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beA II: Der Anwalt ist früh zum Termin unterwegs, oder: Die „verwaiste“ Kanzlei/das „unbeaufsichtigte“ beA

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Und als zweite Entscheidung dann das LG München I, Urt. v. 10.10.2023 – 15 O 7223/23.

In dem Verfahren ging es um Reisekostenerstattung eine Rechtsanwalts, der aus Lübeck zu einem Gütetermin vor dem ArbG München angereist war. Der Termin war für den 12.01.2022 um 15.15 Uhr angesetzt worden. Der Termin wurde am 11.01.2022 aufgehoben, weil die Klage nicht wirksam zugestellt war. Diese Terminaufhebung wurde dem Rechtsanwalt am 11.01.2022 um 10.39 Uhr in sein beA zugestellt. Telefonisch informiert worden ist er.

Gestritten worden ist dann um die Reisekosten Lübeck – München. Der Rechtsanwalt hat vorgetragen, dass er am 11.01.2022 um 9.00 Uhr mit seinem Pkw von Lübeck aus die Reise nach München angetreten habe. Sein beA habe er während Fahrt nicht kontrollieren können. In seiner Kanzlei sei niemand vor Ort gewesen. Eine Anreise am Verhandlungstag sei ihm wegen der Entfernung nicht zumutbar gewesen. Er habe daher erst nach seiner Ankunft von der Abladung erfahren.

Das LG München I hat die Klage abgewiesen. Begründung: Eigenes Verschulden des Rechtsanwalts. Denn:

„1. Nach § 839 BGB, Art. 34 GG haftet der Dienstherr eines Beamten für Schäden, die dieser durch schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht verursacht.

An der tatbestandlich erforderlichen Verletzung einer Amtspflicht fehlt es vorliegend bereits.

Zwar ist richtig, dass grundsätzlich die Beamten der Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen haben, dass den Verfahrensbeteiligten die Abladungsnachricht so rechtzeitig zugeht, dass sie davon noch vor der Anreise zum Termin Kenntnis nehmen können (OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2018, 1 U 1509/17; LG Stuttgart, NJW-RR 1989, 190; LG Hannover, NdsRpfl 1993, 192). Das ist vorliegend aber geschehen.

a) Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Terminsaufhebung ohne Verzögerungen beschlossen wurde. Die Information, dass der Termin mangels wirksamer Zustellung nicht wahrgenommen werden kann, stammte vom 10.01.2022, 15.30 Uhr. Der richterliche Beschluss stammt vom 11.01.2022 und wurde dem Klägervertreter unstreitig um 10.39 Uhr zugestellt.

Dass eine frühere Beschlussfassung bzw. ein früherer Versand möglich gewesen wäre und pflichtwidrig (und überdies schuldhaft) unterlassen wurde, ist klägerseits weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Demnach war eine frühere Information des Klägervertreters nicht möglich.

b) Eine Amtspflichtverletzung der Beamten des Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass der Klägervertreter nicht telefonisch über die Terminsaufhebung informiert wurde. Denn dies war nicht geboten.

Vielmehr konnten die Beschäftigten der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts ohne weiteres darauf vertrauen, dass den Klägervertreter die Nachricht von der Aufhebung des Termins unverzüglich, jedenfalls aber rechtzeitig erreicht.

Wie der Beklagte richtig ausführt, handelt es sich bei dem Versand mittels beA um die schnellstmögliche Übermittlungsmethode und zwar sogar unabhängig davon, ob der Klägervertreter in der Kanzlei weilt oder nicht. Denn beA ist auch mobil abrufbar und über eingehende Nachrichten kann beA bei Aktivierung dieser Funktion unmittelbar einen beliebigen E-Mail-Adressaten informieren.

Das blieb unstreitig.

Die Beschäftigten des Beklagten mussten nicht damit rechnen, dass

– der Klägervertreter für einen Termin am 12.01.2022 um 15.15 Uhr bereits am Vortag       um 9.00 Uhr morgens abreist und außerdem

– die gesamte Kanzlei ab diesem Zeitpunkt verwaist ist und überdies

–  der Klägervertreter für den Empfang einer mittels beA übermittelten Nachricht nicht gesorgt hatte.

