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Fahrtenbuchauflage trotz Einräumen des Verstoßes?, oder: Wenn Ausweisfoto und Lichtbild nicht passen

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Im „Kessel Buntes“ dann heute zwei verwaltungsrechtliche Entscheidungen.

Den Opener mache ich mit dem VG Mainz, Beschl. v. 02.03.2022 – 3 L 68/22.MZ – zu der interessanten Frage: Kann das Führen eines Fahrtenbuchs auch dann angeordnet werden, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs angegeben hat, den Verkehrsverstoß selbst begangen zu haben? Das VG Mainz sagt ja.

Ich mache es mir mit der Entscheidung einfach und stelle hier dann mal nur die PM des VG Mainz ein. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem verlinkten Volltext. In der PM heißt es u.a.:

„Mit dem Fahrzeug des Antragstellers wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer Ortschaft um (bereinigt) 28 km/h überschritten. Der Antragsteller sandte den ihm dazu von der Bußgeldbehörde zugeleiteten Anhörungsbogen mit der Angabe zurück „Ich gebe die Zuwiderhandlung zu“. Der nachfolgende Abgleich des Fahrerfotos mit dem bei der Meldebehörde betreffend den Antragsteller hinterlegten Ausweisfoto ließ die Bußgeldbehörde jedoch mit Blick auf das abweichende äußere Erscheinungsbild der beiden abgebildeten Personen zu der Überzeugung gelangen, dass der Antragsteller bei der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht der Fahrer des Kraftfahrzeugs gewesen sein könne. Unter Hinweis auf die Zweifel an der Täterschaft des Antragstellers schrieb die Bußgeldstelle diesen mehrfach mit der Bitte um Benennung des Fahrers an; eine inhaltliche Äußerung unterblieb. Eine Nachfrage bei der Meldebehörde ergab schließlich, dass lediglich die Ehefrau des Antragstellers unter dessen Anschrift gemeldet ist. Das Bußgeldverfahren wurde daraufhin eingestellt. Der Antragsgegner ordnete in der Folge gegenüber dem Antragsteller das Führen eines Fahrtenbuchs für das Tatfahrzeug für die Dauer von 12 Monaten mit Sofortvollzug an. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit einem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs an das Verwaltungsgericht. Er machte im Wesentlichen geltend, er habe die Tatbegehung schriftlich eingeräumt, so dass ihm kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei, das die Verhängung eines Fahrtenbuchs rechtfertige; der von der Bußgeldstelle vermuteten Fahrerschaft seines Sohnes sei hingegen nicht nachgegangen worden. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab.

Einem Fahrzeughalter könne das Führen eines Fahrtenbuches aufgegeben werden, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer erheblichen Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften (bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung) nicht möglich gewesen sei. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Bußgeldbehörde habe trotz aller angemessenen und zumutbaren Maßnahmen den Fahrzeugführer bei dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß nicht ermitteln können. Der Antragsteller sei der ihn als Halter eines Kraftfahrzeugs treffenden Obliegenheit, an der Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes (soweit zumutbar und möglich) mitzuwirken, nicht nachgekommen. Er habe – angesichts des evidenten Abweichens des Ausweisfotos des Antragstellers von dem anlässlich des Verkehrsverstoß erstellten Lichtbild des Fahrzeugführers – unrichtige Angaben gemacht, die geeignet gewesen seien, die Ermittlung des Täters zu verhindern. Dadurch noch verbliebene Ermittlungsansätze der Bußgeldbehörde seien ohne Erfolg gewesen. Insbesondere habe der Antragsteller auch auf Vorhalt, dass sein Tatbekenntnis nicht mit dem Fahrerfoto in Einklang zu bringen sei, keine weiteren Angaben gemacht. Nur mit dem Fahrerfoto allein sei es der Behörde unter dem Gesichtspunkt eines sachgerechten, erfolgversprechenden Aufwands jedoch nicht möglich gewesen, den Täter zu ermitteln. Die danach zulässige Fahrtenbuchauflage habe – wie generell – keine strafende, sondern eine präventive Funktion: Sie stelle eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden solle, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften unter erleichterten Bedingungen möglich seien. „

Voraussetzung der Fahrtenbuchauflage nach Straftat, oder: In Zusammenhang mit dem Führen des Kfz?

