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„Wildes Rennen“, oder: Verbotenes Rennen durch (bloßen) Beschleunigungstest zweier Fahrzeuge?

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Die mit einem verbotenen Rennen im Straßenverkehr (§ 29 StVO) zusammenhängenden Fragen spielen in der verkehrsrechtlichen Praxis eine nicht unerhebliche Rolle. Das vor allem, mal abgesehen von den sich aus diesen „Verkehrsvorgängen“ ggf. entwickelnden schweren Folgen (Stichwort: Berliner-Raser-Fall und/oder Kölner-Raser-Fall), auch deshalb, weil die Verhängung eines Fahrverbotes vorgesehen ist. Das KG hat dann jetzt im KG, Beschl. v. 07.06.2017 – 3 Ws (B) 117/17 u. 3 Ws (B) 118/17 – (noch einmal) zu der Frage Stellung genommen, ob der Begriff des Rennens das Erreichen einer „absoluten“ Höchstgeschwindigkeit voraussetzt.  Das KG hat diese Frage verneint:

„Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen in Bezug auf beide Betroffenen ohne weiteres den objektiven Tatbestand eines „Rennens mit Kraftfahrzeugen“ (§ 29 Abs. 1 StVO), das hier nicht organisiert, sondern „wild“ stattgefunden hat und der Ermittlung desjenigen Fahrzeugs diente, das schneller beschleunigt. Ein Rennen mit Kraftfahrzeugen erfordert nicht die Erzielung von „absoluten“ Höchstgeschwindigkeiten. Es reicht vielmehr aus, dass die betroffenen Kraftfahrzeugführer das Beschleunigungspotential ihrer Gefährte vergleichen. Das Urteil schildert, die Betroffenen hätten sich – nach bereits vorangegangener undisziplinierter, aggressiver und in vielerlei Hinsicht verkehrsrechtswidriger Fahrweise durch Charlottenburg – mit ihren Fahrzeugen (beide: Audi A8) an einer Ampel auf der Straße des 17. Juni in einer „Startaufstellung“ nebeneinander aufgereiht und seien „gleichzeitig mit aufheulendem Motor und durchdrehenden Reifen losgefahren“ (UA S. 6), wobei sich der Betroffene X mit dem neueren Modell abgesetzt habe (UA S. 3). Nachdem auf diese Weise das schneller beschleunigende Fahrzeug ermittelt war, nahmen die Betroffenen „Gas weg“ (UA S. 3), um, nachdem sie sich erneut – allerdings nun fahrend – auf einer Linie befanden, „wiederum hörbar Vollgas“ zu geben und ihre Fahrzeuge auf ein Tempo zu beschleunigen, bei dem der Fahrer des verfolgenden Polizeifahrzeugs eine Tachogeschwindigkeit von 90 km/h ablas und sich der Abstand zu den Betroffenen noch erhöhte. Auch die Feststellungen zur inneren Tatseite tragen die Bewertung, die Betroffenen hätten kompetitiv gehandelt (zB UA S. 6: die „Reaktion der Fahrzeuge“ sollte „gegeneinander gemessen“ werden).“

Die mit verbotenen Rennen zusammenhängenden Fragen werden in Zukunft an Bedeutung zunehmen. Denn durch das „Gesetz zur Ahndung illegaler Straßenrennen“, das der Bundestag Ende Juni verabschiedet hat, gelten die Rennen nach dem neuen § 315d StGB künftig als Straftat und nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit. Die neue Vorschrift sieht Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor (vgl. BR-Drucks. 362/16 und BT-Drucks. 18/12936 und 18/12964). Die alte Rechtsprechung zu § 29 StVO wird dann bei der Auslegung des § 315d StGB von Bedeutung sein.

