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Durchsuchung II: „Der Durchsuchungsbeschluss, was muss man beachten?“, oder: Grundkurs beim LG

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Die zweite „Durchsuchungsnetscheidung“ ist eine instanzgerichtliche des LG Münster. Die hat mir der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld geschickt mit der Anmerkung: Die Entscheidung stammt von seinen Mandanten, die sie selbst „erstritten“ habe und mit einer Veröffentlichung einverstanden sind.

Die Mandanten hatte gegen einen Durchsuchungsbeschluss des AG Bocholt, der in einem Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz ergangen ist, Beschwerde eingelegt. Und sie hatten damit auf ganzer Linie Erfolg. Das LG macht dem anordnenden AG einen kleinen Grundkurs unter dem Thema: „Der Durchsuchungsbeschluss, was muss man beachten?“. Zudem macht das LG in dem LG Münster, Beschl. v. 28.04.2020 – 10 Qs 10/20 – Ausführungen zur Zuständigkeit des LG als Beschwerdegericht, die ich hier aber mal außen vor lasse. Hier nur der „Grundkurs“:

„3. Die Beschwerden haben auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Borken vom 05.02.2020 ist – sowohl im Hinblick auf die angeordnete Durchsuchung als auch im Hinblick auf die angeordnete Beschlagnahme – schon deshalb rechtswidrig, weil er den formellen Anforderungen nicht genügt. Insbesondere fehlt es an einer zureichenden und einzelfallbezogenen Begründung i.S.d. § 34 StPO, wobei dieser Mangel im Beschwerdeverfahren nicht mehr geheilt werden kann.

a) Art. 13 Abs.1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. Hierdurch erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird. Entsprechend dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre behält Art. 13 Abs.2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.07.2016, Az. 2 BvR 1710/15 — beck online).

Der Richter hat die Durchsuchungsvoraussetzungen, insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, nach Aktenlage eigenverantwortlich zu prüfen. Dieses muss der Beschluss zur Erfüllung der Rechtsschutzfunktion des Richtervorbehalts nach Art. 13 Abs.2 GG auch erkennen lassen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht ermöglichen kann. Der Tatvorwurf muss im Durchsuchungsbeschluss, soweit ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks möglich, mittels Angaben über den tatsächlichen Lebenssachverhalt so genau wie möglich beschrieben werden, damit der äußere Rahmen, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist, abgesteckt wird. Darüber hinaus ist die Benennung von den Tatvorwurf stützenden Verdachtsgründen erforderlich, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Art und vorgestellter Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, sowie deren potenzielle Beweisbedeutung sind darzustellen. Schließlich muss der Beschluss erkennen lassen, dass sich der Richter von der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im engeren Sinne überzeugt hat. Sie muss im konkreten Fall zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Die Maßnahme muss zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. MüKo/Hauschild, 1. Auflage 2014, § 105 Rn 16 ff).

b) Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Borken vom 05.02.2020 in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

aa) Es lässt sich schon nicht sicher feststellen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Durchsuchung angeordnet wurde, da die Begründung des angefochtenen Beschlusses widersprüchlich ist. Wie bereits dargelegt, führt das Amtsgericht Borken einerseits aus, dass die Entscheidung auf §§ 102, 105 StPO beruhe, wobei insoweit bereits der Verweis auf § 46 OWiG fehlt, der die Vorschriften der Strafprozessordnung im Ordnungswidrigkeitenverfahren für anwendbar erklärt. Andererseits heißt es in dem angefochtenen Beschluss, dass Ermächtigungsgrundlage für das unangekündigte Betreten und Durchsuchen „§§ 16, 16 a, 24 Abs.3 Tiergesundheitsgesetz in Verbindung mit der VVVO“ seien. Vor diesem Hintergrund wird — insbesondere auch für die Beschuldigten — die Rechtsgrundlage für die angeordnete Durchsuchung schon nicht hinreichend deutlich.

