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Und das dicke Ende kommt dann noch hinterher, oder: Dolmetscherkosten im Strafverfahren

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In Strafverfahren kommt das dicke Ende für ausländische Angeklagte häufig hinterher, wenn Wortprotokolle aus Telekommunikationsaufzeichnungen übersetzt werden musste. Denn das ist meist zeitintensiv und verursacht hohe Kosten, die dann der verurteilte Angeklagte ggf. zu tragen hat. Die damit zusammenhängenden Fragen haben dann auch im OLG Celle, Beschl. v. 05.11.2021 – 5 StS 2/20 – eine Rolle gespielt.

Gestritten worden ist um die Angemessenheit einer Dolmetschervergütung. Der antragstellende Dolmetscher wurde vom OLG in einem Staatschutzverfahren damit beauftragt, Telefongespräche in kurdischer (?) und türkischer (?) Sprache anhand von Audiodateien aus einer Telekommunikationsüberwachung in die deutsche Sprache zu übersetzen und schriftliche Wortprotokolle anzufertigen. Geltend gemacht worden sind für doe Jahre 2020 und 2021 insgesamt 19.770,184 EUR. In seinem Antrag hatte der Dolmetscher für die im Jahr 2020 erteilten Aufträge 247,36 Gesprächsminuten, für einen Auftrag aus dem Jahr 2021 setzte er 42,35 Gesprächsminuten an. Als Stundensatz machte er für die Aufträge aus 2020 75,00 EUR geltend. Den Mehrwertsteuersatz legte er einheitlich mit 19 % zugrunde.

Das OLG hat zunächst Stellung nehmen müssen zu der Frage, ob der Anspruch ggf. im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG erloschen war, weil der Dolmetscher die Antragsfrist versäumt hatte. Das hat das OLG verneint. Dazu nur der Leitsatz:

Die Verlagerung des Beginns der Erlöschensfrist für den Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG ist auch in Verfahren anzuwenden, in denen der Berechtigte mehrfach in unterschiedlichen Funktionen, etwa als Dolmetscher, Übersetzer und Sprachsachverständiger, herangezogen worden ist.

Zur Höhe führt das OLG dann aus:

„2. Hinsichtlich der Höhe der Vergütung ist zwischen dem Zeitraum vor und nach Inkrafttreten der Änderungen des JVEG am 1. Januar 2021 zu unterscheiden. Denn gemäß § 24 Satz 1 JVEG sind die Vergütung und die Entschädigung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der Auftrag an den Sachverständigen, Dolmetscher oder Übersetzer vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Berechtigte vor diesem Zeitpunkt herangezogen worden ist.

a) Seit dem 1. Januar 2021 erhält der Übersetzer gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 JVEG n.F. ein Honorar wie ein Dolmetscher, wenn die Leistung des Übersetzers darin besteht, aus einer Telekommunikationsaufzeichnung ein Wortprotokoll anzufertigen. Das Honorar des Dolmetschers beträgt gemäß der ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Änderung des § 9 Abs. 5 Satz 1 JVEG für jede Stunde 85 Euro.

Für die nach dem 1. Januar 2021 in Auftrag gegebenen Übersetzungen sind gemäß entsprechender Überprüfung anhand der Senatsakten die insoweit von dem Antragsteller in seiner Aufschlüsselung vom 13. September 2021 zutreffend angesetzten 42,35 Gesprächsminuten zugrunde zu legen. Der von dem Antragsteller veranschlagte Zeitaufwand von 45 Minuten pro Gesprächsminute entspricht dem insoweit anerkannten Maß (OLG Stuttgart aaO; OLG Hamm, Beschluss vom 21. Februar 2019 – 4 Ws 150/18, juris; Binz in: Binz/Dorndörfer/Zimmermann, JVEG 5. Aufl., § 11 Rn. 24). Er ist zur Überzeugung des Senats vor dem Hintergrund der Schwierigkeit der Übersetzungsaufgabe, insbesondere der stellenweise schlechten Tonqualität und undeutlichen Sprache sowie der Notwendigkeit, zum Verständnis der – in Teilen konspirativ geführten – Gespräche immer wieder verschiedene Gesprächsaufzeichnungen miteinander abzugleichen, nicht überzogen.

