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Kleiner Grundkurs: Räuberischer Diebstahl

© Dan Race - Fotolia.com

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Manchmal ist man/bin ich schon erstaunt, welche Grund(satz)fragen der BGH entscheiden muss. Das fragt man sich dann schon, warum eigentlich die Strafkammer nicht selbst auf die „Idee“/den häufig ziemlich eindeutigen Fehler gekommen ist. So ist es mir mal wieder beim BGH, Beschl. v. 16.09.2014 – 3 StR 373/14 – ergangen. Da hatte das LG den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernten der Angeklagte und die Nichtrevidentin in den frühen Morgenstunden des 14. April 2012 den später geschädigten J. kennen und konsumierten gemeinsam in dessen Wohnung Alkohol, möglicherweise auch Amphetamin. Während einer kurzen Abwesenheit des Gastgebers fassten sie aufgrund einer entsprechenden Idee der Nichtrevidentin gemeinsam den Entschluss, diesem dessen Notebook zu entwenden. Die Nichtrevidentin wollte das Gerät als Ersatz für ihren eigenen, defekten Computer nutzen. Sie nahm das Notebook an sich und steckte es samt Ladekabeln in einen Jute-Beutel. Als sie und der Angeklagte die Wohnung des Geschädigten verlassen wollten, stellte dieser sie im Wohnungsflur und näherte sich der Nichtrevidentin, um dieser den Computer wieder abzunehmen. Um „den einmal erlangten Gewahrsam“ an dem Notebook nicht wieder zu verlieren, entschloss sich der Angeklagte, die erstrebte Rückerlangung des Notebooks durch Anwendung körperlicher Gewalt zu verhindern. Hierzu versetzte der Angeklagte dem Geschädigten in der Folgezeit mehrere Faustschläge und brachte ihn wiederholt zu Boden, wobei sich der Ort des Geschehens verlagerte, da der Geschädigte der Nichtrevidentin, die ihrerseits mehrfach auf ihn einschlug, und dem Angeklagten immer wieder nacheilte. Zuletzt versetzte dieser dem Geschädigten ohne Wissen der Nichtrevidentin mehrere Schläge mit einem Ast gegen Körper und Kopf.“

Und dazu der BGH dann zu den Rechtsfragen:

2. Diese Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte als Mit-täter des besonders schweren räuberischen Diebstahls (§§ 252, 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB) schuldig gemacht hat.

a) Allerdings hat das Landgericht zu Recht auf § 252 StGB und nicht auf § 249 StGB abgestellt. Denn der Diebstahl war zum Zeitpunkt der ersten Gewaltanwendung bereits vollendet (hierzu BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 180/10, NStZ 2011, 36, 37). Die Wegnahme in Zueignungsabsicht ist dann vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Ver-fügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus (BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – 3 StR 182/08, NStZ 2008, 624, 625 mwN). Hiervon ausgehend genügt es bei handli-chen und leicht beweglichen Sachen, wenn der Täter diese in seiner Kleidung oder in einem seinerseits leicht zu transportierenden Behältnis verbirgt. Das Verlassen des grundsätzlichen Herrschaftsbereichs des Geschädigten ist keine Voraussetzung für die Vollendung der Wegnahme (BGH, Urteil vom 6. November 1974 – 3 StR 200/74, BGHSt 26, 24, 25 f.). Danach war vorliegend – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist – der Diebstahl durch das Ein-stecken des Notebooks in den mitgeführten Jute-Beutel vollendet.

b) Indes kann nach allgemeiner Ansicht – bei Unterschieden im Einzelnen (umfassend Weigend, GA 2007, 274) – Täter des § 252 StGB nicht derjenige sein, der weder selbst im Besitz der entwendeten Sache ist (vgl. zum Gehilfen BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 – 4 StR 350/54, BGHSt 6, 248, 250; hiergegen LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 252 Rn. 14 ff.), noch am Diebstahl mittäterschaftlich beteiligt war. Dies folgt aus der von § 252 StGB verlangten Besitzerhaltungsabsicht. Der Angeklagte erfüllte indes keine der die Täterschaft begründenden Voraussetzungen. Besitz am Notebook hatte die Nichtrevidentin. Dieser kann dem Angeklagten nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Denn die Annahme des Landgerichts von Mittäterschaft bei Begehung des Diebstahls wird von den Feststellungen nicht getragen. Die Einfügung der Drittzueignungsabsicht durch das 6. Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) hat zwar den Anwendungsbereich der Mittäterschaft ausgedehnt, die allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen Täterschaft und Teil-nahme in diesem Bereich jedoch nicht außer Kraft gesetzt. Voraussetzung ist weiterhin die gemeinsame Beherrschung des Tatgeschehens aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses (Weigend aaO, 281). Nach den Feststellungen fehlte es jedoch an jeglichem Einfluss des Angeklagten auf das Geschehen der Wegnahme: diese war eine Idee der Nichtrevidentin, die allein handelte und die allein Nutzen aus der Tat ziehen sollte. Auch der festgestellte, allerdings nicht weiter erläuterte gemeinsame Tatentschluss vermag vor diesem Hintergrund Mittäterschaft nicht zu begründen.“

Drogenkurier: (Mit)Täter oder Gehilfe?

