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StGB I: Gefährlicher Eingriff in Straßenverkehr, oder: Schuss trifft „Stirnseite des vorwärts bewegten Pkws“

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Und dann geht es weiter, heute mit StGB-Entscheidungen, und zwar zweimal BGH und je einmal OLG bzw. LG.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 23.04.2024 – 4 StR 87/24 – mal wieder zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB). Das LG hatte den Angeklagten u.a. auch gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt. Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„1. Auch der Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat im Ergebnis Bestand. Der vom Generalbundesanwalt insoweit beantragten Abänderung des Schuldspruchs in eine Versuchtstat ist der Senat nicht gefolgt.

a) Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen getroffen: Am Morgen des 3. Februar 2018 entriss der Angeklagte, der eine scharfe Schusswaffe bei sich führte, der Ehefrau des ebenfalls anwesenden Geschädigten vor ihrem Wohnhaus in R. gewaltsam einen Koffer mit über drei Kilogramm Goldschmuck. Sodann flüchteten der Angeklagte und seine Mittäter mit einem Kraftfahrzeug vom Tatort. Der Geschädigte nahm mit seinem Pkw Land Rover Discovery sogleich die Verfolgung der Täter auf, um seinen Goldschmuck zurückzuerlangen. Auf der vielbefahrenen Bundesautobahn 4 kam es zu einer Kollision beider Fahrzeuge, indem der Geschädigte auffuhr. Um ihn abzuschütteln, lehnte sich der hinten links sitzende Angeklagte aus dem Fenster des vorausfahrenden Täterfahrzeugs und gab einen Schuss in Richtung des Pkw des Geschädigten ab. Das Projektil traf zunächst die Motorhaube auf der Fahrerseite des Land Rovers und prallte sodann an dessen Windschutzscheibe ab. Beide Fahrzeugteile wurden hierbei beschädigt. Der Angeklagte gab keinen weiteren Schuss ab, obwohl er die Möglichkeit hierzu gehabt hätte. Die Verfolgungsfahrt endete schließlich in einem Wendehammer im Kölner Stadtgebiet. Im Anschluss vermochte der Geschädigte die Tatbeute zurückzuerlangen.

b) Nach diesen Feststellungen hat sich der Angeklagte auch wegen eines vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar gemacht.

aa) Die Strafkammer hat allerdings zu Unrecht § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht gesehen. Zwar ist das Fahrzeug des Geschädigten infolge der Schussabgabe durch den Angeklagten beschädigt worden. Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt aber voraus, dass durch die Beschädigung eines fremden Fahrzeugs die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt worden ist. Die Beschädigung des Fahrzeugs muss mithin das Mittel der Gefährdung gebildet haben und dieser also zeitlich und ursächlich vorausgehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 340/11 Rn. 5; Urteil vom 25. Mai 1994 – 4 StR 90/94 Rn. 6; Urteil vom 9. November 1989 – 4 StR 342/89 Rn. 8 f. mwN). Erschöpft sich die Beeinträchtigung hingegen – wie hier – in der Beschädigung des fremden Kraftfahrzeugs, scheidet die Anwendung von § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB aus.

bb) Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte jedoch den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht.

(1) Dieser Tatbestand kann auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung (hier: Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Sachschäden am Kraftfahrzeug des Geschädigten) führt. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Nicht jede Sachbeschädigung oder auch Körperverletzung im Straßenverkehr ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 315b StGB . Vielmehr gebietet der Schutzzweck insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 4 StR 215/22 Rn. 4; Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21 Rn. 17 f. mwN; Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02 , BGHSt 48, 119, 124 ). Dies ist der Fall, wenn die konkrete Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 4 StR 215/22 Rn. 4; Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21 Rn. 18; Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 349/17 Rn. 3; Beschluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08 Rn. 6 f.).

(2) Nach diesen Maßgaben kann die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr bestehen bleiben. Anders als in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen, in denen er ohne eingetretenen „Beinahe-Unfall“ eine verkehrsspezifische Gefahr durch Pistolenschüsse auf Kraftfahrzeuge verneint hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 349/17 ; Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 117/15 ; Beschluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08 ), traf der vom Angeklagten abgegebene Schuss nicht die Seitenfläche, sondern die Stirnseite des vorwärts bewegten fremden Pkws. Bei der Schadensentstehung wirkte die Dynamik des Straßenverkehrs hier zumindest dadurch gefahrerhöhend, dass im Auftreffen des Projektils zu dessen kinetischer Energie – anders auch als bei einem stehenden Fahrzeug als Ziel – jene Bewegungsenergie hinzukam, die mit der gegenläufigen Bewegung der Trefferfläche an dem nachfolgenden Kraftfahrzeug des Geschädigten verbunden war (vgl. auch zu Steinwürfen BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21 mwN). Dieser synergistische Effekt begründet ungeachtet der hohen Eigendynamik des auftreffenden Projektils unter den festgestellten Umständen die erforderliche, aber auch ausreichende innere Verbindung der eingetretenen konkreten Gefahr mit der Dynamik des Straßenverkehrs (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02 , BGHSt 48, 119, 124 f. ). Den Feststellungen kann zudem entnommen werden, dass dem Kraftfahrzeug des Geschädigten ein bedeutender Schaden drohte und der Angeklagte auch insoweit vorsätzlich handelte.“

Verkehr I: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, oder: Täter kann auch ein Mitfahrer sein

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Und heute dann ein wenig Verkehrsrecht, und zwar zunächst hier der BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 4 StR 227/23. Schon etwas älter, aber erst vor kurzem auf der Homepage des BGh veröffentlicht. Es geht um den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB).