Mithin ergibt sich für die im Jahr 2021 beauftragten Übersetzungen folgende Berechnung:  42,35 x 45 Minuten = 1. 905,75 Minuten = 31,76 Stunden x 85 Euro = 2.699,60 Euro.

b) Für die vor Inkrafttreten der Neuregelung erteilten Aufträge berechnet sich die Vergütung hingegen nach einem Stundensatz von 70 Euro.

Grundlage der Berechnung ist insoweit § 9 Abs. 1 JVEG. Der Senat bewertet die Leistung des Antragstellers aufgrund ihrer strafprozessualen Einordnung und mit Blick auf die bereits oben dargelegten besonderen Anforderungen als Sachverständigentätigkeit. Gemäß § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige für jede Stunde ein Honorar, dessen Höhe sich nach der Zuordnung zu einer bestimmten Honorargruppe richtet. Der Senat ordnet das Anfertigen von Wortprotokollen aus Telekommunikationsaufzeichnungen, das nicht einem der in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG aufgeführten Sachgebiete unterfällt, der Honorargruppe 2 mit einem Stundensatz von 70 Euro zu (ebenso OLG Stuttgart aaO; KG, Beschluss vomApril 2014 – 1 Ws 65/13, juris). Gestützt wird diese Einordnung auch dadurch, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des JVEG für diese Übersetzerleistung das Honorar eines Dolmetschers vorsieht, welches nach § 9 Abs. 3 Satz 1 JVEG in der bis zumDezember 2020 gültigen Fassung für jede Stunde 70 Euro betrug. Der vom Antragsteller insoweit angesetzte erhöhte Stundensatz von 75 Euro ist nur bei Heranziehung für simultanes Dolmetschen veranlasst. Die Anfertigung von Wortprotokollen aus Audiodateien zeichnet sich im Gegensatz zum simultanen Dolmetschen aber dadurch aus, dass das schriftlich fixierte Ergebnis der Übersetzung wiederholt korrigiert werden kann (vgl. OLG Stuttgart aaO).

Für die bis zum 31. Dezember 2020 in Auftrag gegebenen Übersetzungen sind gemäß entsprechender Überprüfung anhand der Senatsakten die insoweit von dem Antragsteller in seiner Aufschlüsselung vom 13. September 2021 zutreffend angesetzten 247,36 Gesprächsminuten zugrunde zu legen. Der von dem Antragsteller veranschlagte Zeitaufwand von 45 Minuten ist auch hier nicht zu beanstanden.

Mithin ergibt sich für die im Jahr 2021 beauftragten Übersetzungen folgende Berechnung:   247,36 x 45 Minuten = 11.131,20 Minuten = 185,52 Stunden x 70 Euro = 12.986,40 Euro.“

Die Umsatzsteuer hat das OLG dann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG  auf die gesamte Vergütung mit dem Steuersatz von 19 Prozent festgesetzt. Dabei hat es auf den Zeitpunkt der Vollendung der Leistungen abgestellt, der hier am 04.02.2ß21 gelegen hatte.

Dolmetscher bei jugendrichterlichen Weisungen, oder: Wer trägt die Dolmetscherkosten?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, geht es um die Frage: Wer trägt die Dolmetscherkosten, die im JGG-Verfahren bei Durchführung jugendrichterlicher Weisungen entstanden sind/entstehen. Ausgangspunkt ist ein Verfahren, in dem das AG Reutlingen den Angeklagten – einen Portugiesen – einer vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und aufgrund eines entsprechenden Vorschlags der Jugendgerichtshilfe – angeordnet hat, dass dieser sich einer sechsmonatigen Betreuungsweisung nach Maßgabe der Jugendgerichtsgerichtshilfe zu unterziehen hat.