bb) Überdies erfolgt keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der §§ 102, 105 StPO. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses besteht zu weiten Teilen aus der bloßen Widergabe des Akteninhalts und der Nennung von Rechtsnormen. Durch welches konkrete Verhalten die Beschuldigten zu welchem Zeitpunkt welche konkrete Ordnungswidrigkeit begangen haben sollen, lässt sich dem angefochtenen Beschluss nicht hinreichend deutlich entnehmen.

cc) Der angefochtene Beschluss lässt außerdem nicht erkennen, aus welchen Gründen die aufzufindenden Pferde und Equidenpässe als Beweismittel im Ordnungswidrigkeitenverfahren von Bedeutung sind. Gerade vor dem Hintergrund, dass aufgrund einer unangekündigten Kontrolle auf dem Hof der Beschuldigten vom 31.01.2020 bereits zweifelsfrei feststand, dass dort weiter Pferde gehalten werden, erschließt sich nicht ohne weiteres, warum diesbezüglich noch eine Durchsuchung erforderlich sein sollte, um die Pferde als Beweismittel zu beschlagnahmen. Die Beweisrelevanz der Equidenpässe für ein mögliches Ordnungswidrigkeitenverfahren liegt ebenfalls nicht auf der Hand und wird in dem angefochtenen Beschluss auch nicht näher begründet. Vielmehr deuten die Formulierungen des Amtsgerichts Borken, dass die Sicherstellung anzuordnen sei, weil ein Pferd nach § 44 VVVO nur dann in den Besitz übernommen werden dürfe, wenn ein entsprechender Pass vorgelegt werde, darauf hin, dass die Equidenpässe gerade nicht als Beweismittel, sondern vielmehr zur Durchsetzung der durch bestandskräftige Ordnungsverfügung vom 19.09.2018 angeordneten Bestandsauflösung im Wege unmittelbaren Zwangs sichergestellt werden sollten, damit die Pferde einer neuen Unterbringungsmöglichkeit zugeführt werden können. Dies ist indes kein zulässiger Durchsuchungszweck im Rahmen der §§ 102, 105 StPO.

dd) Schließlich lässt der angefochtene Beschluss auch nicht erkennen, dass eine konkrete und einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen wurde. Eine solche ist aber gerade im Ordnungswidrigkeitenverfahren von ganz erheblicher Bedeutung. Insbesondere ist bei der Abwägung zwischen den durch eine Ermittlungsmaßnahme beeinträchtigten Grundrechten und dem Verfolgungsinteresse des Staates zu berücksichtigen, dass der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit stets weniger schwer wiegt als der einer Straftat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.2016, Az. 2 BvR 2748/14 — beck online). Gerade vor diesem Hintergrund reichte der pauschale Hinweis in dem angefochtenen Beschluss, dass mildere Mittel als die Durchsuchung nicht ersichtlich seien, um den Erfolg des Zieles gleichfalls sicherzustellen, nicht aus. Vielmehr hätte es einer vertieften und einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung bedurft, wobei insbesondere die Intensität des Grundrechtseingriffs und die Schwere des Tatvorwurfs gegeneinander abzuwägen waren.

ee) In Bezug auf die Beschlagnahmeanordnung enthält der angefochtene Beschluss aus den vorgenannten Gründen ebenfalls keine zureichende und einzelfallbezogene Begründung i.S.d. § 34 StPO. Bereits die Rechtsgrundlage für die angeordnete Beschlagnahme (§ 94 StPO) wird nicht genannt. Ausführungen zu den inhaltlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Beschlagnahme fehlen vollständig, ebenso Ausführungen zur potenziellen Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände. Eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung wird auch in Bezug auf die Anordnung der Beschlagnahme nicht vorgenommen.

c) Die vorgenannten Begründungsmängel konnten im Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Borken vom 04.03.2020 und im Beschwerdeverfahren nicht mehr geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde anderenfalls unterlaufen. Auch kann die Begrenzung der Maßnahme, die durch die Begründungsanforderungen im Durchsuchungsbeschluss erreicht werden soll, durch eine erst nach der Durchführung ergehende Entscheidung nicht mehr erreicht werden. Daher können Mängel bei der richterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.07.2016, Az. 2 BvR 1710/15 — beck online).“

Zum zweiten Mal: Geht doch 🙂 .