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Die zweite Entscheidung, der VG Arnsberg, Beschl. v. 31.01.2022 – 7 L 7/22 -, die mir der Kollege Wandt aus Wuppertal geschickt hat, betrifft mal wieder den § 31a StVZO, also Fahrtenbuchanordnung. Der Entscheidung liegt aber nicht der „übliche“ Sachverhalt zugrunde, sondern: Der Anordnung zugrunde gelegt werden Straftaten, und zwar vorsätzliche einfache Körperverletzung, Sachbeschädigung an nicht frei zugänglichen Orten – ohne Kfz, Beleidigung. Ausgegangen wird wohl von einem Sachverhalt dergestalt, dass „nach den übereinstimmenden Aussagen des Geschädigten und des Zeugen … der Täter vor einer roten Ampel aus seinem Auto ausgestiegen [ist], zu Fuß zu dem vor dem Fahrzeug des Täters stehenden Fahrzeug des Geschädigten gelangt und dort – durch das geöffnete Seitenfenster – handgreiflich (Prellung der Nase des Geschädigten) und beleidigend geworden“ ist. Das reicht nach Auffassung des VG nicht für die Fahrtenbuchanordnung, so dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Fahrzeughalters gegen die Anordnung wieder hergestellt worden ist:

„Der Antragsgegner kann die Anordnung der Fahrtenbuchauflage aller Voraussicht nach nicht auf § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO stützen. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verwaltungsbehörde kann nach Satz 2 ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

Unter Berücksichtigung der von dem Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid aufgrund des dort dargestellten Sachverhaltes zugrunde gelegten Straftaten (vorsätzliche einfache Körperverletzung, Sachbeschädigung an nicht frei zugänglichen Orten – ohne Kfz, Beleidigung) – liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage nicht vor. Denn es steht bereits nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit fest, dass die objektiven Tatbestände dieser Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der Führung des (früheren) Fahrzeuges des Antragstellers begangen wurden. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO bringt dadurch, dass dort auf den Fahrzeughalter und die (Unmöglichkeit der) Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften abgestellt wird, zum Ausdruck, dass die Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften jedenfalls bei oder im Zusammenhang mit der Führung des Fahrzeuges des Fahrzeughalters begangen worden sein muss. Ein Fahrzeug führt derjenige, der es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt, wobei der etwa vorhandenen Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt.

Vgl. Görlinger in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 315c StGB (Stand: 1. Dezember 2021), Rn. 31.

Der Begriff der Führung eines Kraftfahrzeuges erfasst grundsätzlich nur Bewegungsvorgänge.

Vgl. Geppert in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2007, § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis, Rn. 26.

Unter Berücksichtigung der Aussagen des Geschädigten und des Zeugen wurden die zur Anzeige gebrachten (objektiven) Tatbestände der – in dem angefochtenen Bescheid für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage zugrunde gelegten – Straftaten jedenfalls nicht bei oder im Zusammenhang mit einem Bewegungsvorgang des Fahrzeuges des Antragstellers begangen. Denn nach den übereinstimmenden Aussagen des Geschädigten und des Zeugen ist der Täter vor einer roten Ampel aus seinem Auto ausgestiegen, zu Fuß zu dem vor dem Fahrzeug des Täters stehenden Fahrzeug des Geschädigten gelangt und dort – durch das geöffnete Seitenfenster – handgreiflich (Prellung der Nase des Geschädigten) und beleidigend geworden.“

M.E. richtig. Denn die Fahrtenbuchauflage ist ja keine „Nebenstrafe“ für Straftaten im Straßenverkehr, bei denen ein Kraftfahrzeug nicht „geführt“ wird.