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Im Betäubungsmittelrecht stellt sich häufig für den Verteidiger die für den Mandanten im (End)Ergebnis häufig wichtige Frage: Ist der Mandant, der als Drogenkurier tätig/beteiligt war als Täter eines Handeltreibens anzusehen oder ist er nur Gehilfe? Dazu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung des BGH, zuletzt im BGH, Beschl. v. ?20?.?03?.?2014? – 3 StR ?375?/?13?. Da führt der BGH aus:

2. In den verbleibenden 15 Fällen hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit die Strafkammer den Angeklagten – neben der tateinheitlich verwirklichten Einfuhr – wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Die vom Landgericht festgestellte Kuriertätigkeit des Angeklagten ist mit Blick auf den Vorwurf des Handeltreibens vielmehr lediglich als Beihilfe zu werten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs gelten für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Für die rechtliche Einordnung der Beteiligung eines Kuriers an einem Rauschgiftgeschäft ist mithin auf dessen konkreten Beitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt abzustellen. Erschöpft sich die Tätigkeit eines Beteiligten allein im Transport von Betäubungsmitteln oder des Entgelts dafür, kommt dieser mit Blick auf das Umsatzgeschäft in der Regel keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit zu. Insoweit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob der Kurier hinsichtlich des Transports ein hohes Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft innehat, denn auch bei faktischen Handlungsspielräumen insoweit wird das Handeln des Kuriers zumeist nur eine untergeordnete Hilfstätigkeit darstellen und deshalb als Beihilfe zu werten sein (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 77 mwN).

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Kurier erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen (BGH aaO).

Solche Umstände hat die Strafkammer indes nicht festgestellt: Der An-geklagte war weder am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt, noch hatte er Einfluss auf Art und Menge der zu transportierenden Dro-gen. Er erhielt keine Umsatzbeteiligung, sondern einen festen Kurierlohn. Er war nicht gleichberechtigt in die arbeitsteilige Durchführung des Umsatzge-schäftes eingebunden, sondern befolgte – mit Ausnahme des reinen Transports, den er eigenverantwortlich gestalten konnte – die Vorgaben seiner Auftraggeber.“

Hier hat es dem Angeklagten aber bei der Strafe nichts gebracht, das das LG eh schon bei der Strafzumessung die „untergeordnete Rolle“ des Angeklagten berücksichtigt hatte.

Marihuana-Indoor-Plantage im Einfamilienhaus – ist der Gärtner Gehilfe?

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Marihuanaplantage im Einfamilienhaus, sicherlich eine besondere Art der Nutzung eines Hauses. So aber betrieben von einem Angeklagten, der dafür vom LG Kleve wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Dieser Angeklagte hat die Verurteilung hingenommen. Nicht aber sein Bruder, der vom LG ebenfalls verurteilt worden ist, und zwar wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Die Beihilfehandlung hatte das LG darin gesehen, dass der Angeklagte, der von der Marihuanaaufzucht seines Bruders wusste, in Kenntnis dieses Umstandes regelmäßig zu dessen Haus gefahren ist dort Gartenarbeiten durchgeführt, die auch von den Nachbarn wahrgenommen wurden. Dass der Angeklagte auch bei der Aufzucht der Marihuanapflanzen geholfen habe, hat die Strafkammer nicht festgestellt.

Der BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 355/12 hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben, der BGh hat Bedenken hinsichtlich des Gehilfenvorsatzes;

„Nach der vom Landgericht vorgenommenen Wertung lag in den Gartenpflegearbeiten allein deshalb ein Unterstützen der Haupttat, weil der Angeklagte – in Kenntnis der Marihuanaaufzucht – dadurch seinem Bruder geholfen ha-be, den Schein aufrecht zu erhalten, dass das Grundstück – wenn auch nicht zum Bewohnen – in üblicher Weise genutzt werde. Dass der Angeklagte diese Arbeiten, die für den eigentlichen Betrieb der Plantage im Inneren des Hauses oder für den späteren Absatz der Betäubungsmittel ersichtlich keinen Nutzen hatten, in dem Bewusstsein erbrachte, dadurch die Haupttaten seines Bruders zu fördern, ergibt sich hingegen nicht. Dies versteht sich angesichts der geringen Bedeutung dieses Beitrags für das Gelingen der Haupttat an sich auch nicht von selbst, zumal nach den Ausführungen der Strafkammer unklar bleibt, worin sie die „übliche“ Nutzung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks erblickt – wenn es denn erkennbar nicht bewohnt wird – und warum der Angeklagte angesichts dessen gemeint haben sollte, er werde durch die Gartenpflege zur Aufrechterhaltung des Scheins einer solchen Nutzung beitragen.