BVerfG: Durchsuchungsanordnung ohne Tatzeitraum geht nicht, oder: Gesundbeten des GBA hilft auch nicht

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Bevor ich heute Nachmittag das RVG-Rätsel vom vergangenen Freitag auflöse, möchte ich zum Wochenauftakt zunächst zwei Entscheidungen vorstellen, die sich mit der Durchsuchung befassen.

Den Auftakt macht der BVerfG, Beschl. v. 04.04. 2017 – 2 BvR 2551/12 – folgendem Sachverhalt: Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung der Geschäftsräume der eines im Bereich der Vermögensverwaltung tätigen Unternehmens, nennen wir es U. Das Vermögen der Kunden des Unternehmens war vornehmlich bei einer H. AG angelegt. Wohl im Jahr 2010 hatte das Land NRW eine Daten-CD mit Informationen über deutsche Staatsbürger erworben, die Kunden der H. International waren und Erträge aus den dortigen Vermögensanlagen gegenüber dem Finanzamt nicht erklärt hatten. Weiterhin beinhaltete die Datensammlung bankinterne Aufzeichnungen über Lebensversicherungspolicen der L. International, in welche deutsche Kapitalanleger investiert hatten. Es wurde festgestellt, dass eine Vielzahl der Betroffenen auch Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen U unterhielt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse leitete die Steuerfahndung Strafverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen mehrere Mitarbeiter der U. ein. Das AG Bochum ordnete dann im Oktober 2011 im Rahmen eines gegen sieben Mitarbeiter geführten Verfahrens die Durchsuchung der Geschäftsräume sämtlicher Niederlassungen der U nach § 103 StPO an. Am 14. 11. 2011 wurden die Geschäftsräume aller Niederlassungen der U. durchsucht. Zahlreiche Unterlagen wurden beschlagnahmt und Daten durch Spiegelung von Laufwerken gesichert. Die U hat Beschwerde eingelegt, die vom LG Bochum verworfen worden ist. Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Nach Auffassung des BVerfG wurde der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine Durchsuchungsanordnung nicht gerecht, weil er keine Angaben zum Tatzeitraum enthielt, denn:

  • Eine ausdrückliche Angabe des Tatzeitraums enthielt der Beschluss nicht; es wurde lediglich angegeben, es bestünden Anhaltspunkte für „über Jahre hinweg“ betriebene Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
  • Auch die Sachverhaltsschilderung ließ an keiner Stelle erkennen, ab welchem Zeitpunkt die Beschuldigten mit den Beihilfehandlungen begonnen haben sollen.
  • Auch aus der Angabe, dass einer der Beschuldigte im Jahr 2006 zum Unternehmen U wechselte, ließ sich keine Beschreibung des Tatzeitraums entnehmen. Eine Begrenzung ist diesbezüglich höchstens für die ihm selbst vorgeworfenen Taten vorhanden, nicht jedoch für die der weiteren sechs Beschuldigten.

Und:

„dd) Selbst wenn – wie der Generalbundesanwalt ausführt – einem Durchsuchungsbeschluss stets eine immanente Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten eigen sein sollte, wären in dem Beschluss vom 14. Oktober 2011 jedenfalls nicht die erforderlichen Angaben enthalten, um diesen nichtverjährten Zeitraum zu bestimmen, zumal dieser je nach Tatverdächtigem und Einzeltat unterschiedlich zu bestimmen sein könnte. Gemäß § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit Beendigung der Tat. Bei Hinterziehung von Einkommensteuer ist die Tat mit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides, in dem die Steuer zu niedrig festgesetzt wurde, beendet (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2015 – 1 StR 602/14 – m.w.N.), im Fall der Begehung durch Unterlassen dann, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten im Veranlagungsbezirk für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 1 StR 172/16 – m.w.N.). Bei der Teilnahme beginnt die Verjährung mit der Beendigung der Haupttat. Da jedoch im Beschluss nicht angegeben wurde, wann die Einkommensteuerbescheide bekanntgegeben wurden beziehungsweise wann die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen waren, lässt sich anhand des Beschlusses nicht feststellen, wann die den Beschuldigten vorgeworfenen Taten verjährt waren. Eine zeitliche Begrenzung ist dem Beschluss daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu entnehmen. Hiervon unabhängig könnte eine dem Beschluss lediglich durch Auslegung zu entnehmende Beschränkung auf nichtverjährte Straftaten schon deshalb problematisch sein, weil sie praktisch kaum handhabbar wäre. Denn der Beschluss hat die Funktion, in der Situation der Durchsuchung jederzeit eine präzise und – auch im Hinblick auf jeden Beschuldigten – eindeutige Begrenzung des durch ihn legitimierten Grundrechtseingriffs zu ermöglichen.“