Fahrtenbuchauflage, oder: Anordnung eines Fahrtenbuchs gegenüber einem Betrieb

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Die zweite Entscheidung, der VG Oldenburg, Beschl. v. 30.04.2021 – 7 B 1850/21 –, befasst sich dann mal wieder mit der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) gegenüber einem Betrieb. Das VG nimmt dazu umfangreich Stellung, und zwar wie folgt:

„…. Die Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches sind erfüllt. Auch hat die Antragsgegnerin das Ermessen hinsichtlich der angeordneten Dauer von 12 Monaten angesichts der erheblichen Schwere des Delikts, das bei erfolgreicher Ahndung neben der Verhängung einer Geldbuße in erklecklicher Höhe zur Eintragung von 2 Punkten geführt hätte, zutreffend ausgeübt.

Zur Begründung wird insgesamt auf die weitgehend zutreffenden Gründe des angegriffenen Bescheides des Antragsgegners verwiesen und insoweit zusätzlich diejenigen der Antragserwiderung des Antragsgegners, denen das Gericht überwiegend folgt (Feststellung entsprechend § 117 Absatz 5 VwGO). Diese sind in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht höchstwahrscheinlich zutreffend. Ihnen gegenüber greift das Vorbringen der Antragstellerin jedenfalls insgesamt nicht durch.

Zu Lasten der Antragstellerin geht insbesondere, dass sie als Zeugin im Bußgeldverfahren angehört wurde und gleichwohl ihren dortigen Mitwirkungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Es hätte hier bei der Antragstellerin als Zeugin gelegen, innerhalb des Laufs der Verfolgungsverjährung den Fahrzeugführer mit ladungsfähiger Anschrift zu benennen und dadurch an der Aufklärung mitzuwirken. Dies hat sie unterlassen, was nun auf sie zurückfällt. Auf ein Datenschutzrecht könnte sie sich / ein Zeuge hier nicht berufen.

Die Antragstellerin hätte im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten als Geschäftsbetrieb (vgl. dazu VG Oldenburg, Beschluss vom 14. März 2017 – 7 B 1386/17 – juris) schon auf die erste Anhörung hin die ladungsfähigen Anschriften der in Betracht kommenden Fahrer angeben müssen (so schon etwa: Hess. VGH, Beschluss vom 23. November 2011 – 2 A 1618/11.Z – juris, RdNr. 6).

Für die Anordnung eines Fahrtenbuchs bei einem Geschäftsbetrieb (wie hier) kommt es auch nicht auf die Einhaltung der sogenannten Zwei-Wochen-Frist an, weil ein Geschäftsbetrieb die verantwortliche Person unabhängig vom Erinnerungsvermögen einzelner Personen feststellen können muss (Kammerbeschluss vom 30. März 2009 – 7 B 1004/09 – juris). Daneben müsste sich ein Betroffener schon im Bußgeldverfahren auf die Überschreitung dieser „Frist“ berufen (Beschl. vom 7. April 2015 – 7 B 1343/15 –).

Entsprechendes gilt bei einer schlechten Lichtbildqualität (ebd.) – wie hier -.

Das Fehlen einer entsprechenden Dokumentation fällt auf den Betrieb zurück (Beschluss des Gerichtes vom 14. März 2017 – 7 B 1386/17 – juris). Das entgegenstehende Vorbringen der Antragstellerin im vorliegenden gerichtlichen Verfahren greift dies nicht hinreichend auf und nimmt dies nur unzureichend in den Blick.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, den Anhörungsbogen nicht erhalten zu haben (vgl. dazu ihren außergerichtlichen Schriftsatz vom 9. April 2021, Bl. 43 BA, 5. Absatz): Nach ständiger Rechtsprechung reicht ein Datensatzauszug, wie er hier mit Bl. 7 des Verwaltungsvorgangs (= Beiakte) vorliegt, aus, um die Zusendung zu belegen, und gilt dieser Anhörungsbogen sodann auch als zugegangen, wenn ein Rücklauf nicht feststellbar ist, was hier sogar durch handschriftlichen Vermerk (ebenda) belegt ist, vgl. zum Ganzen z.B. Beschluss des Nds. OVG vom 6. April 2010 – 12 ME 47/10 – juris, und Beschluss vom 21. April 2021 – 12 ME 44/21 -).

