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Das kurzfristig aufgestellte Haltverbotsschilder, oder: Abschleppen aber erst nach Vorlaufzeit von drei vollen Tagen

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Als zweite „Samstags-Entscheidung“ dann das BVerwG, Urt. v. 24.05.2018 – 3 C 25.16 – und damit seit längerem mal wieder etwas zum Abschleppen. Entschieden hat das BVerwG die Frage der die Länge der Vorlaufzeit, die Voraussetzung der kostenrechtlichen Inanspruchnahme des Fahrzeugverantwortlichen für eine Abschleppmaßnahme bei nachträglich angeordneten Haltverboten ist.

Ausgangspunkt war folgender Sachverhalt:

Die Klägerin stellte ihren Personenkraftwagen nach eigenen Angaben am 19. August 2013 auf einer öffentlichen Straße in Düsseldorf vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung ab und flog anschließend in den Urlaub. Am Vormittag des 20. August 2013 stellten Mitarbeiter eines privaten Umzugsunternehmens – auf der Grundlage einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung der beklagten Stadt vom 15. August 2013 – in dem betreffenden Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines Umzugs zwei mobile Haltverbotsschilder für den Zeitraum vom 23. bis zum 24. August, jeweils von 7:00 bis 18:00 Uhr, auf. Das Fahrzeug der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits im Bereich der eingerichteten Haltverbotszone geparkt. Am 23. August 2013 um 13:43 Uhr veranlasste ein Mitarbeiter der beklagten Stadt, nachdem er mehrfach erfolglos an der Wohnung der Klägerin geklingelt hatte, dass das Fahrzeug von einem Abschleppunternehmen auf dessen Betriebshof geschleppt wurde. Dort holte es die Klägerin am 5. September 2013 gegen Zahlung von 176,98 € für Abschlepp- und Verwahrungskosten ab. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 setzte die Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 62 € fest.

Die auf Erstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten und Aufhebung des Gebührenbescheids gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Verkehrsschilder seien gut erkennbar aufgestellt und das Haltverbot damit wirksam bekanntgegeben worden. Die Abschleppmaßnahme sei erforderlich gewesen, um die blockierte Fläche für die mit der temporären Verkehrsregelung bezweckte Durchführung der Umzugsarbeiten freizugeben und die eingetretene Behinderung der Umzugsarbeiten zu beenden. Mildere Mittel zur Störungsbeseitigung hätten nicht bestanden, weil die in unmittelbarer Nähe wohnende Klägerin nicht erreichbar gewesen sei. Auch die Kostenbelastung der Klägerin sei nicht unangemessen. Der Umstand, dass Haltverbotsschilder erst nach dem rechtmäßigen Abstellen eines Fahrzeugs aufgestellt worden seien, stehe der Verhältnismäßigkeit der Belastung des Fahrzeugverantwortlichen mit den Kosten für das Abschleppen des Fahrzeugs aus dem Haltverbot im Regelfall nicht entgegen, wenn zwischen dem Aufstellen der Haltverbotsschilder und der Abschleppmaßnahme – wie hier – eine Frist von 48 Stunden verstrichen sei. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge nichts anderes. Dieser lasse sich nicht entnehmen, dass die gebilligte Vorlaufzeit von drei vollen Tagen als zwingend einzuhaltende Mindestvorlauffrist verstanden werden müsse. Eine Frist von 48 Stunden sei grundsätzlich ausreichend, um den Fahrzeughalter vor einer überraschenden Abschleppmaßnahme zu bewahren. Nur so könne auch eine hinreichend flexible Reaktionsmöglichkeit der Straßenverkehrsbehörden gewährleistet werden.“

Das BVerwG meint dazu:

„Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (1.). Zutreffend und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung hat das Berufungsgericht zwar entschieden, dass mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen das Haltverbot auch gegenüber der abwesenden Klägerin wirksam geworden ist und die Abschleppmaßnahme auch im Übrigen rechtmäßig war (2.). Die Auffassung, der Verantwortliche müsse die Kosten des Abschleppens bereits dann tragen, wenn das Haltverbotsschild mit einem Vorlauf von 48 Stunden aufgestellt wurde, verstößt aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (3.)….“

Und hier der Leitsatz:

„Ist ein ursprünglich erlaubt geparktes Fahrzeug aus einer nachträglich eingerichteten Haltverbotszone abgeschleppt worden, muss der Verantwortliche die Kosten nur tragen, wenn das Verkehrszeichen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei vollen Tagen aufgestellt wurde. Eine stundenscharfe Berechnung des Vorlaufs findet nicht statt.

