsächlich eingeräumt hat, sondern zusätzlich auch die konkreten Umstände aus originärer Wahrnehmung benennen konnte, aus denen sich für ihn ergab, dass er die vorge­worfene Geschwindigkeit— mindestens – gefahren ist (OLG Bamberg, a.a.O..; juris Rdnr. 25). Es reicht nicht, wenn der Betroffene lediglich die ihm nachträglich bekannt gewordenen Messung als solche und die ihm bereits „als gemessen“ präsentierte Geschwindigkeit zur Tatzeit bestätigt hat (vgl. OLG Jena NJW 2006, 1075; OLG  Hamm NZV 2002, 101, 102).

Zwar konnte das Amtsgericht hier in der Bestätigung der Richtigkeit des Messergeb­nisses ein allgemeines Geständnis sehen; für ein uneingeschränktes „qualifiziertes“ Geständnis fehlt es jedoch an der Wiedergabe dessen, wie sich der Betroffene über seinen Verteidiger konkret zur Geschwindigkeitsüberschreitung eingelassen hat. Dem entsprechend kann nicht festgestellt werden, ob er seine Geschwindigkeit aus eigener Wahrnehmung einschätzen konnte und ob diese Wahrnehmung nachvoll­ziehbar und glaubhaft ist.

Dieser Darstellungsmangel, der durch eine nähere Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen möglicherweise hätte vermieden werden können, führt dazu, dass auf die Mitteilung der konkreten Messmethode und des Toleranzwerts nicht verzichtet werden konnte.“

Ein Fehler, der nicht selten gemacht wird. Der wird dann zwar in der „2. Runde“ repariert, aber der Zeitgewinn ist da.

83 Minuten reichen für Geständnis und Zeugenvernehmungen

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Das LG verurteilt den Angeklagten nach einer Verständigung (§ 257c StPO) wegen Steu-rhinterziehung in acht Fällen (unberechtigter Vorsteuerabzug von fast 1,3 Mio. € aus „Abdeckrechnungen“ und unzutreffenden Gutschriften) zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe. Dagegen die Revision, mit der der Angeklagte u.a. geltend macht,  die Bewertung des Geständnisses des Angeklagten als glaubhaft beruhe auf unzureichender Grundlage. Die maßgeblichen Vernehmungen des Angeklagten und von Zeugen hätten, wie sich aus der mit-geteilten jeweiligen Dauer der einzelnen Verfahrensabschnitte ergebe, insgesamt nur 83 Minuten gedauert, abzüglich noch der für zugleich durchgeführte formale Vorgänge benötigten Zeit. Dazu der 1. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 23.-05.2012 – 1 StR 208/12:

Das Vorbringen versagt (Anmerkung: Interessante Formulierung :-))
Die Revision erwähnt in diesem Zusammenhang schon nicht, dass die Feststellungen auch auf ein umfangreiches Selbstleseverfahren gestützt sind. Auch unabhängig davon ist der Senat nicht der Auffassung, schon der genannte zeitliche Rahmen ergäbe, dass Feststellungen zu einem Geständnis hinsichtlich eines – zumal für eine Wirtschaftsstrafkammer – leicht erfassbaren Sachverhalts und zu dessen Überprüfung nicht Ergebnis der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) sein könnten. Sollte die Revision dahin zu verstehen sein, der Senat möge den Ablauf der Hauptverhandlung im Detail überprüfen, um so festzustellen, dass speziell vorliegend keine ordnungsgemäße Beweiserhebung vorliegen könne, wäre verkannt, dass das Revisionsgericht Gang und Inhalt der Beweisaufnahme nicht rekonstruiert (vgl. schon BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151 mwN). Sollte darüber hinaus zum Ausdruck gebracht sein, ein im Rahmen einer Verständigung (§ 257c StPO) abgelegtes Geständnis sei schon im Ansatz intensiver zu überprüfen als ein nicht im Rahmen einer Verständigung abgelegtes Geständnis, wäre dem eben-falls nicht zu folgen. Die Beweiswürdigung hat stets auch solche Gesichtspunkte erkennbar zu erwägen, die auf Grund der Urteilsfeststellungen nahe liegen und die gegen das gefundene Ergebnis sprechen können.
Es gibt keine forensische Erfahrung, wonach bei einem Geständnis stets oder jedenfalls dann, wenn es im Rahmen einer Verständigung abgelegt wurde, ohne weiteres regelmäßig mit einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung zu rechnen sei. Dies gilt auch dann, wenn – wie nach Auffassung der Revision möglicherweise hier – der Angeklagte durch ein unwahres Geständnis Sohn und/oder Lebensgefährtin vor einer Bestrafung schützen würde. Allein die gesetzlichen Wertungen in § 52 StPO, § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB und § 258 Abs. 6 StGB können die für eine solche Annahme erforderlichen konkreten Anhaltspunkte nicht ersetzen. Derartige konkrete Anhaltspunkte sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die (theoretische) Denkbarkeit eines Geschehensablaufs führt nicht dazu, dass er zu erörtern wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 73 mwN).