Mit der Abwicklung der Auflage wurde die Jugendgerichtshilfe (Kreisjugendamt Reutlingen)  beauftragt. Der Verein Hilfe zur Selbsthilfe e.V., der ein Projekt Betreuungsweisungen unterhält, wurde wiederum von der Jugendgerichtshilfe mit der Durchführung der Betreuungsweisung beauftragt. Ein Vertreter dieses Vereins beantragte mit Schreiben vom 11.04.2017, dass seitens des AG, die Finanzierung von zwei Dolmetscherstunden für die Sprache Portugiesisch zur Durchführung der Betreuungsauflage genehmigt wird. Hintergrund war, dass die Mutter des Verurteilten kein Deutsch verstand und daher ein Gesprächstermin mit dem Verurteilten und ihr nur unter Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden konnte.

Das AG gewährte der Bezirksrevisorin bereits vorab Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Antrag und entschied, dass „im Rahmen der Vollstreckung“ des Urteils, insbesondere der dort beinhaltenen Weisung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG, die Heranziehung eines Dolmetschers (Entschädigung nach dem JVEG) für zwei Stunden für ein Gespräch im Rahmen der Betreuungsweisung mit dem Verurteilten und dessen Mutter für notwendig erachtet und ein Dolmetscher für die portugiesische Sprache „durch das Amtsgericht Reutlingen bestellt“ wird.

Dagegen das Rechtsmittel der Staatskasse, das Erfolg hatte. Das LG Tübingen hat im LG Tübingen, Beschl. v. 28.03.2018 – 3 Qs 14/17 – den Beschluss des AG aufgehoben und der Antrag auf Hinzuziehung eines Dolmetschers zur Durchführung der Weisung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG und dessen Entschädigung nach JVEG abgelehnt.

Begründung u.a.:

„c) Die Vorschrift des § 36a SGB VIII stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Frage der Kostentragung der durchgeführten Betreuungsweisung und der insoweit mit entstandenen Dolmetscherkosten dar. Die Kammer sieht obschon der teilweise geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (AG Eilenburg ZJJ 2006, 85) die Vorschrift auch als verfassungsgemäß an:

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Norm missglückt ist, entspricht sie doch angesichts des Fehlens einer durchsetzbaren Verpflichtung zur Durchführung von Weisungen nach § 10 JGG bereits nicht der im Rahmen des JGG geltenden Rechtslage. Würde eine solche durchsetzbare Verpflichtung bestehen, wäre § 10 JGG systematisch der Vollstreckung des jugendrichterlichen Urteils zuzuordnen und die anfallenden Kosten und Auslagen wären solche i.S.d. § 74 JGG – die Frage der Kostentragung würde sich mithin bei Ernstnahme der Formulierung des § 36a SGB VIII nicht stellen, weil diese hiernach nach dem GKG (hier Anlage 1 Nr. 9005) zu beantworten wäre. § 36a SGB VIII führt im Ergebnis zudem dazu, dass eine letztverbindliche Entscheidung über die Kostentragungspflicht auch bei justiziell angeordneten Maßnahmen beim Jugendamt verbleibt. Zugleich weist das JGG den Jugendgerichten einen gesetzlichen Aufgabenbereich zu, den diese zu erfüllen haben, u.a. dadurch, dass sie von der Jugendgerichtshilfe mit dem verurteilten Jugendlichen durchzuführende Auflagen, z. B. gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 JGG, anordnen. Während die Jugendgerichte mithin zur Aufgabenerfüllung in § 38 Abs. 2 §. 5 JGG gesetzlich verpflichtete Behörden zur Durchführung von Aufgaben „mittelbar verpflichten“ können, können diese die Tragung der Kosten hierfür ablehnen, auch wenn das Gericht sie hiermit betraut; ein Risiko, dass die Frage der Kostentragung bei Ablehnung durch das Jugendamt mangels anderweitiger expliziter Rechtsgrundlage offen bleibt, erscheint daher denkbar.

