Und dann hier die zweite Entscheidung der Tages, und zwar der OVG Saarland, Beschl. v. 19.04.2023 – 1 B 25/23 – zur Fahrtenbuchauflage für einen gesamten Fuhrpark.
Die Verwaltungsbegörde hatte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Auflistung von acht im Zeitraum vom 18.10.2017 bis 26.12.2021 mit unterschiedlichen Personenkraftwagen, deren Halter die Antragstellerin als Firmeninhaberin ist bzw. zur Zeit des jeweiligen Verstoßes war, begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen angeordnet, dass die Antragstellerin für sämtliche auf ihre Firma zugelassenen Fahrzeuge (in der Anlage waren 23 Fahrzeuge aufgelistet) vom Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids – dies war der 7.6.2022 – bis zum Ablauf von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, die Fahrtenbücher jeweils zum Monatsende in Kopie zur Einsicht vorzulegen und sie nach Ablauf der gesetzten Frist noch sechs Monate aufzubewahren hat.
Dagegen Widerspruch und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch. Der Antrag hatte weder beim VG noch beim OVG Erfolg:
„….Der Einwand, die Behörde sei, wenn sie eine Fahrtenbuchauflage auf mehrere Fahrzeuge eines Halters erstrecken wolle, nach der Rechtsprechung gehalten, zu ermitteln, ob die anderen Fahrzeuge einem wechselnden Benutzerkreis mit der Folge zur Verfügung stünden, dass bei einem Verkehrsverstoß mit der Nichtfeststellbarkeit des Fahrers zu rechnen sei, und dies sei vorliegend nicht geschehen, verfängt unter den fallrelevanten Umständen nicht. Die Antragsgegnerin hat ausweislich Blatt 494 ff. der Verwaltungsakte Feststellungen zu den dem Fuhrpark zugehörigen Fahrzeugen getroffen und in den Bescheidgründen unter Anführung einer Liste unaufgeklärt gebliebener Geschwindigkeitsüberschreitungen darauf abgestellt, dass bisher bereits hinsichtlich einzelner Fahrzeuge Fahrtenbuchauflagen ergangen seien, diese aber nicht bewirkt hätten, dass die Antragstellerin intern sicherstellt, dass Verkehrsverstöße den verantwortlichen Fahrern zugeordnet werden. Sei der Adressat einer Fahrtenbuchauflage gleichzeitig Halter mehrerer Fahrzeuge, so dürften diese in die Anordnung einbezogen werden, wenn aufgrund der Nutzungsgepflogenheiten des Halters auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen naheliegend und zu erwarten seien.
Diese Erwägungen tragen die getroffene Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf alle Firmenfahrzeuge. Dass die Geschäftsführung der Antragstellerin hinsichtlich keiner der der Anordnung zugrunde gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen ungeachtet der durchweg sehr deutlichen Fotos die Fahrer bzw. die als Fahrer jedenfalls in Betracht kommenden Mitarbeiter namentlich benannt hat, lässt erkennen, dass für die mangelnde Mitwirkung nicht ein etwaig wechselnder Benutzerkreis und eine daraus gegebenenfalls resultierende Schwierigkeit, denjenigen, der das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat, zu ermitteln, ausschlaggebend waren, sondern allein die bereits im Grundsatz fehlende Bereitschaft der Antragstellerin, ihrer Obliegenheit, an der Aufklärung der mit ihren Fahrzeugen begangenen Verkehrsverstöße so weit mitzuwirken, wie ihr das möglich und zumutbar ist.7
Zu der diesbezüglichen Argumentation der Antragstellerin, dieser Sichtweise sei entgegenzuhalten, dass sich die Einstellung des Geschäftsführers und der sonstigen Mitarbeiter spätestens seit Dezember 2021 erkennbar geändert habe, weswegen es seither keine Anhaltspunkte für die Annahme einer abstrakten Wiederholungsgefahr mehr gegeben habe, ist vorstehend bereits dargelegt, dass nach Aktenlage im Dezember 2021 und im Januar 2022 jedenfalls noch keine Anzeichen für den behaupteten Einstellungswechsel zu erkennen waren.
Der Antragstellerin ist allerdings zuzugestehen, dass sie zwischen der Anhörung vom 14.2.2022 und dem Ergehen der Anordnung am 3.6.2022 erstmals drei Anfragen, nämlich vom 16.2., 23.2. und 9.3.2022, und dies zudem zeitnah, nämlich am 21.2., 3.3. bzw. 17.3.2022, beantwortet hat. Eine weitere Anfrage vom 20.5.2022 wurde wiederum verzögert, nämlich am 21.6.2022, also erst nach Ergehen des verfahrensgegenständlichen Bescheids beantwortet, zwei spätere Anfragen vom 15.6. bzw. 1.8.2022 wurden am 21.6. bzw. 11.8.2022 beantwortet. Die Antragstellerin meint, ihr geändertes Verhalten sei zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bzw. bereits im Anhörungsverfahren nur so zu interpretieren gewesen, dass es nicht mehr zu weiteren unaufgeklärten Verkehrszuwiderhandlungen kommen würde. Das Verwaltungsgericht habe den Vortrag der Antragstellerin, dass sie spätestens seit 2022 innerbetrieblich gesichert habe, dass zuverlässig Auskunft erteilt werde, nicht angemessen in seine Würdigung einbezogen und gehe überdies selbst davon aus, dass die Anhörung vom 14.2.2022 zur beabsichtigten Anordnung eine Verhaltensänderung bei der Antragstellerin bewirkt habe. Demzufolge habe am 3.6.2022 keine Notwendigkeit einer Fahrtenbuchauflage mehr bestanden. Der Sinn und Zweck einer solchen bestehe nicht darin, vergangenes Verhalten zu sanktionieren.
Da letzteres zutrifft, wirft die vorbezeichnete Argumentation der Antragstellerin die im Ergebnis zu verneinende Frage auf, ob tragfähige Anhaltspunkte für einen als grundlegend zu erachtenden Einstellungswandel mit der Folge zu verzeichnen sind, dass es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten gewesen wäre, entweder gänzlich von der Anordnung einer sich auf alle Personenkraftwagen8 des Fuhrparks der Antragstellerin erstreckenden Fahrtenbuchauflage oder jedenfalls von der Vorgabe von deren sofortiger Vollziehbarkeit abzusehen…..“