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KiPo II: Bei einer Durchsuchung übersehener USB-Stick, oder: Hatte der Angeklagte noch wissentlichen Besitz?

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Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich heute um das AG Pforzheim, Urt. v. 14.09.2023 – 2 Ls 33 Js 3824/22. Das AG hat den Angeklagten vom Vorwurf des Besitzes kinderpornografischer Inhalte gem. § 184 b Abs. 3 StGB frei gesprochen. Begründung:

„Anlässlich der Durchsuchung in der pp.-Straße in pp. am 21.06.2022 zwischen 07.45 Uhr und 09.25 Uhr aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Pforzheim, 9 Gs 100/22 vom 17.05.2022 wurde unter anderem ein USB Stick (Asservat 1.4), welcher dem Angeklagten gehört, sichergestellt und beschlagnahmt. Auf dem USB Stick befanden sich siebzehn kinderpornograifsche Videodateien, was der Angeklagte wusste.

Die Dateien zeigen teilweise sexuellen Missbrauch von Kleinkindern, die Vornahme sexueller Handlungen an und von Kindern sowie die Zurschaustellung von Kindern in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung sowie Geschlechtsteilen in sexuell aufreizender Art und Weise und geben ein tatsächliches und wirklichkeitsnahes Geschehen wieder. Dem Angeklagten war dies aufgrund der Bilder ebenso bewusst wie das kindliche Alter der Darsteller.

Ferner war dem Angeklagten bewusst, dass die Dateiinhalte ohne die Vermittlung weiterer gedanklicher Inhalte nur auf eine sexuelle Stimulation des Betrachters abzielten.
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Dateien auf dem USB-Stick (Asservat 1.4):

[Detaillierte Beschreibung des Inhalts der 17 kinderpornografischen Videodateien]

Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe die auf den USB-Stick befinden Dateien bereits im Jahre 2014/2015 heruntergeladen und nicht mehr benutzt. Er sei davon ausgegangen, dass der Stick bei der Durchsuchung im Ermittlungsverfahren 92 Js 1437/16 sichergestellt und mitgenommen wurde und habe nicht gewusst, dass sich der Stick noch in seiner Schublade befindet.

Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der USB-Stick tatsächlich bei der Durchsuchung übersehen worden sein könnte und diese Dateien nach dem Jahre 2015 jedenfalls nicht mehr bearbeitet wurden.

Es lässt sich daher nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Angeklagte die inkrimierten Dateien nach der Durchsuchung noch wissentlich im Besitz hatte.

In dem genannten vorausgegangenem Verfahren erging am 29.04.2016 ein seit 18.05.2016 rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Maulbronn (1 Cs 92 Js 1437/16) wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften; weitere Tathandlungen, insbesondere der Besitz kinderpomografischer Inhalte, wurden zuvor durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe – Zweigstelle Pforzheim – vom 14.04.2016 gem. §§ 154, 154 a StPO von der weiteren Verfolgung ausgenommen.

Damit ist hinsichtlich des früheren Besitzes der Dateien Strafklageverbrauch eingetreten und der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen.“

StGB III: Der Besitz kinderpornografischer Inhalte, oder: Auffinden allein im Browser-Cache kein Besitzwille

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Und zum Tagesschluss dann noch der AG Pforzheim, Beschl. v. 27.03.2023 – 2 Ls 31 Js 24/22 -, der sich zum Besitzwillen beim Besitz kinderpornografischer Inhalte (§ 184b StGB) äußert.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten einen Verstoß gegen § 184b StGB zur Last. Das AG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt:

„Es besteht kein hinreichender Tatverdacht. Zwar ist der objektive Tatbestand des Besitzes kinderpornografischer Inhalte gemäß § 184b StGB erfüllt, wenn sich entsprechende Dateien wie vorliegend im Browser-Cache des sichergestellten Mobiltelefons befunden haben. Allerdings ist nach aktuellem Verfahrensstand unwahrscheinlich, dass dem Angeschuldigten insoweit Vorsatz nachgewiesen werden kann, ohne dass weitere Ermittlungsansätze ersichtlich wären.

Der Angeschuldigte lässt sich mittels Verteidigerschriftsatz vom 13.03.2023 im Wesentlichen dahingehend ein, er habe das Mobiltelefon gebraucht erworben, nie inkriminierte Dateien heruntergeladen oder einschlägige Webseiten aufgerufen und weder einzelne Dateien aus dem Browser-Cache gelöscht oder diesen „geleert“. Dies lässt sich nicht widerlegen.

Auch wenn der Vortrag, das Mobiltelefon gebraucht erworben zu haben, bislang unsubstantiiert ist, ließe sich dieser ohne Weiteres derart ergänzen, dass er zwar plausibel erscheint aber nicht überprüft werden kann und folglich bei der Urteilsfindung – in dubio pro reo – als wahr unterstellt werden muss.