Außerdem hält das Gericht fest: Bei der Bekundung, den Anhörungsbogen nicht erhalten zu haben, handelt es sich regelmäßig und insbesondere hier im Einzelfall um eine bloße Schutzbehauptung der Antragstellerseite, die unbeachtlich ist.

Schließlich könnte dies hier sogar dahinstehen, weil – insoweit überobligatorisch – der Außendienst auch noch am 26. Januar 2021 sog. Vor-Ort-Ermittlungen durchgeführt hat, die aber ebenso an der fehlenden Mitwirkung der Antragstellerin scheiterten.

Es kommt ferner darauf an, ob der Fahrzeugführer bis zum Eintritt der dreimonatigen Verfolgungsverjährung (§§ 26 Abs. 3, 24 StVG) festgestellt werden konnte. Eine Fahrerbenennung danach hilft dem Halter nicht (Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 31. Oktober 2006 – 12 LA 463/05 – juris, Rn. 6; VGH München, Urt. v. 6. Oktober 1997 – 11 B 96.4036 – juris). Auf Verschulden kommt es dabei nicht an; das entspricht dem gefahrenabwehrrechtlichen Charakter der Regelung über die Fahrtenbuchanordnung mit dem Ziel, die Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs bei gegebenem Anlass dadurch zu gewährleisten, dass in Zukunft der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit über das Fahrtenbuch alsbald ermittelt werden kann (BVerfG, Beschl. v. 7. Dezember 1981 – 2 BvR 1172/81 -, NJW 1982, 568; BVerwG, Beschl. v. 23. Juni 1989 – 7 B 90.89 -, NJW 1989, 2704, juris, Rn. 8; Nds. OVG, Beschl. v. 2. November 2006 – 12 LA 176/06 -, zfs 2007, 119, juris, v. 12. Dezember 2007 – 12 LA 267/07 -, zfs 2008, 356, juris, und v. 1. März 2016 – 12 LA 105/15 -, juris). So hat das Gericht mit Beschluss vom 14. März 2017 – 7 B 1386/17 – juris – ausgeführt (Auszug):…..“

Den Rest der umfangreichen Ausführungen und Einfügungen aus anderen Entscheidungen bitte im verlinkten Volltext selbst lesen.

Und: Zum Fahrtenbuch gibt es auch Ausführungen bei Gübner in: Burhoff (Hrsg.), Handuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren“, 6. Aufl. 2021, das man hier bestellen kann.

Ausgeliehenes Fahrzeug und Fahrtenbuchauflage, oder: Erfüllung der Mitwirkungspflicht

Am Beginn des 2. Adventswochenendes heute dann im „Kessel Buntes“ zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen. In der ersten, dem VG Saarland, Urt. v. 11.11.2020 – 5 K 715/20 – geht es mal wieder um eine Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO).

Die Klägerin wendet sich gegen eine angeordnete Fahrtenbuchauflage, die für die Dauer von 6 Monaten angeordnet worden ist. Sie ist Halterin des Pkw mit einem amtlichen Saison-Kennzeichen (März bis November) pp. Für dieses Fahrzeug wurde durch eine Geschwindigkeitsüberwachungsanlage eine am 26.03.2019 um 20:01 Uhr begangene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h festgestellt. Auf dem „Beweisfoto“ war eine männliche Person mit Vollbart abgebildet.

Mit dem „Zeugenfragebogen“ vom 09.04.2019 teilte die Zentrale Bußgeldbehörde der Klägerin mit, dass der Fahrer des Kraftfahrzeuges die Ordnungswidrigkeit begangen habe, sie wurde gebeten, den Namen und die Anschrift des Fahrzeugführers auf der Rückseite des Schreibens anzugeben. Der Zeugenfragebogen wurde wie folgt zurückgesandt: „Das Fahrzeug wurde zur Tatzeit geführt von pp.“ mit Adresse und Geburtsdatum. Die Antwort trägt das Datum 13.04.19 und eine unleserliche Unterschrift.