Das LG hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das LG hate folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Im Verlauf des Tatabends tauschten der Angeklagte und der Geschädigte im Rahmen zwischen ihnen bestehender Streitigkeiten massive Beschimpfungen aus. U.a. versandte der Angeklagte eine Sprachnachricht an den Geschädigten mit dem Wortlaut: „Ich weiß, dass du nicht mehr leben willst, dabei werde ich dir helfen“. Zu dem in der Folge verabredeten Treffpunkt in der B. Innenstadt fuhren der Angeklagte und sein Bruder mit einem Pkw, der auf die Lebensgefährtin des Angeklagten zugelassen war. Der Angeklagte befand sich auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs und dirigierte seinen Bruder, der das Fahrzeug führte, zu dem Aufenthaltsort des Geschädigten.

In Ausführung des zuvor an diesem Abend mit dem Angeklagten gefassten Tatplans, den Geschädigten zu töten, beschleunigte der Bruder des Angeklagten das Fahrzeug, als sie den Geschädigten auf dem Bürgersteig vor einem Gebäude entdeckten. Der Bruder des Angeklagten fuhr sodann mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 bis 25 km/h in der Absicht auf den Geschädigten zu, diesen mit dem Fahrzeug zu erfassen bzw. gegen die nahegelegene Hauswand zu quetschen. Der Angeklagte und sein Bruder erkannten, dass der Geschädigte dabei möglicherweise tödliche Verletzungen erleiden könnte; sie nahmen dies jedoch mindestens billigend in Kauf. Der Geschädigte konnte auf die Motorhaube des Pkw springen und sich abrollen; er blieb unverletzt und ergriff die Flucht.

Das LG hat den Angeklagten wegen seines erheblichen Tatinteresses und seines Tatbeitrages (Zur-Verfügung-Stellen des Fahrzeugs; Weitergabe des Standorts des Geschädigten an seinen Bruder; Anwesenheit im Fahrzeug) als Mittäter sowohl des versuchten Tötungsdelikts als auch des schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr angesehen. Die dagegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg:

„2. Ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13 Rn. 8 f. zu § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB; siehe auch OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 RVs 159/16, NStZ-RR 2017, 224). § 315b Abs. 1 StGB stellt kein eigenhändiges Delikt dar, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann.

a) Ein eigenhändiges Delikt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Täterschaft an eine bestimmte Ausführungshandlung gebunden ist, sodass das maßgebliche Unrecht in einem eigenen verwerflichen Tun liegt und nicht in erster Linie aus der Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts hergeleitet wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2021 – 4 StR 511/20, BGHSt 66, 294 Rn. 22 mwN). Ob dies der Fall ist, ist mit Rücksicht auf die Fassung des gesetzlichen Tatbestands sowie mit Blick auf den Zusammenhang der einschlägigen Gesetzesbestimmungen und die Entstehungsgeschichte zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 37/20, NJW 2020, 2201 Rn. 9; Urteil vom 25. Juni 1954 – 2 StR 298/53 Rn. 6, BGHSt 6, 226, 227; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Abschn. 21 Rn. 19 und 21; Auerbach, Die eigenhändigen Delikte, 1978, S. 26 ff.).

b) Gemessen hieran setzt der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch in der Fallgruppe des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs kein eigenhändiges Führen eines Kraftfahrzeugs voraus.

aa) Nach dem Wortlaut des § 315b Abs. 1 StGB kann die Sicherheit des Straßenverkehrs von jedermann beeinträchtigt werden. Die Tathandlungen der Nummern 1 bis 3 knüpfen – anders als diejenigen des § 315c StGB – nicht an ein tatbestandlich umschriebenes Verhalten an, das nur eigenhändig verwirklicht werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 RVs 159/16, NStZ-RR 2017, 224; Kudlich in BeckOK-StGB, 59. Ed., § 315b Rn. 38; Pegel in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 315b Rn. 60; Renzikowski in Matt/Renzikowski, 2. Aufl., § 315b Rn. 23; Quarch in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl., § 315b Rn. 8).

