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Manchmal sind StGB-AT-Kenntnisse ganz angebracht, oder: Back to the roots

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In Strafverfahren richtet sich der Focus häufig nur/schnell auf verfahrensrechtliche Fragen, das materielle Recht, insbesondere die Fragen des StGB-AT, werden häufig vernachlässigt. Das zeigt sich am BGH, Beschl. v.12.06.2012 – 3 StR 166/12, in dem es um die Abgrenzung Mittäterschaft/Teilnahme ging. Das LG war von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„a) Nach den Feststellungen nahm die Angeklagte in Umsetzung des Tatplanes unter einem falschen Namen telefonisch mit dem Geschädigten Kontakt auf, traf sich mit ihm und brachte ihn schließlich am späten Abend mit ihrem Fahrzeug zu dem abgelegenen Tatort. Dort stieg der Geschädigte aus. Nach ihrer unwiderlegt gebliebenen Einlassung fuhr die Angeklagte weiter, stellte ihr Fahrzeug in einiger Entfernung ab und blieb in diesem sitzen. Nach dem Aussteigen des Geschädigten nötigten die Mitangeklagten diesen unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für dessen Leib und Leben zur Übergabe von 9.000 €, ohne hierauf einen Anspruch gehabt zu haben.“

und hatte den Angeklagten wegen mittäterschaftlicher räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1 und 2, §§ 255, 25 Abs. 2 StGB) verurteilt.

Das hatr dem BGH nicht geapsst:

Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 25 Rn. 12 mwN). Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, StV 2008, 575; Urteile vom 12. Februar 1998 – 4 StR 428/97, NJW 1998, 2149, 2150; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 – 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25). Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach seiner Vorstellung in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so stellt seine Tatbeteiligung Beihilfe dar (§ 27 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 – 3 StR 63/12, StraFo 2012, 194).

c) Daran gemessen kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben. Das Urteil lässt nicht nur die hier zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe gebotene wertende Gesamtbetrachtung vermissen, sondern bereits Feststellungen dazu, ob und in welcher Ausprägung die Angeklagte ein eigenes Interesse an der Tat sowie – über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus – Tatherrschaft oder wenigstens den Willen dazu hatte. Die Annahme der Jugendkammer, die Angeklagte sei Mittäterin, weil sie sich „wissentlich und willentlich an der Drohkulisse“ beteiligt habe, machte die mit Blick auf den festgestellten untergeord-neten Tatbeitrag der Angeklagten gebotene wertende Gesamtbetrachtung so-wie die erforderliche Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht entbehrlich.“

Also: Back to the roots

Gang-Bang-Parties kosten Beamtenstatus… oder Gesetzeshüter im Rotlichtsumpf

so lautet ein Beitrag bei Legal Tribune Online, auf den ich heute mal verweisen möchte. Er behandelt denFall des wegen Beihilfe zur Prostitution verurteilten Polizisten aus Baden-Württemberg.

Hier geht es zum Beitrag von Dr. Michal Deja, LL.M. Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Zeitschrift für Beamtenrecht.

Nebenerwerbsstelle: Cannabisplantage im Haus

Wer einen Nebenerwerb sucht, kann ganz beruhigt sein: Die bloße Anmietung eines Hauses, in dem eine Cannabisplantage eingerichtet werden soll, stellt noch keine Beihilfe zum Handeltreiben dar.

Die Anmietung eines Hauses, in dem zu einem späteren Zeitpunkt eine Cannabisplantage eingerichtet werden soll, stellt keine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln dar – so BGH, Beschl. v 15.02.2011 – 3 StR 491/10 sondern lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung. Auch die weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Handeltreibens bedinge noch nicht, dass das Anmieten des Hauses für die Haupttäter allein deswegen bereits vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge darstellt, weil geplant war, in dem Haus Cannabis anzubauen, das gewinnbringend weiterveräußert werden sollte.

Humanitäre Gründe stehen Strafbarkeit nur ausnahmsweise entgegen

Heute mal wieder etwas Materielles. Das OLG Hamm hat jetzt in seinem Beschl. v. 01.06.2010 – 3 RVs 310/09 zur Frage der Strafbarkeit von gegenüber einem ausreisepflichtigen Ausländer erbrachten Unterstützungshandlungen Stellung genommen. Bei dem Angeklagten handelte es sich um einen Pfarrer, dem das OLG ins Stammbuch geschrieben hat:

Werden gegenüber einem ausreisepflichtigen Ausländer Unterstützungshandlungen erbracht, durch die objektiv die Verletzung der Ausreisepflicht gefördert und erleichtert wird, so können humanitäre Gründe nur in Ausnahmefällen zur Straflosigkeit solcher Unterstützungshandlungen führen, etwa wenn die Hilfeleistungen der Behebung einer akuten Notsituation dienen und ihr Umfang nicht über das Maß der im Einzelfall gebotenen – in der Regel kurzfristigen – Nothilfemaßnahmen hinausgeht.

Wird in Zukunft von „Unterstützern“ zu beachten sein.