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Vier Pflichtverteidigungsfragen, oder: Landgerichte können auch anders

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In Zusammenhang mit einem anderen Posting hat mich vor einiger Zeit ein Kollege auf den LG Neubrandenburg, Beschl. v. 12.120.2016 –     82 Qs 58/16 jug – hingewiesen. Mit dem eröffne ich dann die 17. KW. Der Beschluss behandelt Fragen der Pflichtverteidigerbeiordnung. Da der Beschluss verhältnismäßig lang ist, beschränke ich mich hier allerdings weitgehend auf die Leitsätze, die lauten:

  1. Der von einem Wahlverteidiger im Schlussplädoyer bedingt „für den Fall des Schuldspruches“ gestellte Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger ist unzulässig.
  2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Pflichtverteidigerantrag ist zulässig.
  3. Es wird an der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Beiordnung des Pflichtverteidigers nach Verfahrensabschluss regelmäßig ausgeschlossen ist – jedenfalls soweit es abgeschlossene Jugendstrafverfahren betrifft – nicht mehr festgehalten.

Und zur Begründung der Beiordnung heißt dann es:

„Die Beschwerde ist begründet. Die Aktenlage war bereits in einem frühen Verfahrensstadium dadurch gekennzeichnet, dass die durch Zeugen dargestellte Unfallsituation kaum mit dem Schadensbild in Übereinstimmung zu bringen war. Ebenso war es nach Aktenlage zweifelhaft, ob der Unfall vom Verurteilten bemerkt worden ist. Insofern ist zu Recht – allerdings wohl erst auf nachhaltiges Insistieren seitens der Verteidigung – ein Sachverständiger beauftragt worden, der dann auch ein schriftliches Gutachten abgegeben hat, welches den Unfallhergang ohne weiteres in einer der Aktenlage entgegenstehenden Art und Weise annimmt.“

Schöner Beschluss 🙂 . Landgerichte können also auch anders und könne, wenn sie wollen, sich richtig viel Mühe machen. 🙂

LG Stuttgart macht die Sanktionsschere zu

Im Oktober hatte ich unter dem Titel „Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?“ über eine Entscheidung des AG Montabaur v. 01.09.2010 – 2040 Js 30257/10 42 Cs berichtet, in der dieses einen bedingten Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Strafbefehlsverfahren als unzulässig angesehen hat. Der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO könne im Strafbefehlsverfahren nicht unter der Bedingung gestellt werden, dass der Beschuldigte keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einlege.

Es ist ein Gebot wissenschaftlicher Fairness nun darüber zu berichten, dass das LG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2011 – 18 Qs 22/11 dies genau anders sieht. M.E. nicht zutreffend, aber immerhin eine „a.A.“. Vielleicht gibt es ja demnächst mal ein OLG, das sich mit der Frage auseinander setzen muss. Dürfte allerdings schwer sein/werden, dort hin zu kommen.