bb) Auch in der Fallkonstellation des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs setzt § 315b Abs. 1 StGB allein die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale aus einer der Alternativen des § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB voraus. Der spezifische Unrechtsgehalt der Tat liegt dabei darin, dass das Fahrzeug nicht (mehr) als Mittel der Fortbewegung dient, sondern im fließenden Verkehr – gleich einem Fremdkörper – zur Verletzung oder Nötigung eines anderen eingesetzt wird (vgl. Wolters in SK-StGB, 10. Aufl., § 315b Rn. 26; SSW/Ernemann, 5. Aufl., § 315b Rn. 21; König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315b Rn. 92; Zieschang in NK-StGB, 6. Aufl., § 315b Rn. 8; a. A. ohne nähere Begründung Kuckuk, KVR, Kraftverkehrsrecht von A-Z, Schlagwort Verkehrsgefährdung Hindernisbereiten Erläuterungen 1, S. 21). Dies hat zur Folge, dass es für die Beschreibung des tatbestandlichen Unrechts auch nicht mehr darauf ankommen kann, ob der Täter das Kraftfahrzeug dabei eigenhändig führt.

cc) Systematische Erwägungen führen ebenfalls nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Dies gilt auch mit Blick auf das Verhältnis zu § 315c StGB. Absatz 1 dieser Vorschrift enthält eine enumerative Aufzählung besonders gefährlicher Regelverstöße im Straßenverkehr, die dann zur Strafbarkeit führen, wenn dadurch eine konkrete Gefahr für bestimmte fremde Rechtsgüter verursacht wird (vgl. dazu König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315c Rn. 5). Demgegenüber wird ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr von § 315b StGB – insoweit ohne Beschränkung auf einen entsprechenden Katalog – dann erfasst, wenn es sich dabei um einen bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht handelt und das Fahrzeug darüber hinaus mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. November 2021 ? 4 StR 134/21 Rn. 4; Beschluss vom 19. November 2020 ? 4 StR 240/20 Rn. 26 mwN; Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 236 f.; Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95 Rn. 8, BGHSt 41, 231, 233 f.; BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 – 4 StR 90/99 Rn. 5, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 3). Beide Vorschriften haben verschiedene Anknüpfungspunkte, sodass sich auch die Frage der möglichen Beteiligungsformen unterschiedlich stellen kann. Damit besteht auch keine Notwendigkeit, den Anwendungsbereich des § 315b StGB hinsichtlich Täterschaft und Teilnahme auf ein eigenhändiges Delikt zu verengen.

c) Diesem Verständnis stehen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht entgegen, die einen verkehrsfeindlichen Inneneingriff dahin umschreiben, dass ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt (vgl. Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 240/20 Rn. 26; Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 31). Denn diese Ausführungen sind auf Konstellationen bezogen, in denen der Täter tatsächlich als Führer eines Kraftfahrzeugs am fließenden Verkehr teilgenommen hat; sie sind jedoch nicht im Sinne einer Beschränkung des tauglichen Täterkreises in Fällen des verkehrsfremden Inneneingriffs zu verstehen. Vielmehr kommt auch der Beifahrer als tauglicher Täter eines verkehrsfremden Inneneingriffs in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 ? 4 StR 1/16 zu § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB; Beschluss vom 6. Juli 1989 ? 4 StR 321/89 Rn. 2 [Eingriff des Beifahrers in den Lenkvorgang]; Urteil vom 20. Dezember 1968 ? 4 StR 489/68 Rn. 15 [wuchtiges Werfen nach vorne und Griff in das Lenkrad]). In der Rechtsprechung ist im Übrigen anerkannt, dass (auch) ein Fußgänger den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95 Rn. 10, BGHSt 41, 231, 234; siehe auch BGH, Beschluss vom 14. September 2021 ? 4 StR 21/21 Rn. 6).

3. Unter den hier gegebenen Umständen tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten auch wegen des in Mittäterschaft begangenen schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a), § 25 Abs. 2 StGB.

Die Urteilsgründe belegen die Tatherrschaft des das Kraftfahrzeug nicht eigenhändig führenden Angeklagten, der das Tatfahrzeug zur Verfügung stellte, das Fahrziel vorgab, während der Tatausführung im Fahrzeug anwesend war und Einfluss auf die Handlungen seines Bruders nehmen konnte sowie ein erhebliches Tatinteresse aufwies, nachdem er zuvor mit dem Geschädigten Beleidigungen und Bedrohungen ausgetauscht hatte.

Auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt; insbesondere sind der bedingte Schädigungsvorsatz des Angeklagten und seine Absicht, einen Unglücksfall herbeizuführen, rechtsfehlerfrei belegt.“

Verkehr I: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, oder: Verkehrsfeindlicher Eingriff des Bei-/Mitfahrers

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Und heute dann – seit längerem mal wieder – verkehrsrechtliche Entscheidungen.

Zunächst kommt hier etwas vom BGH zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 StGB).