….

d) Aus § 36a Abs. 1 SGB VIII ergibt sich vorliegend eine Pflicht der Jugendgerichtshilfe, die Kosten der Durchführung der Betreuungsweisung und auch die Kosten eines in diesem Rahmen hinzugezogenen Dolmetschers zu tragen. § 36a Abs. 1 Hs. 1 SGB VIII sieht eine solche dem Wortlaut nach vor, wenn eine Hilfsmaßnahme „auf Grundlage der Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht“ wird.

Vorliegend hat eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe an der Hauptverhandlung teilgenommen. In ihrem bereits vorab schriftlich eingereichten Bericht hat die Jugendgerichtshilfe auf Grundlage einer umfangreichen Stellungnahme einen Sanktionsvorschlag unterbreitet – nämlich, dass es „zu begrüßen wäre, den Jugendlichen im Rahmen einer Betreuungsweisung auf seinem weiteren Weg eine zeitlang zu begleiten und zu unterstützen“. Diesen Vorschlag hat der Jugendrichter im   Urteil tenoriert. Auch der Wunsch nach der Hinzuziehung eines Dolmetschers wurde seitens der bei der Durchführung der Maßnahme behördlicherseits beauftragten Personen des Vereins Hilfe zur Selbsthilfe e.V. geäußert (so im Schreiben vom 11.04.2017), welche insoweit für die Jugendgerichtshilfe tätig wurden.

Im Rahmen der Durchführung der Maßnahme ist das Jugendamt zur Überzeugung der Kammer an das Votum ihres Vertreters im Vorfeld des Urteils gebunden und hat deshalb nach § 36a SGB VIII die Kosten für die Durchführung der ausgeurteilten Maßnahme zu tragen, auch soweit gerade das Jugendamt dahin votiert, dass zur adäquaten Durchführung der Maßnahmen bestimmte wei  tere Aufwände (wie hier der eines Dolmetschers) ergriffen werden müssen (wie hier: Brand NStZ   2007, 190; Münder SGB VIII § 52 Rn. 22; auch das Bundesverfassungsgericht zieht diese Möglichkeit im genannten Beschluss in Erwägung, a.a.O., Rn. 27). Die Jugendgerichtshilfe (und das Jugendamt als Träger) würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie zunächst nach Prüfung durch die Jugendgerichtshilfe eine Betreuungsweisung unter Einbeziehung der Jugendgerichtshilfe vorschlagen würde und eine langfristige Arbeit in diesem Rahmen mit dem Jugendlichen empfiehlt, andererseits aber die Kostentragung auf Grundlage des § 36a Abs. 1 SGB VIII später ablehnen könnte und würde.

…..

e) Die vom Amtsgericht angenommenen Voraussetzungen, um im Wege der Analogiebildung bzw. „Annexkompetenz“ über die explizit geregelte Rechtslage hinaus eine Rechtsgrundlage für die Hinzuziehung des Dolmetschers im Rahmen der Durchführung der Betreuungweisung und dessen Vergütung nach dem JVEG zu finden, lagen mithin aufgrund fehlender Regelungslücke nicht vor. Aus den seitens des Amtsgerichts wie der Bezirksrevisorin angeführten Entscheidungen des OLG Stuttgart wie auch des OLG Celle ergibt sich nichts anderes, nachdem die Entscheidung des OLG Stuttgart Urintests als Bewährungsweisung (gemäß § 56c StGB) und die Entscheidung des OLG Celle Dolmetscherkosten im Ermittlungsverfahren betrifft. In beiden Fällen ist die Annahme einer Regelungslücke hinsichtlich der Kostentragung Ausgangspunkt für die Entscheidung über das Vorliegen einer „Annexkompetenz“ (im Fall des OLG Stuttgart z. B. zu § 56c StGB). In keinem der genannten Fälle besteht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage eine Vorschrift, welche – wie hier – die Frage der Kostentragung auf erster Ebene regelt, weshalb aus der insoweit zitierten Rechtsprechung für den hiesigen Fall nichts gewonnen werden kann.