Daraufhin hörte die Zentrale Bußgeldbehörde Herrn pp. mit Schreiben vom 30.04.2019 als Betroffenen zur Ordnungswidrigkeitenanzeige und von der Fahrzeughalterin als Fahrzeugführer benannt an, ohne dass eine Reaktion erfolgte. Als nächstes führte die Bußgeldbehörde einen Lichtbildabgleich mit dem Personalausweisfoto von Herrn pp. durch, der zu Zweifeln an dessen Verantwortlichkeit für den Verstoß führte. Daraufhin bat die Bußgeldbehörde die Polizeiinspektion pp. um Feststellung des Fahrzeugführers, bei dem es sich wohl nicht um Herrn pp. handele. Die Polizeiinspektion pp. gab folgende Ermittlungsübersicht: „Sachverhalt nicht geklärt. Die durchgeführten Ermittlungen verliefen bisher ergebnislos. Fahrer konnte nicht ermittelt werden. Person pp. wurde bislang nicht angetroffen. Fahrerfoto mit BPA des Herrn pp. nicht identisch. Hinweise auf Fahrer liegen nicht vor.“

Die Zentrale Bußgeldbehörde stellte daraufhin das Ordnungswidrigkeitsverfahren am 04.07.2019 ein und teilte das der Klägerin mit. Am 09.07.2019 teilte sie der Klägering mit, da nicht habe festgestellt werden können, wer das Fahrzeug zur fraglichen Zeit gefahren habe, sei beabsichtigt, ihr die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten für das Fahrzeug oder ein Ersatzfahrzeug aufzuerlegen (§ 31a StVZO), und gab ihr Gelegenheit zur Äußerung (§ 28 SVwVfG). Eine Reaktion erfolgte nicht. Am 11.09.2019 wird dann die Anordnung getroffen.

Dagegen richtet sich die Klage, die keinen Erfolg hatte. Das VG führt zur Unmöglichkeit der Feststellung aus:

„Die Feststellung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrers war vorliegend auch im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn die Ermittlungsbehörden nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage waren, den Täter innerhalb der Verjährungsfrist (hier der dreimonatigen Verfolgungsverjährung nach § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 31 ff. OWiG) zu ermitteln, obwohl die angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen unternommen worden sind. Für die Beurteilung der Angemessenheit des erforderlichen Ermittlungsaufwands kommt es wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei dürfen Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde sich an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Ist der Fahrzeughalter erkennbar nicht gewillt, an der Aufklärung der Verkehrszuwiderhandlung mitzuwirken, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Weitere Ermittlungen können in einer solchen Situation nur ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn Verdachtsmomente vorliegen, die in eine bestimmte Richtung deuten und eine Aufklärung auch ohne Mitwirkung des Fahrzeughalters aussichtsreich erscheinen lassen.10

Davon ausgehend hat die Bußgeldbehörde im konkreten Fall alle ihr nach den Gegebenheiten zumutbaren und auch angemessenen Versuche zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers zum Tatzeitpunkt unternommen.

Der an die Klägerin übersandte und als Zeugenanhörung bezeichnete Anhörungsbogen wurde beantwortet und als verantwortlicher Fahrer Herr pp. bezeichnet. Die von der Bußgeldbehörde veranlassten Ermittlungen der Polizei ergaben indes, dass Herr pp. nicht der auf dem Beweisfoto abgebildete und gut erkennbare Fahrzeugführer war.