War wirklich ein wenig (?) „dünn“. Und das „Gesundbeten“ des GBA hat auch nichts geholfen.

Es bleibt dabei. Keine Vorratshaltung von Durchsuchungsbeschlüssen

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Das BVerfG hatte schon im BVerfG,, Beschl. v. 27.05.1997 – 2 BvR 1992/92 – zur Wirksamkeitsdauer von Durchsuchungsanordnungen Stellung genommen und festgestellt, dass diese sechs Monate nach ihrem Erlass ihre Gültigkeit verlieren. Also keine unbegrenzte Vorratshaltung. Das hat das BVerfG jetzt im BVerfG, Beschl. v. 29.02.2012 – 2 BvR 1954/11 – noch einmal bestätigt. Da hießt es im Hinblick auf eine zu treffende Kostenentscheidung:

„Das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer ist entfallen, da sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat. Der angegriffene Durchsuchungsbeschluss wurde noch nicht vollstreckt und kann auch nicht mehr vollstreckt werden, da er außer Kraft getreten ist. Der Durchsuchungsbeschluss ist am 9. Juni 2011 erlassen und vom Oberlandesgericht am 27. Juli 2011, also vor mehr als einem halben Jahr, bestätigt worden und hat daher seine rechtfertigende Kraft für die beabsichtigten Durchsuchungsmaßnahmen verloren. Spätestens nach Ablauf eines halben Jahres ist davon auszugehen, dass die dem Durchsuchungsbeschluss zugrundeliegende richterliche Prüfung nicht mehr die rechtlichen Grundlagen einer beabsichtigten Durchsuchung gewährleistet und die richterliche Anordnung nicht mehr den Rahmen, die Grenzen und den Zweck der Durchsuchung im Sinne eines effektiven Grundrechtsschutzes zu sichern vermag (vgl. BVerfGE 96, 44 <54>).“

 

LG Erfurt I – nicht nur vager Verdacht für eine Durchsuchungsanordnung

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Der mir von einem Kollegen zur Verfügung gestellte LG Erfurt, Beschl. v. 23.04.2012 – 7 Qs 101/12 – ist in doppelter Hinsicht interessant. Hier zunächst der erste Aspekt: Mal wieder nicht ausreichende Begründung einer amtsgerichtlichen Durchsuchungsanordnung.

Dazu das LG:

Der angefochtene Beschluss leidet im Lichte dieses Maßstabes unter mehreren Mängeln. So wird zwar ein Betrugsvorwurf erhoben, der dahingehende Verdacht — unberechtigter Bezug von Sozialleistungen — jedoch nicht einmal erwähnt. Weiter werden keinerlei Tatsachen an­geführt, die die vorgeworfenen Taten — immerhin Betrug, Hehlerei, Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz — belegen. Einleitend heißt es lediglich, der Be­schuldigte „soll gewerbsmäßig im Internetauktionshaus „ebay“ unter anderem raubkopierte PC-Programme und CD-Roms für Navigationssysteme vertreiben.“ Weiter habe er „nach eigenen Angaben gegenüber einem Zeugen“ einen PC erworben, der aus einer Diebstahlshandlung in einer Bank stamme. Zudem „soll (er) auch Unterlagen zur Vorlage bei Behörden verfälschen“. Diese allgemein gehaltenen Behauptungen ohne jede Angabe konkreter Be­weismittel sind nicht hinreichend, den schwerwiegenden Grundrechtseingriff der Wohnungsdurchsuchung zu rechtfertigen.