Mal was anderes, aber für den Verurteilten im Hinblick auf § 74 JGG interessant.

Dolmetscherkosten gibt es auch für TOA-Gespräche

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Heute ist Freitag und der Wochentag schließt ja „traditionsgemäß“ immer mit dem RVG-Rätsel. Und daher gibt es vorher noch zwei RVG-Entscheidungen bzw. zwei Postings mit gebührenrechtlichemn Einschlag. Und das ist zunächst der LG Köln, Beschl. v. 05.07.2016 – 113 Qs 47/16. In ihm geht es um die Erstattung von Dolmetscherkosten, die einem Angeklagten in Zusammenhang mit einem Täter-Opfer-Ausgleichsgespräch entstanden sind. Es war bei einem, „TOA_Ausgleichs-Verein“ zur Einleitung eines Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB) ein Erstgespräch geführt worden, an dem neben dem Angeklagten und seinem Verteidiger eben auch ein Dolmetscher teilgenommen hatte, da der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Kosten: Rund 260 €, die der Angeklagte ersetzt verlangt hat. Der Bezirksrevisor hat zur Erstattung ablehnend Stellung genommen mit der Begründung, „dass diese Kosten nicht erstattungsfähig seien, da es sich um solche Dolmetscherkosten gehandelt habe, „die in geführten Gesprächen mit Dritten entstanden“ seien. Aus Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK ergebe sich zudem „kein Recht des Angeklagten, von jeglichen Dolmetscherkosten freigestellt zu werden“.“ Das Ag war auf diesen Zug aufgesprungen und hat die Erstattung abgelehnt. Das LG setzt fest:

Es ist anerkannt (EGMR, Urt. v. 23.10.1978, Fundstelle: NJW 1979, 1091 f. nach beck-online; BGH, Beschl. v. 26.10.2000, -3 StR 6/00-, nach juris; Schmitt in: Meyer/Goßner, StPO, 59. Auflage 2016, Anh. 4 zu Art. 6 MRK Rn. 25 mit weiteren Nachweisen), dass über die gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK dem Wortlaut nach garantierte unentgeltliche Zur-Verfügung-Stellung eines Dolmetschers im gerichtlichen Verfahren hinaus dem ausländischen Angeklagten, der der Landessprache nicht ausreichend mächtig ist, auch ein Anspruch darauf zusteht, dass ihm für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger ein Anspruch auf unentgeltliche Hinzuziehung eines Dolmetschers zusteht. Hintergrund dieser weiten Auslegung des Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK ist, dass nach den Maßstäben der EMRK der Anspruch des der Gerichtssprache nicht kundigen Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren es gebietet, ihm nicht nur alle ihm gegenüber vorgenommenen, maßgeblichen schriftlichen und mündlichen Verfahrensakten kostenlos in einer ihm verständlichen Sprache bekannt zu geben, sondern es ihm auch zu ermöglichen, alle von ihm in Ausübung seiner strafprozessualen Rechte abgegebenen mündlichen und schriftlichen Erklärungen unentgeltlich in die Gerichtssprache übertragen zu lassen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich ist (so ausdrücklich BGH, a.a.O. Rn. 20 bei juris).