Hiervon ausgehend, könnte sich ein strafbares Verhalten daher allenfalls aus der späteren Bildung eines Vorsatzes zum Besitz der inkriminierten Dateien ergeben. Dafür müsste der Angeschuldigten zu irgendeinem Zeitpunkt des Besitzes zumindest einen bedingten (vgl. BGH 19.08.2015, 5 StR 275/15) Besitzwillen gebildet haben. Dafür gibt es allerdings keine hinreichen den Indizien, insbesondere wurden weder eine Vielzahl an Dateien an unterschiedlichen Speicherorten festgestellt noch kann ein Aufruf der Dateien aus dem Cache nachgewiesen werden. Selbst wenn im Rahmen der Beweisaufnahme ein späteres Löschen der Dateien durch den Angeschuldigten in der Zeit zwischen Rückgabe des Mobiltelefons und seiner erneuten Beschlagnahme mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könnte, würde dies nicht genügen, denn es könnte – auch wenn er sich bislang so nicht eingelassen hat – weder ausgeschlossen werden, dass der Angeschuldigte die Dateien erst nach Rückgabe des Mobiltelefons entdeckt, aufgerufen und dann sofort gelöscht hat (was straflos wäre: vgl. Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 184b Rn 39-41 m.w.N.) noch dass er den Cache „geleert“ hat ohne seinen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen.

Die Eröffnung des Verfahrens war daher gem. § 204 Abs. 1 StPO aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.“

Einziehung I: Kinderpornografie auf PC/Smarthone, oder: Einziehung oder nur Löschung der Daten?

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Heute dann drei Entscheidungen zu Einziehungsfragen (§§ 73 ff. StGB).

Ich beginne mit dem OLG Celle, Beschl. v. 18.08.2022 – 3 Ss 18/22. Das AG hatte den Angeklagten u.a. auch wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen und des Besitzes kinderpornographischer Inhalte schuldig gesprochen. Es hatte die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 113,77 EUR sowie eines PC-Towers und zweier Smartphones angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision. Die hatte teilweise Erfolg.

„2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs führt zu einem Teilerfolg der Revision.

a) Die Überprüfung der Anwendung von Jugendstrafrecht und der Festsetzung der verhängten Erziehungsmaßregeln gemäß § 10 JGG (Betreuungsweisung und Teilnahme an Projekt „Strecke machen“) und Zuchtmittel gemäß 13 Abs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 3 JGG (Arbeitsauflage) deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, so dass die Revision insoweit ebenfalls als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen war.

b) Bedenken begegnet jedoch Einziehungsentscheidung, soweit sie die Einziehung des PCs und der beiden Smartphones betrifft. Die Nachprüfung der Anordnung der Einziehung des Wertes des durch die Taterlangten (Taten 11 und 12) deckt hingegen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

aa) Keine Bedenken bestehen dahingehend, dass das Amtsgericht bei seiner Einziehungsentscheidung hinsichtlich der Smartphones nicht auf § 74a StGB, Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen, abgestellt hat. Soweit der Angeklagte vorträgt, die Smartphones hätten nicht in seinem (Allein-)eigentum gestanden, sondern diese stünden im Eigentum der Mutter, findet dies keine Stütze in den Feststellungen des Urteils. Ausweislich der Feststellungen handelte es sich bei dem bei der Tat zu Ziffer 1 genutzten Mobiltelefon um „sein“ Mobiltelefon, mithin dem Telefon des Angeklagten. Hinsichtlich der Tat zu Ziffer 2 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich „mit Hilfe seines PC-Towers und Mobiltelefons R. (..)“ aus dem Internet die fraglichen Dateien heruntergeladen hat und auf diesen gespeichert hat. Die Ausführungen im Urteil, dass die Smartphones ihm (den Angeklagten) von seiner Mutter bezahlt worden seien, stehen nicht im Widerspruch zu diesen Feststellungen. Der Einsatz von fremden Geldmitteln steht einem Eigentumserwerb durch den Angeklagten nicht entgegen.

bb) Die auf §§ 184b Abs. 6, 184c Abs. 6 (in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung), § 74 StGB gestützte Einziehung des PC-Towers und der beiden Smartphones begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken. Gemäß §§ 184b Abs. 6 StGB a.F. bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F. (entspricht Absatz 7 der aktuellen Fassung) sind Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach – wie vorliegend Taten 1 und 2 – Abs. 3 bezieht, einzuziehen. Dies betrifft mithin nur Beziehungsgegenstände, also nur das Speichermedium auf dem sich die inkriminierten Dateien befinden, z.B. die Festplatte des zum Herunterladen verwendeten Computers (vgl. BeckOK StGB/Ziegler StGB § 184b Rn. 33), nicht jedoch den gesamten Computer nebst Zubehör. Eine solche Einziehung des für den Speichervorgang genutzten Computers bzw. Handys nebst Zubehör kommt vorliegend allenfalls nach § 74 Absatz 1 2. Alt. StGB als Tatmittel in Betracht, welcher ein Ermessen des Tatrichters einräumt und durch §§ 184b Abs. 6 bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F. ergänzt wird.