 Letztlich beruht der Durchsuchungsbeschluss einzig und allein auf den pauschalen und im Duktus des „Anschwärzens“ gehaltenen Behauptungen des Herrn X, der in XXXXXX geboren, offenbar aus einer Asylbewerberunterkunft in Deutschland wieder in sein Heimatland zurückgekehrt ist und somit nicht mehr „nachvernommen“ werden konnte. Seine im Beisein eines Dolmetschers getätigte Aussage wurde zudem nicht unmittelbar und als förmliche Zeugenvernehmung, sondern lediglich in einer polizeilichen „Kurzmitteilung“ wiedergegeben. Angesichts dieser Begleitumstände handelt es sich bei den Tatvorwürfen um nicht mehr als bloße Vermutungen, auf die ein Durchsuchungsbeschluss nach allgemeiner Auffassung nicht gestützt werden darf.

Zum anderen Aspekt nachher mehr.

Richtervorbehalt verkehrt; oder: Von der schnellen Truppe

§ 165 StPO sieht vor, dass der Ermittlungsrichter bei Gefahr im Verzug der Richter die erforderlichen Untersuchungshandlungen auch ohne Antrag vornehmen, wenn ein Staatsanwalt nicht er­reichbar ist. Diese „Erlaubnis“ hat ein Richter beim AG Dresden sehr weit gefasst. Dieser hatte im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung von dem davon betroffenen Beschuldigten erfahren, dass auch ein bislang nicht bekannter Dritter in Rauschgiftgeschäfte verstrickt sein sollte. Flugs wurde vom Richter die Durchsuchung bei diesem angeordnet, und zwar mit undatiertem Vermerk in der Akte. Der „Beschluss“ wurde dann vom Zollfahndungsamt ausgeführt.

Das LG Dresden, Beschl. v. 24.08.2011 – 3 Qs 105/11 sieht die „mündliche Durchsuchungsanordnung als rechtswidrig an, und zwar aus folgenden Gründen:

„Im vorliegenden Fall ist aber bereits eine fehlende Erreichbarkeit eines Staatsanwalts nicht erkennbar. Der Ermittlungsrichter gewann seine Erkenntnisse im Rahmen der Haftbefehlseröffnung in dem Strafverfahren gegen A., deren Vernehmung ausweislich des Protokolls um 10.50 Uhr begann und um 12.20 Uhr endete, also zu den normalen Dienstzeiten an einem Werktag. Eine Rücksprache mit der Staatsan­waltschaft Dresden gab es nicht.“

Außerdem geht das LG davon aus, dass die Durchsuchungsanordnung zwar grds. auch mündlich ergehen kann, i.d.R. aber schriftlich erfolgen sollte. Dazu heißt es im Beschluss.

„Folglich liegt es nahe, dass aus Dringlichkeitsgründen eine mündliche Durchsuchungsanordnung nur ergehen sollte, wenn bei Erlass eines schriftlichen Durchsuchungsbeschlusses das Interesse an einer wirksamen und effektiven Strafverfolgung beeinträch­tigt wäre und die Gefahr eines Beweismittelverlustes droht.

Derartige Gründe für eine mündliche Anordnung sind hier auch nicht ersichtlich, zumal diese während der normalen Dienstzeiten erlassen wurde. Nachdem die richterliche Vernehmung der gesondert Verfolgten abgeschlossen war, hätte der zuständi­ge Richter ohne Zeitverzug per Telefax ,die Staatsanwaltschaft Dresden über den Ermittlungsstand informieren und diese hätte ohne Weiteres die Durchsuchung der ent­sprechenden Räume wiederum bei dem Amtsgericht Dresden beantragen können. Der dann schriftlich ergangene Durchsuchungsbeschluss wäre angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten binnen kürzester Zeit erneut zu den zuständigen Beamten des Zollfahndungsamtes gelangt. Die Gefahr eines Beweismittelverlustes bestand – soweit ersichtlich – nicht…“

Also: Von der ganz schnellen Truppe zu sein schadet i.d.R. auch.