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Staatshaftung bei „feindlichem Grün“? – interessanter Ansatz

© Ideeah Studio - Fotolia.com

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Wer kennt sie nicht? Die Die Rechtsfigur des enteignungsgleichen Eingriffs, während des Studiums – zumindest von mir – sehr ungeliebt, da m.E.  schwer zu packen. Zum Glück habe ich mit diesem Gewohnheitsrecht auch später nie wieder zu tun gehabt. Jetzt ist sie mir dann aber doch wieder untergekommen, allerdings an einer Stelle, an der ich nicht mit ihr gerechnet hatte. Nämlich in einem verkehrsrechtlichen (Zivil)Fall, der dann zum OLG Karlsruhe, Urt. v. 18?.?07?.?2013? – 9 U ?23?/?12? – geführt hat. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 26.05.2009 kam es gegen 22:00 Uhr auf einer Kreuzung in Emmendingen zu einem Verkehrsunfall, an welchem die Klägerin und die Zeugin K. jeweils mit ihren Fahrzeugen beteiligt waren. Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw Skoda die Freiburger Straße in Richtung Innenstadt, während die Zeugin K. von rechts auf der Kaiserstuhlstraße auf die Kreuzung mit der Freiburger Straße zufuhr. Im Bereich der Kreuzung befindet sich eine Ampelanlage. Die Verkehrsregelung durch Lichtzeichen der Ampeln wird normalerweise abends um 22:00 Uhr ausgeschaltet. Nach dem Ausschalten sind die Ampeln auf der – dann bevorrechtigten – Kaiserstuhlstraße dunkel, während die Ampeln auf der untergeordneten Freiburger Straße dann normalerweise auf gelbes Blinklicht umgeschaltet haben. Im Bereich der Kreuzung kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, wodurch am Pkw der Klägerin Sachschaden entstand.

Die Klägerin hat vorgetragen: Sie habe zunächst mit ihrem Fahrzeug vor der Kreuzung angehalten, da die Ampel für sie „rot“ gezeigt habe. Die Ampel sei dann auf „grün“ umgesprungen, so dass sie mit ihrem Fahrzeug in die Kreuzung eingefahren sei. Ein gelbes Blinklicht, welches nach dem Umschalten der Ampelanlage gegen 22:00 Uhr zu erwarten gewesen wäre, habe es beim Einfahren der Klägerin in die Kreuzung nicht gegeben. Die Zeugin K. sei gleichzeitig in die Kreuzung eingefahren, weil aus ihrer Richtung die Ampel bereits ausgeschaltet (dunkel) gewesen sei.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht von dem beklagten Land Erstattung der ihr entstandenen Unkosten verlangt, nämlich 300,00 € Selbstbehalt ihrer Kaskoversicherung, 120,67 € vorgerichtliche Anwaltskosten und 150,00 € Selbstbehalt in ihrer Rechtschutzversicherung. …“

Und die geltend gemachten Kosten hat die Klägerin auch zugesprochen bekommen. Das OLG ist von einem Entschädigungsanspruch gegen das beklagte Land ausgegangen, allerdings muss dieses die Aufwendungen der Klägerin, die ihr im anschließenden Bußgeldverfahren entstanden sind (150,00 € Selbstbehalt der Rechtschutzversicherung, nicht ersetzen.

Dazu dann die (amtlichen) Leitsätze der lesenswerten Entscheidung:

  1. Wird ein Verkehrsunfall durch einen Fehler einer Ampelanlage verursacht („feindliches Grün“), haftet der für die Straßenverkehrsbehörde verantwortliche Rechtsträger nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.

  2. Der Geschädigte muss den Fehler der Ampelanlage zum Unfallzeitpunkt beweisen. Die Anforderungen an die Beweisführung hängen vom Einzelfall ab. Unter Umständen können Zeugenangaben ausreichen, auch wenn technische Fragen des aufgetretenen Fehlers unklar bleiben.

  3. Bei einem enteignungsgleichen Eingriff schuldet der Staat keinen vollen Schadensersatz im Sinne von § 249 BGB, sondern nur eine „angemessene Entschädigung“. Dazu gehören bei einem Verkehrsunfall der Selbstbehalt in der Kaskoversicherung, der Rückstufungsschaden in der Kaskoversicherung und vorgerichtliche Anwaltskosten. Hingegen sind mittelbare Folgekosten, wie die Anwaltsgebühren für die Verteidigung in einem Bußgeldverfahren nicht erstattungsfähig.

Das feindliche Grün bei nicht aufklärbarem Unfallhergang

Der Kampf/Streit um die Haftungsverteilung spielt im Verkehrszivilrecht in der Praxis eine erhebliche Rolle. Mit den insoweit bedeutsamen Fragen befasst sich im Fall des sog. „feindlichen Grün“ das OLG Frankfurt, Urt. v. 09.10.2012, 22 U 109/11, das bei unaufklärbarem Unfallhergang im Falle von feindlichem Grün zu einer Haftungsverteilung von 50% kommt.

In dem Verfahren ging es um eine Zeugenaussage eines Beifahrers, dem das LG nicht gefolgt war. Das OLG stützt das: Es sei grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, ob durch die Aussage eines einzelnen Zeugen, der dazu noch Beifahrer ist, die Überzeugung des Richters von der Richtigkeit seiner Aussage erreicht werde. Auch wenn sich ein Zeuge ganz sicher sei (hier: dass der Fahrer an der roten Ampel angehalten hat und dann losgefahren ist), Fehler in seiner Wahrnehmung bei der Vernehmung nicht erkennbar waren, und wenn die Aussage auch sonst keine Anhaltspunkte zeige, die für eine Beeinflussung des Zeugen durch andere Faktoren sprechen könnten, und wenn der Zeuge offensichtlich auch einen glaubwürdigen Eindruck gemacht habe, so reiche dies nicht aus, um die Voraussetzungen zu erfüllen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Würdigung von Zeugenaussagen gefordert werden.

Man fragt sich: Was denn noch. Nun dafür hat das OLG einen Hinweiss:

Es ist deshalb erforderlich (BGH v. 30.7.1999 – 1 StR 618/98, NJW 1999, 2746; BVerfG v. 30.4.2003 – 2 BvR 2045/02, NJW 2003, 2444), in erster Linie Anhaltspunkte zu finden, die dafür sprechen, dass die Auskunftsperson die Wahrheit sagt (BGH v. 29.4.2003 – 1 StR 88/2003, NStZ-RR 2003, 245). Dabei nimmt man zunächst an, die Aussage sei unwahr (sog. „Nullhypothese“ – BGH, aaO.). Diese Annahme überprüft man anhand verschiedener Hypothesen. Ergibt sich, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Dies bedeutet, dass jede Zeugenaussage solange als unzuverlässig gilt, als die Nullhypothese nicht eindeutig widerlegt ist.

Schön. Die Zivilrichter schauen über den Tellerrand :-).