Auch wenn die Distanz Lübeck – München nahezu durch die gesamte Republik führt, war es bereits fernliegend anzunehmen, der Klägervertreter würde für einen Termin um 15.15 Uhr bereits am Vortrag um 9.00 Uhr abreisen. Naheliegend wäre gewesen, dass der Klägervertreter eine Flugverbindung vom nahegelegenen Hamburg nach München am Terminstag wählt. Alternativ wäre zu erwarten gewesen, dass er eine Zugverbindung von Lübeck nach München wählt, die für ihn eine Abfahrt gegen 7.00 Uhr am Terminstag bedeutet hätte (hierauf hatte das Gericht hingewiesen). Selbst im Falle der Nutzung des eigenen Pkw wäre nicht zu erwarten gewesen, dass der Klägervertreter am Morgen des Vortages aufbricht. Ebenso wenig war für die Geschäftsstelle absehbar, dass die Kanzlei des Klägervertreters in dieser Zeit gänzlich verwaist war und weder eine Kanzleikraft noch er selbst (über einen mobilen Zugang) von eingehenden beA-Nachrichten Kenntnis erhält.

Die vom Kläger bemühte Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 18.04.2018, Az. 1 U 1509/17, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Entscheidung stammt aus einer Zeit vor Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches. Das Gericht hat entschieden, dass bei einer drei Tage vor dem Termin auf dem Postwege versandten Abladung nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass diese (wie notwendig) den Anwalt noch am Vorabend des Termins erreiche. Nach Auffassung des OLG Dresden wäre eine Benachrichtigung per Telefon oder per Telefax notwendig gewesen, mithin ein Kommunikationsweg, der die sofortige Kenntnisnahme ermöglicht. Einen solchen Kommunikationsweg hatte das Arbeitsgericht München hier mit beA gerade gewählt und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsgericht unter jedem denkbaren Blickwinkel davon ausgehen durfte, dass den Klägervertreter die Nachricht möglichst rechtzeitig erreicht (siehe vorstehend).“

Nun ja, kann man so sehen, kann man aber auch anders sehen. Ich bin gespannt, was das OLG München dazu sagen wird. Denn es ist Berufung eingelegt.

Wenn die Hauptverhandlung um 08.00 Uhr beginnt, oder: Nicht so schlimm, muss der Verteidiger eben früh aufstehen

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Urheber Bass2001

Als zweite Entscheidung stelle ich den LG Trier, Beschl. v. 22.03.2018 – 5 Qs 21/18 – vor. Die ist vor einiger Zeit schon in der NZV „gelaufen“. Ich habe Sie mir vom Kollegen Dr. Fromm aus Koblenz, der sie erstritten – besser „erlitten“ hat – besorgt und stelle sie heute vor.

Entschieden hat das LG über einen Terminsverlegungsantrag des Kollegen. Das AG Wittlich hatte nach fernmündlicher Abstimmung mit dem Büro des Kollegen Termin zur Hauptverhandlung auf den 29.03.2018 bestimmt und den Terminsbeginn auf 8:00 Uhr festgelegt. Nach Erhalt der Ladung stellt der Kollege den Antrag, den für den 29.03.2018, 8:00 Uhr anberaumten Termin aufzuheben und neuen Termin zu bestimmen. Zur Begründung hat er vorgetragen, er müsse von seinem Wohnsitz in Dieblich bereits vor 6:00 Uhr abfahren, um pünktlich bei Gericht zu sein. Die erfolgte Terminierung stelle deshalb eine solche zur „Unzeit“ dar und müsse aufgehoben werden.

Den Antrag hat das AG abgelehnt. Dagegen das Rechtsmittel, das beim LG keinen Erfolg hatte:

„Ob die vorliegende Beschwerde gegen die Ablehnung der Verlegung des auf den 29.03.2018, 8:00 Uhr, anberaumten Termins zur Hauptverhandlung überhaupt ein statthaftes Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung darstellt, kann vorliegend dahinstehen, da die Beschwerde im Ergebnis jedenfalls unbegründet und daher zu verwerfen ist.

