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StGB III: Pflichtwidriges Verschweigen von Vermögen, oder: Beginn der Offenbarungspflicht in der Insolvenz

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Und zum Tagesschluss dann mit dem LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 28.10.2021 – 12 Ns 511 Js 2080/19 – noch etwas Insolvenzstrafrechtliches (§ 283 StGB).

Das LG hat die Berufung eines Angeklagten gegen ein Urteil des AG als unbegründet verworfen. Das hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts durch Verheimlichen eines Grundstücks in einem laufenden Insolvenzverfahren (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der Angeklagte hatte im Insolvenzverfahren ein Grudnstück, das er von seiner Mutter geerbt hatte, nich offenbart; wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext.

Das LG führt zur Offenbarungspflicht aus:

„3. Der Angeklagte hat das Grundstück verheimlicht. Verheimlichen erfasst jedes Verhalten, durch das ein Vermögensbestandteil der Kenntnis der Gläubiger oder des Insolvenzverwalters entzogen wird (RG, Urteil vom 2. Mai 1930 – I 296/30, RGSt 65, 138, 140; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juni 1997 – 1 Ws 56/97, NStZ 1997, 551). Es kann in einem positiven Tun (unrichtige Angaben) oder in einem pflichtwidrigen Unterlassen (Verschweigen) bestehen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1957 – 1 StR 492/57, BGHSt 11, 145, 146; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 1 StR 626/16, juris Rn. 4; Bosch in SSW-StGB, 5. Aufl., § 283 Rn. 6; Brand in Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 69 m.w.N.).

Hier lag ein pflichtwidriges Unterlassen vor. Gemäß § 20 Abs. 1, § 22 Abs. 3 Satz 3, § 97 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzschuldner verpflichtet, im Eröffnungs- und im Insolvenzverfahren dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter, auch ungefragt Vermögensbestandteile zu offenbaren, die – wie hier das Grundstück – in die Masse fallen können (BGH, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15, juris Rn. 15). Der Schuldner muss sie von sich aus ohne besondere Nachfrage offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen (BGH, Beschluss vom 8. März 2012 – IX ZB 70/10, juris Rn. 13 m.w.N.). Dieser Pflicht hat der Angeklagte bewusst nicht entsprochen.

Der Angeklagte hätte sein Eigentum an dem Grundstück längstens binnen zweier Wochen offenbaren müssen. Zurückzuweisen ist in diesem Zusammenhang die These der Verteidigung, es stünde dem Insolvenzschuldner frei, darüber zu bestimmen, wann er seiner Offenbarungspflicht genüge, weil das Gesetz keine Fristen für die Auskunftserteilung nenne. Nach überzeugender Auffassung im insolvenzrechtlichen Schrifttum hat der Schuldner wegen des das gesamte Insolvenzverfahren beherrschenden Beschleunigungsgebots die Auskunft regelmäßig innerhalb von zwei Wochen – nach Umständen des Falls auch deutlich früher – zu erteilen (Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 20 Rn. 20; Böhm in Braun, InsO, 8. Aufl., § 20 Rn. 10; Laroche in Kayser/Thole, HK-InsO, 10. Aufl., § 20 Rn. 14). Die Pflichtverletzung, und damit das tatbestandsmäßige Verheimlichen, tritt somit nach verschwiegenem Fristablauf ein. Zum ähnlichen Ergebnis gelangt eine strafrechtliche Literaturmeinung, die die Wertungen beim Vereiteln i.S.d. § 258 StGB (Verzögerung über „geraume Zeit“) auf das Verheimlichen i.S.d. § 283 StGB übertragen will (Brand in Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 68), was je nach Lage des Falles einen Zeitraum von zwei Wochen, gegebenenfalls kürzer oder länger (vgl. Jahn in SSW-StGB, 5. Aufl., § 258 Rn. 14 m.w.N.) bedeuten kann. Vorliegend war eine Zweiwochenfrist mehr als angemessen. Die Mitteilung des Eigentums an dem Grundstück hätte für den Angeklagten keinerlei Aufwand oder Mühe bedeutet.

Den Fristbeginn setzt die Kammer objektiv mit dem Erbfall an. In diesem Zeitpunkt ist der Angeklagte Universalrechtsnachfolger der Erblasserin und damit Eigentümer des Grundstücks geworden. Der Eigentumserwerb war zunächst zwar ein nur vorläufiger, weil dem Angeklagten nach der Testamentseröffnung noch die sechswöchige Ausschlagungsfrist (§ 1942 Abs. 1, § 1944 Abs. 1, 2 BGB, § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO) zustand. Damit fiel der Nachlass aber auch schon vorläufig – auflösend bedingt durch eine Ausübung des Ausschlagungsrechts – in die Masse (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 56/12, juris Rn. 11), sodass schon hierüber vom Angeklagten ungefragt Auskunft zu erteilen war. Durch das Verschweigen des Grundstücks ist der Verheimlichungserfolg – die Unkenntnis des Insolvenzgerichts und der Zeugin H und damit der fehlende Zugriff auf das Grundstück –, wie geschildert, eingetreten.“

Und dann noch zur Strafzumessung der Leitsatz:

Wird das Verheimlichen eines Vermögensgegenstandes im laufenden Insolvenzverfahren durch dessen pflichtwidriges Verschweigen und damit durch ein Unterlassen begangen, ist eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht angezeigt.