Das LGhat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das LG folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Im Verlauf des Tatabends tauschten der Angeklagte und der Geschädigte im Rahmen zwischen ihnen bestehender Streitigkeiten massive Beschimpfungen aus. U.a. versandte der Angeklagte eine Sprachnachricht an den Geschädigten mit dem Wortlaut: „Ich weiß, dass du nicht mehr leben willst, dabei werde ich dir helfen“. Zu dem in der Folge verabredeten Treffpunkt in der B. Innenstadt fuhren der Angeklagte und sein Bruder mit einem Pkw, der auf die Lebensgefährtin des Angeklagten zugelassen war. Der Angeklagte befand sich auf der Rücksitzbank des Fahrzeugs und dirigierte seinen Bruder, der das Fahrzeug führte, zu dem Aufenthaltsort des Geschädigten.

In Ausführung des zuvor an diesem Abend mit dem Angeklagten gefassten Tatplans, den Geschädigten zu töten, beschleunigte der Bruder des Angeklagten das Fahrzeug, als sie den Geschädigten auf dem Bürgersteig vor einem Gebäude entdeckten. Der Bruder des Angeklagten fuhr sodann mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 bis 25 km/h in der Absicht auf den Geschädigten zu, diesen mit dem Fahrzeug zu erfassen bzw. gegen die nahegelegene Hauswand zu quetschen. Der Angeklagte und sein Bruder erkannten, dass der Geschädigte dabei möglicherweise tödliche Verletzungen erleiden könnte; sie nahmen dies jedoch mindestens billigend in Kauf. Der Geschädigte konnte auf die Motorhaube des Pkw springen und sich abrollen; er blieb unverletzt und ergriff die Flucht.

Das LG hat den Angeklagten wegen seines erheblichen Tatinteresses und seines Tatbeitrages (Zur-Verfügung-Stellen des Fahrzeugs; Weitergabe des Standorts des Geschädigten an seinen Bruder; Anwesenheit im Fahrzeug) als Mittäter sowohl des versuchten Tötungsdelikts als auch des schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr angesehen. Die dagegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg, der BGH hat sie im BGH, Beschl. v. 15.08.2023 – 4 StR 227/23 – verworfen:

„Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Auch die Verurteilung wegen des tateinheitlichen schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a) StGB hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Dabei ist die Strafkammer in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, dass auch im Falle eines sog. verkehrsfeindlichen Inneneingriffs ein mittäterschaftliches Handeln im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB in Betracht kommen kann.

1. Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB liegt vor, wenn durch eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2017 – 4 StR 581/16 Rn. 3, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02 Rn. 17). Dabei kann § 315b Abs. 1 StGB auch mittels eines Kraftfahrzeugs im Rahmen von Verkehrsvorgängen im fließenden Verkehr verwirklicht werden (sog. Inneneingriff). Dies setzt aber voraus, dass das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt wird und der Täter das Fahrzeug mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht. Erst dann liegt eine über den Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB hinausgehende und davon abzugrenzende verkehrsatypische „Pervertierung“ eines Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB vor (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237; Beschluss vom 6. Juni 2023 ? 4 StR 70/23 Rn. 10 mwN).

2. Ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13 Rn. 8 f. zu § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB; siehe auch OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 RVs 159/16, NStZ-RR 2017, 224). § 315b Abs. 1 StGB stellt kein eigenhändiges Delikt dar, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann.

a) Ein eigenhändiges Delikt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Täterschaft an eine bestimmte Ausführungshandlung gebunden ist, sodass das maßgebliche Unrecht in einem eigenen verwerflichen Tun liegt und nicht in erster Linie aus der Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts hergeleitet wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2021 – 4 StR 511/20, BGHSt 66, 294 Rn. 22 mwN). Ob dies der Fall ist, ist mit Rücksicht auf die Fassung des gesetzlichen Tatbestands sowie mit Blick auf den Zusammenhang der einschlägigen Gesetzesbestimmungen und die Entstehungsgeschichte zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 37/20, NJW 2020, 2201 Rn. 9; Urteil vom 25. Juni 1954 – 2 StR 298/53 Rn. 6, BGHSt 6, 226, 227; Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Abschn. 21 Rn. 19 und 21; Auerbach, Die eigenhändigen Delikte, 1978, S. 26 ff.).

b) Gemessen hieran setzt der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch in der Fallgruppe des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs kein eigenhändiges Führen eines Kraftfahrzeugs voraus.

aa) Nach dem Wortlaut des § 315b Abs. 1 StGB kann die Sicherheit des Straßenverkehrs von jedermann beeinträchtigt werden. Die Tathandlungen der Nummern 1 bis 3 knüpfen – anders als diejenigen des § 315c StGB – nicht an ein tatbestandlich umschriebenes Verhalten an, das nur eigenhändig verwirklicht werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 RVs 159/16, NStZ-RR 2017, 224; Kudlich in BeckOK-StGB, 59. Ed., § 315b Rn. 38; Pegel in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 315b Rn. 60; Renzikowski in Matt/Renzikowski, 2. Aufl., § 315b Rn. 23; Quarch in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl., § 315b Rn. 8).

