Aus dem Zivilrecht stammt der BGH, Beschl. v. 19.02.2016 – XI ZB 14/15, der eine „Faxproblematik“ zum Gegenstand hat und die damit zusammenhängende Wiedereinsetzungsfrage. Ergangen ist er zwar im Zivilrecht, er kann aber auch im Strafverfahren von Bedeutung sein. Es ging um den rechtzeitigen Eingang einer Berufungsbegründung:
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 05.02.2015 gemäß der Zeitangabe auf seinem Telefaxgerät ab 23:50 Uhr versucht, eine elfseitige Berufungsbegründungsschrift an das Berufungsgericht unter der Durchwahl-nummer -3570 zu senden. Um 23:50 Uhr, 23:52 Uhr und 23:54 Uhr jeweils nach der Zeitangabe des Sendegeräts hat er die Rückmeldung erhalten: „Teilnehmer antwortet nicht“. Um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) ist ihm das Ergebnis des Sendevorgangs mit „Korrekt“ und die Dauer der Übersendung von zwölf Seiten (letzte Seite zweifach) mit 2 Minuten 50 Sekunden mitgeteilt worden. Eine ebenfalls um 23:56 Uhr (Zeitangabe Sendegerät) von einem zweiten Telefaxgerät veranlasste Übermittlung von elf Seiten an die zweite Durchwahlnummer des Berufungsgerichts -2747 ist mit „OK“ und einer Übertragungsdauer von 2 Minuten 13 Sekunden auf dem Journal des Sendegeräts niedergelegt.
Auf dem Empfangsjournal des Telefaxgeräts des Berufungsgerichts zur Durchwahlnummer -3570 ist für den 05.02.2015 ab 23:53 Uhr der Eingang eines fünfunddreißigseitigen Schriftsatzes der Rechtsanwälte S. dokumentiert, dessen Übermittlung laut Empfangsjournal 6 Minuten 13 Sekunden gedauert hat. Für den 6. Februar 2015 ist ab 00:00 Uhr der Eingang von zwölf Seiten über 2 Minuten 57 Sekunden verzeich-net. Das Empfangsjournal des zweiten Telefaxgeräts dokumentiert für den 6. Februar 2015 ab 00:00 Uhr den Eingang von elf Seiten über eine Dauer von 2 Minuten 23 Sekunden. Die Posteingangsstelle des Berufungsgerichts hat auf einem Telefax zunächst einen auf den 05.02.2015 datierten Eingangsstempel aufgebracht, den sie nachträglich auf den 06.02.2015 korrigiert hat.
Das Berufungsgericht hat nach Erteilung eines Hinweises und Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der bei der Posteingangsstelle tätigen Bediensteten die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe die Berufung nicht innerhalb der bis zum 05.02.2015 verlängerten Frist begründet. Die Übermittlung von Telefaxen sei vor Ablauf des 05.02.2015 nicht nur nicht vollendet, sondern ausweislich der Empfangsjournale nicht begonnen worden.
Der BGH hat es „gehalten“:
„2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Rechtsbe-schwerde dem Kläger Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung rechtsfehlerfrei und ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG versagt, so dass auch insoweit eine Entscheidung des Senats zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht erforderlich ist. Der Kläger war nicht ohne das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) gehindert, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht die Anforderungen, die an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts zu stellen sind, nicht überspannt.
a) Zwar darf der Prozessbevollmächtigte einer Partei bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zur äußersten Grenze ausschöpfen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebunde-nen Schriftsatz wie hier am letzten Tag der Frist einreichen will, muss aber sicherstellen, dass der Schriftsatz auf dem gewählten Übertragungsweg noch rechtzeitig vor Fristablauf bei Gericht eingeht. Das zur Fristwahrung Gebotene tut der Anwalt bei der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nur, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig beginnt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24:00 Uhr gerechnet wer-den kann (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 7 mwN).
b) Das war hier nicht der Fall. Nach den vorgenannten Grundsätzen widersprach es den Sorgfaltsanforderungen, erst wenige Minuten vor Fristablauf mit der Übersendung zu beginnen. Eine Partei muss bei der Übermittlung ihrer Schriftsätze nicht nur Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden die Belegung des Empfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2011 – XI ZB 24/10, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – III ZB 24/14, FamRZ 2015, 323 Rn. 8). Sie muss auch sicherstellen, dass der Empfang der Sendung noch innerhalb der Frist abgeschlossen werden kann.
Das hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss, nicht getan. Entsprach, wovon das Berufungsgericht aufgrund der eingeholten dienstlichen Stellungnahme zutreffend ausgegangen ist, die täglich mit einer Funkuhr abgeglichene Zeitangabe der Empfangsgeräte der physikalisch exakten Zeit und gingen damit die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten Sendegeräte vier Minuten „nach“, scheiterte die Übermittlung zwischen 23:54 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:50 Uhr) und 23:59 Uhr (Zeitangabe Sendegerät 23:55 Uhr) daran, dass, worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers eingestellt sein musste, das Empfangsgerät mit der Durchwahlnummer -3570 ausweislich des Empfangsprotokolls zwischen 23:53 Uhr und 23:59 Uhr belegt war. Damit war, was das Berufungsgericht ohne Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geschlussfolgert hat, das Fristversäumnis nicht unverschuldet, zumal für die Übermittlung ein zweites Empfangsgerät des Berufungsgerichts zur Verfügung gestanden hätte.“
Dazu passt dann der BVerfG, Beschl. v.15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 und dazu Beim Faxen keine Faxen machen, sondern: Sicherheitspolster einkalkulieren.