Die Beschwerde gegen die Bestimmung oder Aufhebung eines Hauptverhandlungstermins, insbesondere die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung, ist nämlich grundsätzlich gem. § 305 Satz 1-StPO der bestimmt, dass Entscheidungen des erkennenden Gerichts nicht der Beschwerde unterliegen, ausgeschlossen (Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl., § 213 Rdz. 8). Sie kann aber nach einer verbreiteten Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung dann ausnahmsweise als zulässig angesehen werden, wenn sie darauf gestützt ist, dass die Entscheidung des Gerichts rechtswidrig sei, wozu auch die fehlerhafte Ausübung seines Ermessens gehören soll. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Entscheidung soll nach dieser Ansicht allerdings dem Beschwerdegericht entzogen sein (OLG Celle, NJW 2012, 246; OLG Dresden NJW 2004, 3196; OLG Frankfurt StV 1995, 9; OLG Hamburg StV 1995,11). Prüfungsmaßstab ist damit allein die Vertretbarkeit der Entscheidung.
Da diese Nachprüfung durch die Beschwerdekammer vorliegend ergibt, dass eine fehlerhafte Ausübung des dem Amtsgericht Wittlich zustehenden Ermessens nicht gegeben ist, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

Die Entscheidung des Richters, wann Termin zur Hauptverhandlung anberaumt wird, steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Das Gericht hat sich dabei insbesondere davon leiten zu lassen, dass das Verfahren beschleunigt durchgeführt werden kann (Meyer-Goßner,. a.a.O. § 213 Rdz.6). Neben der Belastung des Gerichts und der Reihenfolge des Eintritts der Rechtshängigkeit sind jedoch auch berechtigte Wünsche der Prozessbeteiligten zu berücksichtigen (BGH NStZ 1998, 311). Einen Anspruch auf Verlegung eines Termins haben diese jedoch nicht. Vielmehr hat der Richter auch über einen Terminverlegungsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung sowie der Terminplanung des Gerichts zu entscheiden (OLG Hamm, NStZ- RR 2001, 107). Ermessensfehlerhaft ist die Entscheidung lediglich dann, wenn sich das Gericht bei der Ablehnung der beantragten Terminverlegung von sachfremden und damit willkürlichen Beweggründen hat leiten lassen.

So verhält es sich vorliegend indes nicht.

So hat das Amtsgericht den Termintag als solchen mit dem Büro des Beschwerdeführers abgestimmt. Die – relativ frühe – Terminstunde hat das Gericht dagegen mit der gegenwärtigen Arbeitsbelastung und dem Beschleunigungsgebot vor dem Hintergrund drohender Verjährung und damit mit Umständen begründet, die nicht zu beanstanden sind. So hat das Gericht ausgeführt, es sei derzeit wegen gegenwärtigem hohen Geschäftsaufkommens gehalten, auch zu früheren Terminstunden zu terminieren. Zudem mache es die Kürze der geltenden Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3 StVG erforderlich, die Hauptverhandlung im Anschluss an den Eingang der Sache bei Gericht binnen sechs Monaten zu terminieren. Dies sei aktuell nur unter zeitlicher Ausdehnung der vorhandenen Sitzungstage möglich. Sachfremde Erwägungen lassen diese Ausführungen jedenfalls nicht erkennen. Zu Recht weist das Amtsgericht außerdem darauf hin, dass die gebotene Rücksichtnahme auf die persönlichen Belange der Betroffenen nicht dazu führen kann, dass eine Terminierung innerhalb der Grenzen der Verjährungsvorschriften nicht mehr erfolgen kann. Hinzu kommt, worauf das Amtsgericht ebenfalls bereits richtigerweise hingewiesen hat, dass die Fahrstrecke Koblenz (Kanzleianschrift) – Wittlich ohne Weiteres in einer Stunde bewältigt werden kann, weshalb ein Fahrtantritt zur Nachtzeit gerade nicht erforderlich ist.“

Na ja. Ich erspare mir einen weiter gehenden Kommentar, der Kollege hat in seiner Anmerkung in der NZV dazu schon alles gesagt. Hier nur soviel: Das Ganze riecht nach Retourkutsche (wofür?) oder Druck zur Einspruchsrücknahme, dennw arum kann man nicht den Termin für den nicht ortsansässigen Kollegen verlegen? Und: Wie ist das noch mit der Rechtsprechung zur Übernahme der Übernachtungskosten, wenn der Rechtsanwalt vor 06.00 Uhr die Reise zum Termin antreten muss?

Ja, ich habe gelesen, dass das LG von der Kanzleianschrift ausgeht. Trotzdem für mich nicht nachvollziehbar die Entscheidung.