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Sinne war es in Person des Betroffenen auch erforderlich, auf entsprechenden Rat seines Verteidigers hin, mit diesem einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a StGB anzustreben und hierfür ein durch einen Dolmetscher begleitetes Erstgespräch bei dem für die Anbahnung einer derartigen strafprozessual anerkannten Verständigung von Täter und Opfer in den Räumlichkeiten des Vereins die Waage Köln zu führen. Dabei ist nämlich zu bedenken, dass die Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB bzw. das Absehen von Strafe, das ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB ermöglicht, anerkanntermaßen stets einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraussetzt (Fischer, StGB, 63. Auflage 2016, § 46a Rn. 10a mit Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung), regelmäßig in Form eines Geständnisses des Täters (BGH, Urt. v. 19.12.2002, -1 StR 405/02-, nach juris). Dieser kommunikative Prozess ist vorliegend damit in Gang gesetzt worden, dass der Betroffene (mit seinem Verteidiger) die Tat und seinen Verantwortungsbeitrag aus seiner Sicht gegenüber der Mitarbeiterin der Waage Köln geschildert hat. Dieses Gespräch, für das der Betroffene aufgrund seiner nicht ausreichenden Deutschkenntnisse einen Dolmetscher benötigt hat, hat daher das Ziel verfolgt, eine günstigere strafrechtliche Beurteilung durch das erkennende Gericht zu erfahren, war daher also die Inanspruchnahme eines ihm durch die Strafprozessordnung in § 46a StGB zur Verfügung gestellten Rechts. Da dieses Gespräch demnach Teil des (vorbereitenden) Strafverfahrens, mithin einer wirksamen Verteidigung – was auch darin zum Ausdruck kommt, dass das Verfahren aufgrund dieses Ausgleichversuchs schließlich eingestellt worden ist, wie sich aus der Verfügung des Abteilungsrichters vom 11.02.2015 ergibt –, gewesen ist, hatte der Betroffene auch einen aus Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK resultierenden Anspruch auf Erstattung der hierbei angefallenen Dolmetscherkosten.

Soweit der Bezirksrevisor und ihm folgend das Amtsgericht in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss ausgeführt haben, dass diese Kosten nicht erstattungsfähig seien, da es sich um solche Dolmetscherkosten gehandelt habe, „die in geführten Gesprächen mit Dritten entstanden“ seien, greift das zu kurz. Richtig ist daran lediglich, dass – wie bereits dargelegt – nicht sämtliche Dolmetscherkosten, die im Rahmen von Gesprächen anfallen, die ein Angeklagter unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers vor einem Strafverfahren führt, erstattungsfähig sind. Nicht erstattungsfähig sind jedenfalls solche Gespräche, die – wie z.B. Besuchsgespräche des Angeklagten in Untersuchungshaft (OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 20.06.2002, -1 Ws 102/02-; nach juris) – in keinem Zusammenhang mit der Ausübung prozessualer Rechte bzw. einer wirksamen Verteidigung des Angeklagten stehen. Um ein solches Gespräch mit einem „Dritten“ hat es sich aber vorliegend – wie im Einzelnen dargelegt – gerade nicht gehandelt.“

M.E. richtig und alles gut. Allerdings bis auf den letzten Absatz. Die dort zitierte Entscheidung des OLG Schleswig und die darauf gestützte Auffassung des LG – wenn ich es denn richtig verstehe – dürfte druch die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. NJW 2004, 1095) inzwischen überholt sein.

„Die Rechtsansicht des BVerfG …. wird hier nicht praktiziert“… so schreibt die Amtsinspektorin in Kassel

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Und nach dem Beitrag OVG Münster zickt, oder: Rüffel für das BVerfG aus Münster zum OVG Münster, Beschl. v. 26.11.2015 – 16 E 648/15 ein Posting, das man beim BVerfG sicherlich nicht gern liest (ist natürlich im übertragenen Sinn gemeint, da ich nicht davon ausgehe, dass man beim BVerfG dieses Blog liest 🙂 ). Es geht zurück auf die Zuschrift eines Kollegen, der in seinem Anschreiben das Gefühl geäußert hat, „dass die Kostenschraube bei der Erstattung von Pflichtverteidigergebühren/Auslagen immer weiter angezogen wird.“ Und als „als krönendes Beispiel aus jüngster Zeit“ hat er mir dann ein Schreiben der Justizbehörden Kassel vom 08.12.2015 übersandt.