Keine MPU bei erstmaliger Trunkenheitsfahrt unter 1,6 Promille BAK, oder: Gilt auch in Bayern

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Schon einige Zeit hängt in meinem Ordner „Kessel Buntes“ das BVerwG, Urt. v. 06.04.2017 – 3 C 24.15 und das BVerwG, Urt. v. 06.04.2017 – 3 C 13.16. Das lag aber nicht daran, dass ich das Urteil übersehen hatte, sondern an dem Umstand, dass das BVerwG sehr lange gebraucht hat, bis der Volltext zu den Entscheidungen (endlich) da war. Das ist nun der Fall, so dass ich über die Entscheidungen, die ja auch schon andere Blogs beschäftigt haben, hier berichten kann.

Es geht um die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrten. Gegen die beiden Kläger waren nach Trunkenheitsfahrten mit einem Kfz durch Urteil bzw. Strafbefehl Geldstrafen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) verhängt worden. Zudem wurden die Fahrerlaubnisse entzogen (§ 69 ff. StGB). Die BAK im jeweiligen Tatzeitpunkt hatten bei 1,13 Promille bzw. 1,28 Promille gelegen. Die Kläger stellten zum Ablauf der Sperrfrist jeweils Anträge auf Wiedererteilung bei den zuständigen Verwaltungsbehörden. Diese stellten sich auf den Standpunkt, nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht (§ 69 StGB) sei in jedem Fall, unabhängig von der erreichten BAK, eine MPU der Fahreignung durchzuführen. Beide Kläger haben sich geweigert, Gutachten vorzulegen und erhoben Verpflichtungs- bzw. Untätigkeitsklage.

Die Klagen blieben erfolglos (vgl. u.a. zu einem Verfahren „Die spinnen die Bayern“ (?), oder: MPU/“Idiotentest“ jetzt ggf. auch schon bei 0,3 Promille?). Begründung: Die Fahrerlaubnisbehörde sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet gewesen. Das Strafgericht habe die Fahrerlaubnis wegen (fahrerlaubnisrechtlichen) Alkoholmissbrauchs und damit aus einem der in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c FeV genannten Gründe entzogen. Nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis, die auf der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (hier: § 316 StGB) beruhe, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der BAK die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne Ermessensspielraum erforderlich.

Das sieht das BVerwG anders:

„Das Berufungsgericht ist der Auffassung, nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen (im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH Mannheim, Urteile vom 18. Juni 2012 – 10 S 452/10 – VBIBW 2013, 19 und vom 7. Juli 2015 – 10 S 116/15ZfS 2015, 539 sowie Beschluss vom 15. Januar 2014 – 10 S 1748/13 – VBIBW 2014, 348; diesem folgend auch OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 1 M 123/12VRS 127, 269 = juris Rn. 14 ff.; zustimmend Rebler, in: Müller/Rebler, Die Klärung von Eignungszweifeln im Fahrerlaubnisrecht, 2. Aufl. 2017, S. 159; offen lassend OVG Münster, Beschluss vom 21. Januar 2015 – 16 B 1374/14DAR 2015, 606 = juris Rn. 10 sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2015 – OVG 1 S 123.14 – VerkMitt 2015 Nr. 55 = juris Rn. 4; ablehnend VG Würzburg, Beschluss vom 21. Juli 2014 – W 6 E 14.606DAR 2014, 541; VG Regensburg, Beschluss vom 12. November 2014 – RO 8 K 14.1624DAR 2015, 40; VG München, Urteil vom 9. Dezember 2014 – M 1 K 14.2841DAR 2015, 154; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 13 FeV Rn. 26b; Koehl, DAR 2016, 47; Mahlberg, DAR 2014, 419 und 603; Zwerger, DAR 2015, 157; kritisch auch Dronkovic/Kalus, DAR 2016, 191). Diese Auffassung ist mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a bis c FeV nicht vereinbar. Lag die Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille, so bedarf es bei einer einmalig gebliebenen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zusätzlicher Tatsachen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht genügt für sich gesehen nicht……….“

Lediglich dann, wenn sich konkrete Tatsachen ergeben sollten, die Grund für die Befürchtung seien, es könnten in Zukunft weitere Trunkenheitsfahrten begangen werden, könne – so das BVerwG – eine MPU-Anordnung begründet sein. Diese Tatsachen seien jedoch nicht allein in der strafgerichtlichen Entziehung zu sehen, denn diese erfolge in den Fallgruppen des § 69 Abs. 2 StGB aufgrund einer Vermutungsregel.