bb) Auch in der Fallkonstellation des verkehrsfeindlichen Inneneingriffs setzt § 315b Abs. 1 StGB allein die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale aus einer der Alternativen des § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB voraus. Der spezifische Unrechtsgehalt der Tat liegt dabei darin, dass das Fahrzeug nicht (mehr) als Mittel der Fortbewegung dient, sondern im fließenden Verkehr – gleich einem Fremdkörper – zur Verletzung oder Nötigung eines anderen eingesetzt wird (vgl. Wolters in SK-StGB, 10. Aufl., § 315b Rn. 26; SSW/Ernemann, 5. Aufl., § 315b Rn. 21; König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315b Rn. 92; Zieschang in NK-StGB, 6. Aufl., § 315b Rn. 8; a. A. ohne nähere Begründung Kuckuk, KVR, Kraftverkehrsrecht von A-Z, Schlagwort Verkehrsgefährdung Hindernisbereiten Erläuterungen 1, S. 21). Dies hat zur Folge, dass es für die Beschreibung des tatbestandlichen Unrechts auch nicht mehr darauf ankommen kann, ob der Täter das Kraftfahrzeug dabei eigenhändig führt.

cc) Systematische Erwägungen führen ebenfalls nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Dies gilt auch mit Blick auf das Verhältnis zu § 315c StGB. Absatz 1 dieser Vorschrift enthält eine enumerative Aufzählung besonders gefährlicher Regelverstöße im Straßenverkehr, die dann zur Strafbarkeit führen, wenn dadurch eine konkrete Gefahr für bestimmte fremde Rechtsgüter verursacht wird (vgl. dazu König in LK-StGB, 13. Aufl., § 315c Rn. 5). Demgegenüber wird ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr von § 315b StGB – insoweit ohne Beschränkung auf einen entsprechenden Katalog – dann erfasst, wenn es sich dabei um einen bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht handelt und das Fahrzeug darüber hinaus mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. November 2021 ? 4 StR 134/21 Rn. 4; Beschluss vom 19. November 2020 ? 4 StR 240/20 Rn. 26 mwN; Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 236 f.; Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95 Rn. 8, BGHSt 41, 231, 233 f.; BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 – 4 StR 90/99 Rn. 5, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 3). Beide Vorschriften haben verschiedene Anknüpfungspunkte, sodass sich auch die Frage der möglichen Beteiligungsformen unterschiedlich stellen kann. Damit besteht auch keine Notwendigkeit, den Anwendungsbereich des § 315b StGB hinsichtlich Täterschaft und Teilnahme auf ein eigenhändiges Delikt zu verengen.

c) Diesem Verständnis stehen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht entgegen, die einen verkehrsfeindlichen Inneneingriff dahin umschreiben, dass ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt (vgl. Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 240/20 Rn. 26; Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 31). Denn diese Ausführungen sind auf Konstellationen bezogen, in denen der Täter tatsächlich als Führer eines Kraftfahrzeugs am fließenden Verkehr teilgenommen hat; sie sind jedoch nicht im Sinne einer Beschränkung des tauglichen Täterkreises in Fällen des verkehrsfremden Inneneingriffs zu verstehen. Vielmehr kommt auch der Beifahrer als tauglicher Täter eines verkehrsfremden Inneneingriffs in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 ? 4 StR 1/16 zu § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB; Beschluss vom 6. Juli 1989 ? 4 StR 321/89 Rn. 2 [Eingriff des Beifahrers in den Lenkvorgang]; Urteil vom 20. Dezember 1968 ? 4 StR 489/68 Rn. 15 [wuchtiges Werfen nach vorne und Griff in das Lenkrad]). In der Rechtsprechung ist im Übrigen anerkannt, dass (auch) ein Fußgänger den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95 Rn. 10, BGHSt 41, 231, 234; siehe auch BGH, Beschluss vom 14. September 2021 ? 4 StR 21/21 Rn. 6).

Unter den hier gegebenen Umständen tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten auch wegen des in Mittäterschaft begangenen schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a), § 25 Abs. 2 StGB.

Die Urteilsgründe belegen die Tatherrschaft des das Kraftfahrzeug nicht eigenhändig führenden Angeklagten, der das Tatfahrzeug zur Verfügung stellte, das Fahrziel vorgab, während der Tatausführung im Fahrzeug anwesend war und Einfluss auf die Handlungen seines Bruders nehmen konnte sowie ein erhebliches Tatinteresse aufwies, nachdem er zuvor mit dem Geschädigten Beleidigungen und Bedrohungen ausgetauscht hatte.

Auch die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt; insbesondere sind der bedingte Schädigungsvorsatz des Angeklagten und seine Absicht, einen Unglücksfall herbeizuführen, rechtsfehlerfrei belegt.“

Verkehrsrecht I: Eingriff in den Straßenverkehr, oder: Beinaheunfall durch Einwirkung auf ein Pferd?

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Und heute dann ein wenig Verkehrsrecht, und zwar zunächst der BayObLG, Beschl. v. 16.12.2022 – 202 StRR 110/22 – zu den Voraussetzungen für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Einwirkung auf ein Pferd.