Das ist dem Kollegen in einem Strafverfahren zugegangen. Der Mandant sitzt ein in der JVA Kassel, der Kollege ist/war Pflichtverteidiger. Der Kollege wurde diesem am 07.09.2015 beigeordnet, nachdem er ihn zuvor u.a. am 24.08.2015 und 01.09.2015 in der JVA Kassel aufgesucht hatte. Bei diesen Besuchen wurde er jeweils von einer Dolmetscherin begleitet. In Kenntnis der herrschenden Rechtsprechung hat der Kollege, wie erschreibt – sich „natürlich nicht damit aufgehalten, das Gericht zunächst um die Genehmigung dieser Dolmetscherkosten zu bitten.“ Im Regelfall mache er die Erstattung entsprechender Dolmetscherkosten später geltend. In diesem Falle habe der die Dolmetscherrechnungen für die Besuche vom 24.08.2015 und 01.09.2015 mit Schreiben vom 06.12.2015 bei dem AG Kassel eingereicht.

Und dann ereilt ihn das Schreiben der Anweisungsstelle vom 08.12.2015. Das muss man sich nun wahrlich auf der „Zunge zergehen lassen“:

„Sehr geehrte Damen und Herren Rechtsanwälte,

auf ihren Antrag vorn 6.12.2015 wird mitgeteilt, dass der Anspruch auf Zahlung der Dolmetscherleistung bzgl. der Termine erloschen ist, da er nicht binnen drei Monaten bei Gericht geltend gemacht wurde.

Ihr Entschädigungsantrag ist daher abzulehnen. Das hiesige Schreiben vom heutigen Tag an die Dolmetscherin, Frau ppp.         wird beigefügt.

Auf § 2 Abs. 2 JVEG wird hingewiesen.

In einem anderen Strafverfahren liegt Ihre Erinnerung z.Z. der Bezirksrevisorin vor.

Im Übrigen wird bei der Justiz in Kassel für die Abrechnung eines Dolmetschergespräches auf Kosten der Staatskasse ein Beschluss gem. Art. 6 MRK benötigt. Die Rechtsansicht des Bundesverfassungsgerichts von 2001 wird hier nicht praktiziert.

Für den Beschluss gem. Art. 6 MRK vom 14.08.2015 für ein Dolmetschergespräch wurde die Dolmetscherrechnung vom 5.11.2015 (Termin vom 5.11.2015) abgerechnet.

Mit freundlichen Grüßen

pppppp.

Amtsinspektorin“

Aber hallo, das wird das BVerfG aber freuen, dass die „Amtsinspektorin“ mitteilt, dass die Rechtsprechung der BVerfG in Kassel „nicht praktiziert wird“ = in Kassel nicht interessiert. Bisher hatte ich gedacht, dass an sich doch nur Bayern ggf. ein anderer Rechtskreis ist :-), nun der LG-/AG-Bezirk Kassel aber offenbar auch. § 31 Abs. 1 BVerfGG gilt in Kassel also nicht.

Im Übrigen ist das Ausgeführte m.E. auch – mit Verlaub – Unfug und widerspricht nicht nur der Rechtsprechung des BVerfG, sondern auch der anderer Obergerichte. Ich erinnere nur an BGHSt 46, 178 und die OLG-Rechtsprechung.

Und was – liebe Frau Amtsinspektorin – soll der Hinweis auf § 2 Abs. 2 JVEG? Das ist ganz großer Unfug. Wir sind nicht im JVEG, sondern in § 46 RVG. Und da geht es nur wegen der Höhe in § 46 Abs. 2 Satz 2 RVG nach dem JVEG. Alles andere ist „Kassler Landrecht“.

Mich machen solche Entscheidungen „fassungslos“. Das wird für einen ganz Gerichtsbezirk die Rechtsprechung des BVerfG, des BGH und der OLG negiert. Man „praktiziert“ sie nicht. Der Kollege wollte an den LG-Präsidenten und das BVerfG schreiben. Ich habe ihm geraten, das zu lassen. Was soll es bringen, beide werden sich nicht in das Verfahren einklinken? Obwohl: Vielleicht wäre es mal für das BVerfG interessant zu erfahren, was man so von seiner Rechtsprechung hält.

Ich habe dem Kollegen vielmehr geraten, das auf keinen Fall hinzunehmen, sondern ins Rechtsmittel zu gehen. Er wird berichten. Und ich dann auch.