Damit gilt (wieder) – auch in Bayern 🙂 :Wenn ein Strafgericht die Fahrerlaubnis unter Anwendung des § 316 StGB entzieht, der BAK-Wert jedoch unter 1,6 Promille liegt, kann im Regelfall keine MPU im Neuerteilungsverfahren verlangt werden. Dies gilt jedenfalls bei Ersttätern und bei Fehlen weiterer konkreter Tatsachen für künftigen, verkehrsrechtlich relevanten Alkoholmissbrauch. Eine Abweichung kann sich allerdings im Einzelfall ergeben. Dafür müssen aber konkrete Tatsachen vorliegen.

Fahrerlaubnisrecht: Auch ein Asylbewerber ohne Pass darf den Führerschein machen….

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Ich habe schon länger keinen Beitrag mehr zum Verkehrsverwaltungsrecht gebracht. Heute ist Samstag und da passt dann aber ein solcher Beitrag ganz gut in den „Kessel Buntes“. Ich stelle daher das BVerwG, Urt. v. 08.09.2016 – 3 C 16.15 – vor, dessen Volltext in der vergangenen Woche veröffentlicht worden ist.

Entschieden worden ist über die Klage eines nach seinen Angaben aus Afghanistan stammenden Asylbewerbers. Der wollte in der Bundesrepublik Deutschland eine Fahrerlaubnis erwerben. Er hat im Januar 2013 – also kein Asylbewerber der „Flüchtlingswelle“ des Jahres 2015  – beantragt, als Identitätsnachweis für den Fahrerlaubniserwerb die ihm in Deutschland ausgestellte und mit einem Lichtbild versehene Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung genügen zu lassen. Das hat die Verwaltungsbehörde abgelehnt. Begründung:  Nach der FeV sei zur Überprüfung der Identität des Bewerbers u.a. ein amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt beizubringen sei. Diesen Anforderungen genüge die vorgelegte Bescheinigung nicht, denn die Eintragungen zu Tag und Ort seiner Geburt beruhten ausschließlich auf den eigenen Angaben des Führerschienbewerbers. Die dagegen gerichtete Klage des Asylbewerbers hatte beim VG Erfolg. Die Berufung der Behörde hat der HessVGH zurückgewiesen. Und auch die Revision der Behörde hatte beim BVerwG keinen Erfolg. Das hat mit Urt. v. 08.09.2016 die Revision zurückgewiesen.

Die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens mit Lichtbild und dem Vermerk, dass die Personenangaben auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen, kann als Nachweis von Tag und Ort der Geburt bei der Beantragung einer Fahrerlaubnis genügen. Etwas anderes gilt, wenn konkrete Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen.
  2. Eine solche anerkennungsfähige Bescheinigung genügt dann auch für den Sachverständigen oder Prüfer, um sich vor der theoretischen und praktischen Fahrprüfung davon zu überzeugen, dass der Prüfling mit dem Antragsteller identisch ist. Gleiches gilt für die Identitätsfeststellung vor der Aushändigung des Führerscheins.

Liegt m.E. auf der Hand, denn wie sonst soll in diesen Fällen der Identitätsnachweis geführt werden?

Wie sichtbar muss ein Parkverbot sein, oder: Nachschaupflicht?

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Urheber Mediatus

Die Konstellation, die das BVerwG im BVerwG, Urt. v. 06.04.2016 – 3 C 10.15 –  entschieden hat, trifft man in der Praxis häufig(er) an: Ein Pkw wird in einem Straßenabschnitt geparkt, wo wegen eines demnächst stattfindenden Straßenfestes durch vorübergehend angebrachte Verkehrszeichen ein absolutes Haltverbot (Zeichen 283) ausgeschildert ist. Die Verwaltungsbehörde veranlasst dann die Umsetzung dieses Fahrzeugs durch ein Abschleppunternehmen und nimmt den Halter auf Zahlung einer Umsetzungsgebühr in Anspruch. So geschehen 2012 in Berlin. Da ging es um die Zahlung von 125 €. Der „Falschparker“ hat geklagt und u.a. eingewandt,  die Verkehrszeichen seien nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennbar gewesen; daher seien die Haltverbote nicht wirksam bekanntgemacht worden.