Das AG hat die Angeklagten u.a. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt. Das LG hat dann frei gesprochen. Die dagegen gerichteten Revisionen hatten keinen Erfolg.

Die Berufungskammer war von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Die beiden miteinander verheirateten Angeklagten und die Nebenklägerin sind Nachbarn. Am Nachmittag des 19.01.2021 ritt die Nebenklägerin auf ihrem Pferd auf der öffentlichen Gemeindestraße zwischen den Anwesen der Angeklagten und der Familie der Nebenklägerin. Der Nebenklägerin war aufgrund vorangegangener Vorfälle mit den Angeklagten bekannt, dass diese aufgrund einer langjährigen Nachbarschaftsstreitigkeit mit der Familie der Nebenklägerin immer wieder versuchen, die Pferde der Nebenklägerin beim Passieren ihres Grundstücks zu erschrecken. Aus diesem Grund hatte die Nebenklägerin ca. eine Minute vor Erreichen des Anwesens der Angeklagten die Kamera ihres Mobiltelefons eingeschaltet, um eventuelle Übergriffe auf sie oder ihr Pferd zu dokumentieren und – wie bereits wiederholt in der Vergangenheit – zur Anzeige zu bringen. Als sich die Nebenklägerin dem Haus der Angeklagten näherte, waren diese mit Schneeräumarbeiten beschäftigt. Während die Nebenklägerin an der Angeklagten vorbeiritt, warf diese mit der Schneeschaufel eine geringe Menge Schnee dem Pferd hinterher. Die Berufungskammer konnte nicht feststellen, ob das Pferd von dem Schnee getroffen wurde. Die von der Nebenklägerin gerittene Stute geriet hierdurch in eine gewisse Aufregung, konnte jedoch von ihr nach wenigen Sekunden unter Kontrolle gebracht werden. Zu einem Sturz oder einer Verletzung der Nebenklägerin kam es nicht. Auch die konkrete Gefahr eines Sturzes konnte nicht festgestellt werden. Dass die Angeklagte einen solchen Sturz und eine daraus resultierende mögliche Verletzung der Nebenklägerin gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen hätte, konnte die Berufungskammer ebenfalls nicht feststellen. Die Nebenklägerin und die Angeklagte gerieten daraufhin vor der Terrasse des Anwesens der Angeklagten in ein Streitgespräch, bei dem die Nebenklägerin die Angeklagte mehrfach erzürnt anschrie: „Mach nur weiter! Komm, noch ´ne Schippen!“ Der Angeklagte, der wenige Meter entfernt weiterhin Schnee von der Terrasse seines Anwesens geschoben hatte, ohne sich anfangs um die Nebenklägerin zu kümmern, warf nunmehr – durch das laute Schreien der Nebenklägerin provoziert – ebenfalls eine Schaufelladung Schnee in Richtung der Nebenklägerin und ihres Pferdes, worauf diese mit dem Ausruf „Ja, das hat ja wohl ein Nachspiel! Freu´ Dich schon mal!“ in ihr gegenüberliegendes Grundstück ritt. Eine Schreckreaktion des Pferdes durch das Verhalten des Angeklagten war nicht erkennbar. Die Berufungskammer ging auch nicht davon aus, dass der Angeklagte derartiges beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hatte. Ebenso wenig gelangte die Berufungskammer zu der Überzeugung, dass der Angeklagte einen Sturz und eine hieraus resultierende Verletzung der Nebenklägerin gewollt oder auch nur billigend in Kauf genommen hätte. Während des gesamten Vorfalls waren keine anderen Verkehrsteilnehmer auf der Straße unterwegs.“

Das BayObLG verneint sowohl die Strafbarkeit wegen eines vollendeten § 315b StGB als auch wegen eines versuchten § 315b StGB. Hier die Ausführungen zur Vollendung:

„b) Zutreffend hat die Berufungskammer eine Strafbarkeit wegen vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint. Denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fehlt es schon an einer vom Straftatbestand vorausgesetzten konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert, sodass es auf die weiteren Tatbestandsmerkmale nicht mehr ankommt.

aa) Eine konkrete Gefahr ist nur dann anzunehmen, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“ (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 06.07.2021 – 4 StR 155/21 = Blutalkohol 58, 328 [2021] = StV 2022, 26 = ZfSch 2021, 706 = BGHR StGB § 52 Abs 1 Entschluss, einheitlicher 2 = BGHR StGB § 315c Gefahr 2; 08.06.2021 – 4 StR 68/21 = NStZ-RR 2021, 251 = VRS 140, 258 [2021] = VRS 140, Nr 52; 17.02.2021 – 4 StR 528/20 = NStZ-RR 2021, 187; 06.08.2019 – 4 StR 255/19 = NStZ-RR 2019, 343 = VRS 137, 1 [2019] = VRS 137, Nr 1 = NZV 2020, 303; 20.03.2019 – 4 StR 517/18 = VerkMitt 2019, Nr 5 = NStZ 2020, 225).