Damit hat die Bußgeldbehörde an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausgerichtet alle „angemessenen und zumutbaren“ Maßnahmen ergriffen, die im Regelfall gewöhnlich zur Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers führen. Dass es letztlich nicht hierzu gekommen ist, ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin ihrer Verpflichtung, als Halterin des Fahrzeugs aktiv bei der Ermittlung des Fahrzeugführers mitzuwirken, nicht nachgekommen ist.11 Dabei ist es von Rechts wegen unerheblich, dass sie den Zeugenanhörungsbogen ihrem Vorbringen zufolge gar nicht zu Augen bekommen hat, dieser vielmehr von ihrem Vater und Mitarbeiter in ihrem Betrieb ausgefüllt und (unleserlich) unterschrieben zurückgesandt wurde. Denn der an ihre Adresse gesandte Zeugenanhörungsbogen ist nachweislich dort und damit in ihrem Wirkungskreis angekommen. Deshalb geht es mit ihr und nicht mit der Bußgeldbehörde heim, wenn Dritte wie vorliegend ihr im Betrieb mitarbeitender Vater den allein an sie adressierten und gerichteten Anhörungsbogen ausfüllen und so unleserlich unterschreiben, dass die Bußgeldbehörde davon ausgehen muss, sie persönlich habe diese Erklärungen abgegeben. Die Bußgeldbehörde musste deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin ausschließlich Herrn pp. als den auf dem Beweisfoto gut erkennbaren Fahrzeugführer bezeichnet hat und dieser aufgrund der Ermittlungen der Polizei als verantwortlicher Fahrer nicht in Betracht kam. Damit stand und steht fest, dass die Klägerin an der Ermittlung des Fahrers nicht in der Weise mitgewirkt hat, dass der verantwortliche Fahrer ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Insbesondere ist es für die Bußgeldbehörde von Rechts wegen nicht geboten, die Fahrzeughalterin erneut zur Sache zu vernehmen, wenn diese einer auf einem Beweisfoto gut erkennbaren Person einen Namen und eine Adresse zuordnet, die sich im Nachhinein als falsch erweist. Wird einem Fahrzeughalter ein Zeugenanhörungsbogen mit einem gut erkennbaren Beweisfoto übersandt, reicht es – wie der vorliegende Fall offenkundig zeigt – zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht nicht aus, in einer Datei nachzuschauen, wer sich das Fahrzeug auf dem Papier „ausgeliehen“ hat. Vielmehr erfordert die Mitwirkungspflicht darüber hinaus, zu überprüfen, ob der „Papierausleiher“ auch die Person auf dem Beweisfoto ist. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, fehlt es an der gebotenen Mitwirkungspflicht. Handelt ein Mitarbeiter des Fahrzeughalters an dessen Stelle, ist dem Halter diese Pflichtverletzung im Rahmen des Organisationsverschuldens zuzurechnen.“

Fahrtenbuchauflage, oder: War die Feststellung des Fahrers „unmöglich“?

Und als zweite Samstagsentscheidung aus dem Themenkreis Verwaltungsrecht dann der OVG Münster, Beschl. v. 20.05.2020 – 8 A 4299/19. Er hat mal wieder Fragen in Zusammenhang mit einer Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) zum Gegenstand, und zur Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung und zur Mitwirkungsobliegenheit.

Ich beschränke mich hier auf den ausführlichen Leitsatz der Entscheidung

Unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist die Feststellung des verantwortlichen Fahrers dann, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ein Ermittlungsdefizit der Behörde liegt nicht ohne weiteres schon dann vor, wenn die Bußgeldbehörde den Fahrzeughalter über den Misserfolg ihrer bisherigen Ermittlungsbemühungen nicht in Kenntnis gesetzt und zu einer weitergehenden Mitwirkung an der Aufklärung aufgefordert hat. Hierzu kann sie mit Blick auf die Kürze der Verfolgungsverjährungsfrist und das Gebot der Angemessenheit ihrer Ermittlungsbemühungen allenfalls dann gehalten sein, wenn die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass eine erneute Kontaktaufnahme mit dem Fahrzeughalter die Ermittlungen tatsächlich fördern könnte. Allein die – immer gegebene – nur abstrakte Möglichkeit, eine erneute Anhörung oder sonstige Beteiligung des Halters könnte diesen überhaupt oder zu einer weitergehenden Mitwirkung veranlassen, genügt dafür nicht.