Soweit – über die Speichermedien – hinaus die Gegenstände als solche eingezogen worden sind, hat das Tatgericht offenbar verkannt, dass ihm insoweit ein pflichtgemäßes Ermessen zukommt, so dass die Einziehungsentscheidung bereits insoweit keinen Bestand haben kann.

Sowohl für die Einziehung von Beziehungsgegenständen (§§ 184b Abs. 6 bzw. § 184 c Abs. 6 StGB a.F.) als auch hinsichtlich der Tatmittel (§ 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB) gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 74f StGB/vormals § 74 b StGB aF) (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster StGB § 74f Rn. 1, 2; BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919).  Es ist daher zu prüfen, ob von der Möglichkeit des § 74f Abs. 1 S.2 StGB Gebrauch gemacht werden kann, wonach die Einziehungsanordnung vorbehalten bleiben kann, wenn ihr Zweck auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann. In Fällen von Speicherung inkriminierter Bilddateien kann insbesondere deren endgültige Löschung eine solche andere, mildere Maßnahme darstellen (vgl. BGH Beschl. v. 8. Mai 2018 – 5 StR 65/18, BeckRS 2018, 11919 mwN). Soweit mit der Einziehung auch Strafzwecke verfolgt werden, ist insoweit auch abzuwägen, ob die die mit dem Verlust des Eigentums angestrebte Spezial- bzw. Generalprävention auch mit milderen Mitteln zu erreichen ist (vgl. MK-StGB, 4. Auflage, Joecks/Meißner, § 74 f Rn 12; LK-StGB,13. Aufl., Lohse, § 74f Rn 9).

Die Feststellungen des Urteils lassen befürchten, dass sich das Tatgericht dieser Möglichkeit nicht bewusst gewesen ist, da diese allein den – nicht konkret bezifferten Wert – der eingezogenen Gegenstände sowie die verhängten jugendrichterlichen Maßnahmen bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zugrunde gelegt hat.

Dies vorausgeschickt erweisen sich die Feststellungen des angefochtenen Urteils als lückenhaft. Es fehlt an Feststellungen dazu, ob es – insbesondere hinsichtlich der Smartphones – technisch möglich ist, das genutzte Speichermedium auszubauen, sowie weiter dazu, ob und mit welchem Aufwand die – konkret zu bezeichnenden – Dateien von den jeweils genutzten Speichermedien in einer Weise zu löschen sind, dass diese nicht wiederhergestellt werden können (nicht rekonstruierbare Löschung) oder ggf. allein die Formatierung der gesamten Festplatte bzw. des gesamten Speichers ein geeignetes Mittel darstellen kann, die von dem Datenträger ausgehende Gefahr zu beseitigen.

Da der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Das neue Tatgericht wird zugleich die Möglichkeit haben, konkretere Feststellungen zu dem Wert der – dann ggf. – eingezogenen Gegenstände zu treffen.

Für den Fall, dass die nach den Treffen der erforderlichen Feststellungen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass ein milderes Mittel in Betracht kommt, wird das Tatgericht den Vorbehalt der Einziehung unter Anordnung der konkreten Maßnahme zu erklären haben. Werden diese Anweisungen nicht erfüllt, ordnet das Gericht – nach erneuter Prüfung der Verhältnismäßigkeit – nachträglich die Einziehung mittels Beschluss an. Der Senat weist insoweit vorsorglich auf  § 462 Abs. 1S. 2 StPO hin.

Zudem erlaubt sich der Senat folgenden Hinweis: Grundsätzlich legt § 74f StGB dem Einziehungsbetroffenen die Durchführung der Anweisung auf, welchem es überlassen bleibt, ob er die Maßnahme innerhalb der gesetzten Frist selbst durchführt oder auf seine Kosten durchführen lässt (vgl. LK-StGB, aaO, § 74f Rn 11). Die Kostentragungspflicht fällt mithin dem Einziehungsbetroffenen zu. Vorliegend kommt jedoch eine Herausgabe der mit kinder- und jugendpornographischen Dateien inkriminierten Speichermedien offensichtlich nicht in Betracht, so dass – unter Vorbehalt der Einziehung – nur eine Unbrauchbarmachung der Dateien durch staatliche Stellen von Amts wegen in Betracht kommen kann. Es wäre insoweit nicht zu beanstanden, die durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnende Löschung von der vorherigen Zahlung der Kosten abhängig zu machen. Für den Fall wird das Tatgericht ebenfalls Feststellungen zu den zu erwartenden Kosten zu treffen haben.“