Lesenswerter Volltext des BGH zum Bankrott in „Sachen MobilCom“

Ich hatte am 30.04.2010 auf das Urteil des 3. Strafsenats vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09 –, durch das die Verurteilung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der MobilCom AG wegen Bankrotts aufgehoben worden war, berichtet (vgl. hier)., Inzwischen steht der Volltext der Entscheidung auf der HP des BGH. Das Urteil ist immerhin 27 Seiten lang und für die amtliche Sammlung bestimmt. das zeigt also die Bedeutung für die Praxis. Zum Leitsatz:

Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn der Zugriff auf den weggegebenen Vermögensbestandteil für einen Insolvenzverwalter im Rahmen der Gesamtvollstreckung (Insolvenz) wesentlich erschwert wird.“

Lesenswert!

BGH: Vorwurf des Bankrotts gegen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der MobilComAG muss nach Boxenstopp in die 2. Runde

Der BGH meldet in seiner PM 95/2010 zu einem Urteil des 3. Strafsenats vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09 – die Aufhebung einer Verurteilung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der MobilCom AG wegen Bankrotts. Das LG Kiel hatte den Angeklagten wegen Bankrotts in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und ausgesprochen, dass wegen eines Verstoßes gegen das Gebot zügiger Verfahrenserledigung fünf Monate der Strafe als verbüßt gelten. Der 3. Strafsenat des BGH hat dieses Urteil aufgehoben.

Nach den Feststellungen des LG hatte die ehemalige Landesbank Sachsen im Herbst 2002 ein dem Angeklagten gewährtes Darlehen über ca. 100 Mio. EUR gekündigt, weil dieser verlangte weitere Sicherheiten nicht stellte. Über die Rückzahlung eines Teilbetrages von 20 Mio. EUR hatte sie bereits ein – noch nicht rechtskräftiges – erstinstanzliches Urteil erwirkt. In dieser Situation überwies der Angeklagte 500.000 EUR und 240.000 EUR auf ein unter seinem Namen geführtes Konto bei einer Bank in Liechtenstein. Außerdem verkaufte er Geschäftsanteile auf einen Trust, dessen Gesellschafterin seine Ehefrau war, und ließ den Kaufpreis von 500.000 EUR ebenfalls auf das Konto in Liechtenstein transferieren. Von einem Teil des Geldes kaufte der Angeklagte Aktien der MobilCom AG, die er in ein an seine Ehefrau abgetretenes Wertpapierdepot einbuchen ließ. Versuche der Sachsen LB, auf das Konto in Liechtenstein im Wege der Zwangsvollstreckung zuzugreifen, blieben ohne Erfolg. Das LG hat die Auffassung vertreten, durch diese Vorgehensweise habe sich der Angeklagte in drei Fällen des Bankrotts schuldig gemacht. Zwar sei die Darlehenskündigung durch die Landesbank Sachsen unwirksam gewesen, weil ihr Nachsicherungsverlangen überhöht gewesen sei; dennoch habe dem Angeklagten die Zahlungsunfähigkeit gedroht, weil die Landesbank Sachsen die Kündigung jederzeit habe nachholen können und dem Angeklagten die Rückzahlung der gesamten Darlehenssumme nicht möglich gewesen sei. In dieser Lage habe er durch die Vermögenstransfers nach Liechtenstein Bestandteile seines Vermögens beiseite geschafft.

Nach der Entscheidung des BGH hat das LG seine Rechtsansicht nicht rechtsfehlerfrei begründet. Denn es habe bei der Auslegung des Merkmals „Beiseiteschaffen“ im Bankrotttatbestand auf die Erschwernisse für die Landesbank Sachsen bei der Einzelzwangsvollstreckung abgestellt und sich nicht mit der Frage befasst, ob infolge der Überweisungen auf das Konto in Liechtenstein eine wesentliche Erschwernis des Zugriffs durch einen Insolvenzverwalter im Rahmen einer Gesamtvollstreckung (Insolvenz) eingetreten ist. Die Urteilsgründe stellten auch keine ausreichende Grundlage dar, um das Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens aus anderen Gründen mit der notwendigen Sicherheit bejahen oder verneinen zu können. Es habe daher weder die Verurteilung aufrechterhalten noch der Angeklagte durch den BGH freigesprochen werden können. Die Sache müsse deshalb von einer anderen Strafkammer des LG Kiel neu verhandelt und entschieden werden.

Urteil des BGH vom 29.04.2010

Az.: 3 StR 314/09