Die Geschäftsreise des (Pflicht)Verteidigers, oder: Reisekosten sind schwer

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Reisekosten des (Pflicht)Verteidigers spielen in der Praxis immer wieder eine große Rolle. So auch im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.02.2016 – 3 Ws 409/15. Da hatte ein Pflichtverteidiger Vorschüsse auf die ihm aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung (§ 47 RVG) geltend gemacht, wobei er jeweils Hin-und Rückfahrtkosten für die Fahrten zwischen seinem Wohnsitz in Stuttgart und dem Gerichtsort Mannheim als Reisekosten angesetzt hatte. Die Staatskasse hat aber nur Reisekosten für die Strecke zwischen dem Kanzleisitz des Rechtsanwalts in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim anerkannt. Das OLG hat der Staatskasse Recht gegeben:

„2. Die Beschwerde ist unbegründet, weil dem Beschwerdeführer nur Fahrtkosten für die Strecke zwischen seinem Kanzleisitz in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim als Geschäftsreisekosten i.S.v. RVG VV-Vorbem. 7 Abs. 2 i.V.m. VV Nr. 7003 zu erstatten sind. Einen Anspruch auf Erstattung der – darüber hinausgehenden – Kosten für die Fahrten von/zu seinem Wohnsitz in Stuttgart hat er dagegen nicht.

Fahrten zwischen der Wohnung des Rechtsanwaltes und seiner Kanzlei unterfallen nicht dem Begriff der Geschäftsreise, da sie allgemein der Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit dienen und nicht einem besonderen Geschäft zuzuordnen sind (vgl. Mayer/Kroiß-Ebert, RVG, 6. Aufl., Rdn. 8 zu Vorbemerkung 7). Die Kosten für Fahrten zwischen Wohn- und Kanzleisitz stellen deshalb allgemeine Geschäftskosten dar, welche nach RVG VV-Vorbem. 7 Abs. 1 bereits mit den Gebühren abgegolten sind (vgl. Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., vor Nr. 7000 VV Rdn. 15) und nicht als Reisekosten, also als Auslagen i.S.v. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 1 RVG, abgerechnet werden können (vgl. Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 7. Aufl., Rdn. 41 zu Vorbemerkung 7). Ausgehend von dieser Systematik der Trennung von Gebühren und Auslagen ist bei der Berechnung der Fahrkosten für eine Geschäftsreise i.d.R. nicht auf den Wohnsitz des Rechtsanwalts, sondern auf die Strecke zwischen Kanzleisitz, wohin der Rechtsanwalt in aller Regel an Wochentagen ohnehin fährt, und dem Ort des Gerichtstermins abzustellen (vgl. OLG Hamm, B. v. 6.11.1990 – 2 Ws 441/90; Gerold/Schmitt, RVG, 22. Aufl., Rdn. 18 zu 7003-7006 VV; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., Rdn. 19 zu 7003-7006 VV). Dafür, dass für die Berechnung der Reisekosten grundsätzlich der Kanzlei- und nicht der Wohnsitz maßgeblich ist, spricht zudem, dass die Kanzlei der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit ist; wenn der Rechtsanwalt allerdings von seinem näher am Gerichtsort gelegenen Wohnsitz zum Gerichtstermin fährt, kann er lediglich die gefahrene (kürzere) Strecke abrechnen, da nur tatsächlich angefallene Auslagen geltend gemacht werden können.

Ausgehend von diesem Maßstab, der sich neben der Systematik der Auslagenerstattung auch aus dem – allgemein für das Kostenrecht und über § 46 Abs. 1 RVG auch konkret für die Reisekostenvergütung geltenden – Grundsatz der Kostensparsamkeit ergibt, stehen dem Beschwerdeführer lediglich die (Reise-)Kosten für die Strecke zwischen seiner Kanzlei in Pforzheim und dem Gerichtsort Mannheim zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird damit von dem Pflichtverteidiger weder verlangt, dass er je nach Gericht seinen Wohnort ändert, noch dass er vor Verhandlungstagen in seiner Kanzlei übernachtet. Dem Rechtsanwalt steht es weiterhin vollkommen frei, Wohn- und Kanzleisitz in unterschiedlichen – gegebenenfalls weit voneinander entfernten – Gemeinden zu nehmen und von seinem Wohnsitz aus direkt zum Gerichtstermin anzureisen. Er kann nur die zwischen Wohn- und Kanzleisitz liegende Strecke nicht als Kosten einer Geschäftsreise geltend machen und hat deshalb i.d.R. die Strecke von/zu seinem Kanzleisitz abzurechnen. Diesem Ergebnis steht auch nicht der vom Beschwerdeführer zitierte – allerdings eine andere Fallkonstellation (Fahrt vom Kanzleisitz zu einem Gerichtstermin am Wohnort des Rechtsanwalts) behandelnde – Beschluss des OLG Düsseldorf vom 23.2.2012 (NJW-RR 2012, 764) entgegen; auch dort wurden die angefallenen Kosten für die Strecke zwischen Kanzlei- und Gerichtsort zugesprochen.“