bb) Gemessen hieran rechtfertigen die tatrichterlichen Feststellungen einen „Beinahe-Unfall“ in diesem Sinne nicht. Vielmehr hat das von der Nebenklägerin gerittene Pferd nach den Urteilsgründen auf die Schneewürfe nicht derart reagiert, dass von einem Beinahe-Unfall gesprochen werden könnte. Auf den von der Angeklagten mittels einer Schneeschippe in Richtung des Pferdes durchgeführten Wurf einer „geringen Menge Schnee“ geriet das Pferd zwar in eine „gewisse Aufregung“, konnte aber bereits nach wenigen Sekunden unter Kontrolle gebracht werden. Letzteres ist umso bemerkenswerter, als dies der Nebenklägerin offensichtlich ohne weiteres gelang, obwohl sie gleichzeitig das Geschehen mit der Kamera ihres Mobiltelefons aufzeichnete, was die Konzentration auf das Geschehen und die Kontrolle des Pferdes von vornherein erschwerte. Nach den Urteilsfeststellungen handelte es sich damit um eine ohne weiteres im Alltag zu erwartende Reaktion eines Pferdes, mit der jederzeit gerechnet werden muss, was aber noch keineswegs dazu führte, dass eine konkrete Gefährdung für Pferd, Reiterin oder sonstige Verkehrsteilnehmer, die ohnehin nicht zugegen waren, eingetreten wäre. Diese Einschätzung wird überdies durch das Verhalten der Nebenklägerin bestätigt, die nach den Urteilsfeststellungen die Angeklagten lautstark mit den Worten „noch ´ne Schippen“ sogar dazu aufforderte, ihr Verhalten zu wiederholen. Auf das Handeln des Angeklagten, der nach den Gründen des Berufungsurteils anschließend ebenfalls eine Schaufelladung Schnee in Richtung der Nebenklägerin und ihres Pferdes warf, reagierte das Pferd überhaupt nicht mehr. Nach den Urteilsfeststellungen ist damit in beiden Fällen allenfalls von einer abstrakten Gefahr, die sich theoretisch zu einer Verletzung hätte verdichten können, auszugehen, was aber für die Tatbestandserfüllung des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB gerade nicht genügt.“

Die restlichen Ausführungen bitte selbst lesen……

Verkehrsrecht I: Kleine Steine von der Brücke werfen, oder: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr?

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Heute stelle ich dann – seit längerem mal wieder – verkehrsrechtliche Entscheidungen vor.

Den Opener macht der BGH, Beschl. v. 09.12.2021 – 4 StR 167/21, mal wieder zu § 315 StGB, also gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr.

Das LG hat den Angeklagten wegen u.a. wegen eines vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr iverurteilt, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen: Am Abend des Tattags hatte sich der Angeklagate noch bei Tageslicht auf einer Brücke aufgehalten, die in etwa sieben Metern Höhe über eine Bundesstraße führt. Er griff aus einem Schotterhaufen mit einer Hand insgesamt 14 teilweise scharfkantige Schottersteine von unter­schiedlicher Größe zwischen 3 x 3 cm bis 4 x 7 cm und einem Gesamtgewicht von etwa 470 g, um sie von der Brücke auf einen die Bundesstraße befahrenden Pkw fallen zu lassen. Dabei ging es ihm darum, Wut und Frust auf seine Mitpatienten einer stationären Alkoholent­wöhnungstherapie durch den „Aufprall der Steine auf einem Fahrzeugdach und damit etwaig einher­gehende Beschädigungen“ abzubauen. Da er keine Menschen töten, ver­letzen oder gefährden wollte, nahm er keine großen Steine.

Der Angeklagte beobachtete ein mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 bis 80 km/h herannahendes Fahrzeug und ließ die Steine fallen. Die Steine trafen nur das Dach des Pkw und verursachten dort einen Sachschaden von etwa 4.800 EUR. Die mit dem Aufprall verbundenen Geräusche veranlassten den erschrockenen Geschädigten nicht zu einem unkontrollierten Fahrmanöver.

Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der StA, die beanstandet hat, dass der Angeklagte nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist, blieb erfolglos. Da das Urteil aber einen Fehler zum Nachteil des Angeklagten enthielt, hat der BGH aufgehoben.