Er hatte beim VG und auch beim OVG Berlin-Brandenburg keinen Erfolg. Das OVG ist von einer anlasslosen Nachschaupflicht ausgegangen und hat angenommen, dass das Haltverbot für den Kläger erkennbar gewesen wäre, wenn er dieser Nachschaupflicht genügt hätte. Anders das BVerwG. Es verweist darauf, dass Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr ihre Rechtswirkungen zwar gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer äußern, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Aber: Sie müssen so aufgestellt sein, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Ge- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde. Zu einer Nachschau ist der Verkehrsteilnehmer nach Auffassung des BVerwG nur verpflichtet, wenn hierfür ein Anlass besteht. Und dazu:

„Anlass für eine über den einfachen Rundumblick nach dem Abstellen des Fahrzeugs hinausgehende Nachschau, etwa durch Abschreiten des Nahbereichs, kann beispielsweise bestehen, wenn ein Halt- oder Parkverbotszeichen durch dort abgestellte besonders hohe Fahrzeuge verdeckt sein könnte oder wenn die Sichtverhältnisse wegen Dunkelheit oder der Witterungsverhältnisse so beeinträchtigt sind, dass der Verkehrsteilnehmer damit rechnen muss, Verkehrszeichen schon deshalb nicht zu erkennen.“

Ganz interessante Ausführungen zum Sichtbarkeitsgrundsatz, der ja auch im Bußgeldverfahren eine Rolle spielen kann.

Die Fahrtenbuchauflage beim Motorradfahrer – da “darf es etwas mehr sein”

© Thaut Images - Fotolia.com

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Wer dieses Blog ein wenig verfolgt, weiß, dass ich an sich nicht – oder nur sehr selten-  zu PM blogge. Manchmal mache ich dann aber doch eine Ausnahme. So dann auch auch beim BVerwG, Urt. v. 28.05.2015 – 3 C 13/14. Und zwar aus saisonbedingten Gründen 🙂 . Es geht nämlich um die Länge der Dauer der Fahrtenbuchauflage bei nur saisonal genutzten Motorrädern. Dazu hat das BVerwG jetzt entschieden, und zwar, wenn ich es richtig sehe zum OVG Lüneburg, Urt. v. 08.07.2014 – 12 LB 76/14 (vgl. dazu: “Darf es etwas mehr sein?” oder: Die Fahrtenbuchauflage beim Motorradfahrer). Kurzfassung der Revisionsnetscheidung: Das BVerwG beanstandet es nicht, wenn die Behörde die Festsetzung einer gegenüber Personenkraftwagen längeren Dauer einer Fahrtenbuchauflage darauf stützt, dass der Verkehrsverstoß mit einem nur saisonal genutzten Motorrad begangen wurde. Dazu aus der PM:

Der Kläger wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage. Er ist Halter eines Motorrads, mit dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Nachdem der Kläger keine Angaben zum Fahrer des Motorrads machte, der auch nicht anderweitig ermittelt werden konnte, ordnete das Landratsamt an, dass der Kläger für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch führen müsse. Da das Tatfahrzeug ein Motorrad war, setzte das Landratsamt dabei entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für die Fahrtenbuchauflage eine um drei Monate längere Dauer fest als bei einem entsprechenden Verkehrsverstoß mit einem Personenkraftwagen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass Motorräder anders als Personenkraftwagen in der Regel nicht ganzjährig genutzt würden, mit der Fahrtenbuchauflage aber die gleiche Wirkung erzielt werden solle. Auch der Kläger habe sein Motorrad in den Wintermonaten jeweils durchschnittlich sechs Monate außer Betrieb gesetzt. Die gegen die Fahrtenbuchauflage gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Gegen die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen für die Festlegung der Dauer der Fahrtenbuchauflage war revisionsrechtlich nicht zu erinnern. Der Beklagte bemisst die Dauer zu Recht grundsätzlich nach der Gewichtigkeit des Verkehrsverstoßes, dessen Täter trotz hinreichender Aufklärungsbemühungen nicht ermittelt werden konnte. Ebenso wenig war die Verlängerung der Fahrtenbuchauflage zu beanstanden, die der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis vorsieht, wenn es sich bei dem Tatfahrzeug – wie auch im Falle des Klägers – um ein nur saisonal genutztes Motorrad handelt; ein solches Vorgehen genügt den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In solchen Fällen dient die Bestimmung einer längeren Frist als bei typischerweise ganzjährig genutzten Personenkraftwagen dazu zu verhindern, dass die zum Schutz der Verkehrssicherheit ergangene Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, teilweise – nämlich in der Zeit der Stilllegung des Motorrads – leerläuft. Zugleich wird der Halter eines nur saisonal genutzten Motorrads durch die Fahrtenbuchanordnung während der Zeit ohnehin nicht belastet, in der er sein Fahrzeug außer Betrieb genommen hat.“