Wenn der Ölschlauch undicht ist – wer haftet wie woraus?

entnommen wikimedia.org Urheber Valder137

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Der Winter naht mit Riesenschritten. Und damit auch die Heizperiode. Und das bedeutet, dass man, wenn mit Öl heizt, den Öltank schön voll haben sollte und ggf. nachtanken muss, um über den Winter zu kommen. Frage: Was ist nun eigentlich mit Schäden, die beim Betanken entstehen. Wer haftet wie woraus? Antwort drauf gibt das BGH, Urt. v. 08.12.2015 – VI ZR 139/15. Da hatte in einer Nachbarschaft ein Nachbar der Kläger für diese und weitere Anwohner bei der Beklagten zu 1) Heizöl bestellt. Diese lieferte im August 2006 mit ihrem bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeug- und betriebshaftpflichtversicherten Tanklastwagen das bestellte Öl an. Der bei der Beklagten angestellte Fahrer stellte den Tanklastwagen vor dem Haus der Kläger auf der (öffentlichen Straße) ab und verband den Öltank des Fahrzeugs mit Hilfe eines Schlauchs mit dem Öleinfüllstutzen am Haus der Kläger. Daraufhin ging er mit dem Kläger in den Keller, um die Befüllung der Öltanks zu überwachen. Da eine gleichmäßige Beladung nicht stattfand, gingen beide nach oben, öffneten die Haustür und sahen, dass aus einem Verbindungsschlauch an einer Stelle zwischen Messeinheit und Schlauchtrommel des Tanklastwagens in einer Art Fontäne Öl herausspritzte. Der Fahrer stellte die Betankungsanlage ab, um weiteren Ölaustritt zu verhindern. Das Öl war jedoch bereits auf die Hausfassade des Anwesens der Kläger gespritzt und in das Erdreich vor dem Haus eingedrungen. Infolge des Öffnens der Tür war Öl in den Hausflur gelangt, durch ein geöffnetes gekipptes Küchenfenster auch in die Küche. Auch die Straße vor dem Haus der Kläger war mit Öl verschmutzt.

Die Kläger haben den ihnen entstandenen Schaden unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 StVG sowie von § 2 Abs. 1 S. 1 HPflG geltend gemacht. Sie waren der Ansicht, für jede Anspruchsgrundlage bestehe ein Direktanspruch, denn die Betätigung der Be- und Entladevorrichtung eines Sonderfahrzeugs gehöre zum Gebrauch des Fahrzeugs i.S.v. § 10 AKB. LG und OLG haben der Klage auf Zahlung von Schadensersatz teilweise – immerhin in Höhe von 72.251,– €  stattgegeben.  Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Dazu aus der BGH-Entscheidung die Leitsätze:

„1. Werden beim Entladen von Heizöl aus einem Tanklastwagen wegen einer Undichtigkeit des zur Schlauchtrommel des Wagens führenden Verbindungsschlauches die Straße und das Hausgrundstück des Bestellers beschädigt, ist das dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zuzurechnen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 23. Mai 1978 – VI ZR 150/76, BGHZ 71, 212 ff.).
2. Das Entladen von Öl aus einem Tanklastwagen mittels einer auf ihm befindlichen Entladevorrichtung gehört zum „Gebrauch“ des Kraftfahrzeuges (Anschluss an Senatsurteil vom 26. Juni 1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45 ff.). Diese Auslegung steht mit der 1. und 5. KH-Richtlinie in Einklang.“

Nachtrag: Mich irritiert, dass die Entscheidung auf der Homepage des BGH nicht mehr zu finden ist (heute bei Vorbereitung des Beitrags am 04.09.2016). Da heißt es: „Das gewünschte Dokument steht nicht zur Verfügung. Eventuell ist es nicht mehr oder noch nicht freigegeben.“ Warum auch immer ……

Nachtrag 2:Und ei der Daus – jetzt – am 11.09.2016 – ist die Entscheidung beim BGH auch wieder da-