Die Ausführungen des BGH zum Tötungsvorsatz überlasse ich dem Selbstlesen. Zu § 315b StGB führt der BGH aus:

„3. a) Soweit die Revision darüber hinaus beanstandet, das Landgericht habe mit unzureichender Begründung die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in der Variante der beabsichtigten Herbeiführung eines Unglücksfalls gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB verneint, zeigt dies ebenfalls keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Wie noch darzustellen sein wird, scheidet nach den Feststellungen des Landgerichts bereits die Vollendung des Grundtatbestands des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB aus.

b) Unbeschadet dessen ist selbst eine möglicherweise festzustellende Absicht des Angeklagten, durch den Abwurf der Steine (ausschließlich) Schäden am Dach des Fahrzeugs zu verursachen, nicht geeignet, die qualifizierende Voraussetzung des Handelns in der Absicht, einen Unglücksfall im Sinne des § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB herbeizuführen, zu begründen.

aa) Dieser Qualifikationstatbestand ist nur verwirklicht, wenn es dem Täter darauf ankommt, einen Unglücksfall dadurch herbeizuführen, dass sich die von ihm verursachte konkrete Gefahr verwirklicht (vgl. Wolters in SK-StGB, 9. Aufl., § 315 Rn. 13; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 315 Rn. 22). Zwar muss seine Absicht nicht auf die Herbeiführung eines Personenschadens gerichtet sein, vielmehr reicht auch die Absicht aus, einen Sachschaden zu verursachen (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 218; LK-StGB/König, 13. Aufl., § 315 Rn. 113). Erforderlich ist aber stets, dass sich nach der Vorstellung des Täters durch seine Tathandlung im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB eine verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht (vgl. MüKo-StGB/Pegel, 3. Aufl., § 315 Rn. 91; Renzikowski in Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 315 Rn. 24).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB, der an den jeweils verwirklichten Grundtatbestand anknüpft. Nach der Rechtsprechung gebietet der Schutzzweck des hier maßgeblichen Grundtatbestands des § 315b Abs. 1 StGB indes eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124). Mithin muss, um den vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB zu qualifizieren, auch die Absicht des Täters darauf gerichtet sein, dass sich gerade eine von ihm herbeigeführte verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht.

bb) Eine verkehrsspezifische Gefahr setzt voraus, dass die eingetretene konkrete Gefahr – jedenfalls auch – auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Dies ist der Fall, wenn eine der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Tathandlungen über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat, in der eines der genannten Individualrechtsgüter im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2017 – 4 StR 53/17 Rn. 5 mwN). Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB kann aber auch erfüllt sein, wenn die Tathandlung – wie hier – unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt. In diesem Fall ist eine verkehrsspezifische Gefahr aber nur zu bejahen, wenn der Fortbewegung des von dem Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht (grundlegend BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124; vgl. ferner BGH, Beschlüsse vom 14. September 2021 – 4 StR 21/21 Rn. 6; vom 12. Januar 2021 – 4 StR 326/20 Rn. 3; vom 30. August 2017 – 4 StR 349/17 Rn. 3; vom 16. Juli 2015 – 4 StR 117/15 Rn. 5 und vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08 Rn. 5 f.).

cc) Eine mögliche Absicht des Angeklagten, durch den Abwurf der Steine lediglich das Dach des passierenden Fahrzeugs zu beschädigen, erfüllt diese Anforderungen nicht, da sich dieses Vorstellungsbild nicht auf die Verwirklichung einer verkehrsspezifischen Gefahr richtet, sondern sich in der bloßen Herbeiführung einer Sachbeschädigung erschöpft. Denn der vorgestellte Schadenseintritt ist nicht auf die für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen, er unterscheidet sich vielmehr nicht von einer Sachbeschädigung eines abgestellten Fahrzeugs. Die Dynamik des zu schädigenden Fahrzeugs wirkt sich im Fall einer ausschließlich beabsichtigten Beschädigung des Fahrzeugdachs gerade nicht auf den Schadenseintritt aus (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 125; Beschluss vom 8. Juni 2021 – 4 StR 68/21 Rn. 7 ff.).

c) Auch im Übrigen hat das Landgericht mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen, dass der Angeklagte mit seinem Steinwurf die Verwirklichung verkehrsspezifischer Gefahren und damit die Herbeiführung eines Unglücksfalls im Sinne des § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB beabsichtigte. Dies gilt, wie bereits ausgeführt, zum einen mit Blick auf die nach den Feststellungen nicht einmal von einem bedingten Vorsatz erfasste Herbeiführung eines Unfalls. Zum anderen kam es dem Angeklagten nach den Feststellungen auch nicht darauf an, (auch) die Frontscheibe des Pkw zu beschädigen, wo sich beim Aufprall der Steine die Dynamik des Straßenverkehrs ausgewirkt hätte. Insoweit hat die Strafkammer mit tragfähiger Begründung, u.a. dem Standort des Angeklagten auf der dem Geschädigten abgewandten Seite der Brücke, dessen zielgerichteten Willen verneint, die Scheibe zu treffen.

4. Der Angeklagte handelte ebenso wenig in der Absicht, durch einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr eine andere Straftat zu ermöglichen (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB). Die vorgenommene Handlung muss – anders als festgestellt – das Mittel zur Ermöglichung der Tat, sie darf nicht die Tat selbst sein (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1995 – 4 StR 47/95, juris Rn. 3). Die Tathandlung des Angeklagten liegt im Fallenlassen der Steine. Sie ist indes zugleich die Schädigungshandlung im Rahmen von § 303 StGB.“