Seit einiger Zeit befindet sich ein wieder aufgewärmtes Gesetzesvorhaben im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BR-Drucks. 902/09): Das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik, das auf das Land Hessen zurückgeht und schon im 16. Bundestag eingebracht war, dort aber nicht mehr erledigt worden ist. Nun hat der Deutsche Richterbund (DRB) seine Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf abgegeben. Er geht davon aus, dass eine Intensivierung der Videokonferenztechnik durchaus zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen könne. Er bezweifelt allerdings, dass sich der bislang sparsame Einsatz von Videotechnik allein aufgrund der vorgeschlagenen Änderungen verbessern würde, da dieser insbesondere an der insoweit häufig mangelnden Ausstattung bei den Justizbehörden scheitert. Der DRB fordert außerdem, dass der Einsatz der Videotechnik im freien Ermessen des Gerichts stehen sollte.
Besonders interessieren mich natürlich die geplanten Änderungen in der StPO. Insoweit stellt der DRB fest, dass durch die vorgeschlagenen Änderungen die Möglichkeiten des Beschuldigten im Ermittlungs- und Hauptverfahren, seine Rechte wahrzunehmen, teils verbessert, im Übrigen aber zumindest nicht verschlechtert würden. Bedenken bestehen beim DRB gegen die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der Vorschriften über die Strafvollstreckung. Dass die vorgesehen Änderungen Beschleunigungseffekte haben würden, treffe zu. Es sei jedoch zu beachten, dass es bei den Entscheidungen, die jenen von dem Entwurf angesprochenen Anhörungen folgen, häufig auf den persönlichen Eindruck des Gerichtes von dem Betroffenen ankomme. Dieser Eindruck dürfe bei einer Videovernehmung häufig nur wesentlich schlechter zu gewinnen sein als bei einer unmittelbaren Anhörung.
Ich habe da insoweit Bedenken, weil ich diesen Gesetzesentwurf als einen ersten Einstieg in eine Neugestaltung der Hauptverhandlung ansehe. Hat man den Einsatz von Videotechnik erst einmal noch weiter zugelassen (s. § 247a Abs. 2 StPO-E), dann wird es wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis nicht nur der SV im Wege der Videotechnik gehört werden kann, sondern auch andere Verfahrensbeteiligte. Ein Einschnitt in § 250 StPO. Wo wird es enden: Gericht in Hamburg, Verteidiger in München, Zeuge in Münster und Angeklagter in Köln? Allerdings: Vielleicht retten ja die leeren Kassen den Strafprozess. Denn die Länder werden finanziell kaum in der Lage sein, die Gerichte technisch entsprechend, vor allem ausreichend auszustatten.
Die vollständige Stellungnahme des DRB mit der Nr. 10/10 finden Sie im Internetangebot des Deutschen Richterbundes (PDF); Quelle für diesen Beitrag: Aktueller Dienst von LexisNexis unter LNCA 2010, 179115 vom 19.04.2010.