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Böllerwurf im Fußballstadion, oder: Das kann echt teuer werden.

Als zweite Entscheidung heute dann das Böllerwerfer-Urteil des BGH. Entschieden hat der BGH im BGH, Urt. v. 09.11.2017 – VII ZR 62/17 – jetzt abschließend die Frage, ob ein Fußballverein – hier war es der 1. FC Köln – von einem Fan nach einem Böllerwurf im Stadion die vom DFB deswegen verhängte Verbandsstrafe ersetzt verlangen kann. Das OLG Köln hatte das im OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 54/15 verneint (vgl. Eine Fußballkarte für 30.000 €?, oder: Ein teurer Böllerwurf). Der BGH hatte auf die Revision des 1. FC Köln dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen (vgl. das BGH, Urt v. 22.09.2016 – VII ZR 14/16 und dazu Wer Böller wirft, muss zahlen, oder: Wir greifen dem Randalierer in die Tasche). Das OLG Köln hat daraufhin den Böllerwerfer zur Zahlung von 20.340 € verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Dagegen dann nochmals die Revision des 1. FC Köln, mit der er die Verurteilung zur Zahlung von insgesamt 30.000 € erreichen wollte. Die hat der BGH jetzt im BGH, Urt. v. 09.11.2017 – VII ZR 62/17 verworfen.

In der Sache ging es um Schadenersatz, den der Beklagte zahlen sollte wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel des 1. FC Köln in der 2. Bundesliga gegen den SC Paderborn am 09.02.2014. Wegen dieses Vorfalls und weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin hatte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) eine Verbandsstrafe gegen dden 1. FC Köln verhängt, u.a. bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie der Bewährungsauflage, weitere 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen des 1. FC Köln dienen. Unter Anrechnung einer bereits früher vom 1. FC Köln gemachten Aufwendung für ein Kamerasystem verblieben 60.000 €, die gezahlt wurden. Der 1 FC verlangte vom Böllerwerfer Ersatz in Höhe von 30.000 €.

Der BGH hat jetzt das zweite Urteil des OLG Köln bestätigt. Im Streit war allein noch die Höhe des Schadenersatzanspruchs. Das OLG war davon ausgegangen, dass sich die Höhe des Schadensersatzes danach bemesse, in welchem Maße sich die Pflichtverletzung des Beklagten in der konkret verhängten und gezahlten Strafe niedergeschlagen habe. Dieses Maß ergebe sich aus dem Verhältnis seiner Strafe zur Summe der für die einzelnen Vorfälle in der Verbandsstrafe (fiktiv) angesetzten Einzelstrafen. Das seien hier 40.000 € : 118.000 €, da für die einzelnen Vorfälle Strafen von 20.000 €, 20.000 €, 38.000 € und 40.000 €  – diese allein den Beklagten betreffend -, zusammen also 118.000 € für angemessen erachtet worden seien, wovon 60.000 € tatsächlich zu zahlen gewesen seien. Im Ergebnis sei – so der BGH – der Anteil des Beklagten also 40.000 €/118.000 € von 60.000 €o = aufgerundet 20.340 €. Das hat der BGh ebenso gesehen.

Also nicht ganz so teuer, aber immer noch teuer die Karte dieser zweifelhafte „Spaß“.

Für Fußballfans: Vermummungsverbot auch im überdachten Tribünenbereich eines Fußballstadions?

entnommen wikimedia.org Urheber Mimano

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Der OLG Bamberg, Beschl. v. 24. 11. 2015 – 3 Ss OWi 1176/15 – ist eine Entscheidung, die an einem Montag gut passt. Er behandelt nämlich die ggf. für „Fußballfans“ (?)  (in Bayern) wichtige Frage des „Vermummungsverbot“ nach Art. 16 BayVersG und die Auslegung des Merkmals ‚unter freiem Himmel‘ für ein im Tribünenbereich überdachtes Fußballstadion.

Das AG hatte folgenden Sachverhalt festgestellt: Der Betroffene hatte sich am 25.10.2014 gegen 14:55 Uhr vor dem Eingang zur Haupttribüne des Sportstadions in P. aufgehalten, da er die Fußball-Regionalligabegegnung des „1. FC P.“ gegen den „1. FC Q.“ besuchen wollte. Der Betroffene trug hierbei einen sog. Schlauchschal um den Hals, um mit dessen Hilfe zu gegebener Zeit die polizeiliche Feststellung seiner Identität zu verhindern. Er befand sich in einer Gruppierung weiterer Männer, die ebenfalls Schlauchschals, Sturmhauben oder andere Gegenstände bei sich trugen, die grundsätzlich geeignet waren, die Feststel­lung der Identität zu verhindern. Das AG hat den Betroffenen von dem gegen ihn mit Bußgeldbescheid vom 16.03.2015 dann erhobenen und mit einer Geldbuße in Höhe von 400 € geahndeten Tatvorwurf, „auf dem Weg zu einer sonstigen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel“ wissentlich „einen Gegenstand mit sich geführt zu haben, der geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt war, die Feststellung der Identität zu verhindern“ (Art. 16 Abs. 1, 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 21 Abs. 2 Nr. 7 des Bayerischen Versammlungsgesetzes vom 22.07.2008 [BayVersG; GVBl. 2008, 421]) aus Rechtsgründen freigesprochen. Das OLG sieht das anders und meint, dass das AG jedenfalls aufgrund seiner bisherigen Feststellungen zu Unrecht die tatbestandlichen Voraussetzungen des o.a. Bußgeldtatbestandes verneint habe, insbesondere das nach seiner Rechtsansicht nicht erfüllte Tatbestandsmerkmal einer „sonstigen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel“ (vgl. Art. 16 Abs. BayVersG) unzutreffend ausgelegt hat:

Zwar geht das AG zutreffend davon aus, dass eine „öffentliche Veranstaltung“ vorlag. Im Ansatz richtig ist ferner seine Annahme, dass Art. 103 II GG auch für die Auslegung von Bußgeldvorschriften eine verfassungsrechtliche Schranke zieht. Soweit das AG das Merkmal „unter freiem Himmel“ als nicht erfüllt ansieht, liegt seiner rechtlichen Wertung allerdings ein unzutreffendes, im Ergebnis zu enges Verständnis des einschlägigen Schutzbereichs des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 II GG zugrunde.

Das vom AG festgestellte Verhalten des Betr. erfüllt den Tatbestand des Art. 16 I, II Nr. 2 i.V.m. Art. 21 II Nr. 7 BayVersG; insbesondere kann von einer Überdehnung des möglichen Wortsinns des Gesetzeswortlauts und damit einer gemäß Art. 103 II GG, § 3 OWiG unzulässigen Analogie zu Lasten des Betr. keine Rede sein.

a) Die durch Art. 16 I BayVersG in Anknüpfung an die tradierte und aus Art. 8 II GG herrührende Formulierung „unter freiem Himmel“ ist nach der in der verfassungsgerichtlichen Rspr. vertretenen Auffassung, der sich die ganz h.M. im Schrifttum angeschlossen hat, nicht im engen Wortsinne als Verweis auf einen nicht überdachten Veranstaltungsort zu verstehen. Stattdessen soll mit ihr dem durch die Außenwirkung erhöhten, vielfach besondere Vorkehrungen erfordernden Konfliktpotenzial von derartigen Versammlungen bzw. Veranstaltungen Rechnung getragen werden (BVerfGE 128, 226/256 [‚Fraport‘] = NJW 2011, 1201 = EuGRZ 2011, 152). Maßgeblich für Art. 8 II GG ist demgemäß, ob die Versammlung zu allen Seiten hin gegenüber ihrer Umwelt abgegrenzt ist (vgl. BVerfGE 69, 315/348 [‚Brokdorf II‘] = NJW 1985, 2395 = EuGRZ 1985, 450 = DVBl 1985, 1006 = DÖV 1985, 778 m.w.N.; Erbs/Kohlhaas-Wache Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Mai 2015] § 1 VersammlG, Rn. 28; BeckOK/Schneider GG [Stand: 01.06.2015 – Ed. 24] Art. 8 Rn. 37). Ist dies der Fall, liegt eine Versammlung „unter freiem Himmel“ auch dann vor, wenn sich der Ort der Versammlung innerhalb eines zu allen Seiten abgegrenzten und überdachten Raumes befindet. Insoweit ist gleichgültig, ob der für die Allgemeinheit geöffnete Ort als solcher in der freien Natur oder – wie beispielsweise im Innern einer Flughafen- oder Bahnhofshalle – in geschlossenen Gebäuden liegt. Maßgeblich ist, dass die Versammlung oder Veranstaltung an einem solchen Ort ihrerseits in einem öffentlichen Raum, das heißt inmitten eines allgemeinen Publikumsverkehrs stattfindet und von diesem nicht räumlich getrennt ist. Denn auch dann bleiben die Teilnehmer nicht mehr unter sich, sondern müssen zumindest damit rechnen, allein aufgrund der Lokalität u.a. auf andere zu treffen, was ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotential mit sich bringt (BVerfGE 128, 226/256 [‚Fraport‘] = NJW 2011, 1201 = EuGRZ 2011, 152; Jarass/Pieroth GG 12. Aufl. Art. 8 Rn. 17; BeckOK/Schneider8 Rn. 37.1; Dietel/Gintzel/Kniesel VersG 16. Aufl. Rn. 9 ff. vor § 14, jeweils m.w.N.).

b) Danach handelt es sich bei der Austragung eines Fußballspiels innerhalb eines Stadions auch dann um eine öffentliche Veranstaltung „unter freiem Himmel“, wenn der Zuschauerbereich mit einer gegen Witterungseinflüsse schützenden Überdachung versehen ist. Darauf, dass das Stadion als bauliche Anlage und Ort von Großveranstaltungen zu allen Seiten hin baulich klar umgrenzt ist, kommt es entgegen der Auffassung des AG und der Verteidigung nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Zuschauer bzw. Besucher der sportlichen Veranstaltung an einem für den allgemeinen Publikumsverkehr grundsätzlich für jedermann zugänglichen Ort aufhalten. Der Umstand, dass der Einlass nur gegen Bezahlung des Eintrittsgeldes gewährt wird, steht der Annahme der Öffentlichkeit der Veranstaltung von vornherein nicht entgegen. Denn grundsätzlich ist – bei Entrichtung des Eintrittsgeldes – jedermann befugt, die Veranstaltung aufzusuchen, wenn nicht ausnahmsweise der Veranstalter zur präventiven Abwehr von Störungen berechtigt ist, einzelne Störer hiervon auszuschließen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30.10.2009 – V ZR 253/08 = NJW 2010, 534 = VersR 2010, 825 = JR 2010, 249)…