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„Pflichti 5“ – „Will einen neuen Pflichtverteidiger, der alte kümmert sich u.a nicht ums Hörgerät…

entnommen von wikimedia.org - photo taken by Udo Schröter

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In einem BtM-Verfahren war der Angeklagten ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Sie hat dann dessen Entpflichtung beantragt und um Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts anchgesucht. Damit hatte sie weder beim LG noch beim KG Erfolg. Das führt zur Auswechselung des Pflichtverteidigers im KG, Beschl. v. 24.10.2013 – 4 Ws 136/13 aus:

„Mit der Beschwerde hat die Angeklagte behauptet, sie habe kein Vertrauen mehr zu Rechtsanwalt pp. weil dieser sie in den letzten Monaten nicht ausreichend über das Verfahren informiert und „öfter“ vereinbarte Termine nicht eingehalten habe sowie telefonisch für sie nicht erreichbar gewesen sei. Sie habe „niemals Post“ von ihrem Verteidiger erhalten und dieser habe sich — entgegen ihrer Bitte — nicht dafür eingesetzt, dass sie vor der Hauptverhandlung mit einem (neuen) Hörgerät versorgt wird. Diese angeblichen Versäumnisse des Pflichtverteidigers rechtfertigen den behaupteten Vertrauensverlust schon für sich betrachtet nicht. Der Verteidiger ist rechtskundiger Beistand (nicht Vertreter) des Angeklagten und unabhängig, das heißt frei (auch) von dessen Weisungen. Die Verteidigung führt er in eigener Verantwortung. Er entscheidet auch über die Art und Weise der Kommunikation mit dem Ange-klagten. Zu schriftlicher oder telefonischer Kontaktaufnahme ist der Verteidiger unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet. Dass sie seit Bestehen der Pflichtverteidigung nicht in der Haftanstalt aufgesucht und die Anklagevorwürfe nicht mit ihr erörtert habe, behauptet die Angeklagte selbst nicht. RA. pp. hat vielmehr in seinem Schriftsatz vom 10. September 2013 mitgeteilt, dass er — nachdem er für die Beschwerdeführerin Akten-einsicht genommen hatte — den Akteninhalt in insgesamt 14 Besuchen in der Justizvollzugsanstalt für Frauen sukzessiv mit der Angeklagten besprochen und eine Verteidigungsstrategie festgelegt habe. Von mangelndem Kontakt zwischen der Angeklagten und ihrem Pflichtverteidiger kann danach nicht die Rede sein. Unterschiedliche Ansichten hinsichtlich des Verteidigungskonzeptes werden nicht behauptet. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Pflichtverteidiger die Angeklagte, der mit RA pp. ein zweiter Pflichtverteidiger beigeordnet ist, nicht auch in dem weiteren Verfahren ordnungsgemäß vertreten wird.“

Das war dann „Pflichti 5“ – zu Pflichti 1 – 4 geht es hier:

Die erforderliche Auswechselung des „quasi aufgezwungenen“ Pflichtverteidigers

Kurz und trocken hat das LG Bochum in einem Beschl. v. 01.12.2010 – II 21 KLs 36 Js 370/10 – 25/10 – den Pflichtverteidiger ausgewechselt, nachdem dem Beschuldigten im Verfahren nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO keine Gelegenheit gegeben worden war zur Pflichtverteidigerbestellung Stellung zu nehmen. Und zwar Auswechselung ohne Wenn und Aber, sprich: Ohne Sperenzchen bei der Frage der Kosten/gesetzlichen Gebühren.

Der (unzulässige) Gebührenverzicht des Rechtsanwalts und seine Auswirkungen auf die Auswechselung des Pflichtverteidigers

Wir kennen alle die Konstellation: Dem Beschuldigten ist ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Er möchte einen neuen. Dann stellt sich die Frage der Auswechselung. Wann die zu erfolgen hat, ist umstritten. Jedenfalls  ist aber die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung der Ansicht, dass dann, wenn der Angeklagte und beide Verteidiger damit einverstanden sind, hierdurch keine Verfahrensverzögerung droht und der Landeskasse keine Mehrkosten entstehen, eine Auswechselung i.d.R. in Betracht kommt. Damit hängt die Frage entscheidend von den „Mehrkosten“ ab.

An dem Punkt scheiden sich dann aber die Geister, wenn es nämlich um die Frage geht, ob der „neue Pflichtverteidiger“ auf seine gesetzlichen Gebühren verzichten kann, mit der Folge, dass er dann beizuordnen/auszuwechseln ist. Das hat jetzt vor kurzem das OLG Naumburg im Beschl. v. 14.04.2010 – 2 Ws 52/10 – verneint. § 49b BRAO gilt nach seiner Auffassung nicht nur für vertragliche Absprachen zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt oder nur für nicht auch für gegen die Landeskasse gerichtete Ansprüche, sondern erfasst auch den gesetzlichen Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers. Dieser könne daher nicht, auch nicht teilweise, auf seine gesetzliche Vergütung verzichten (gegen OLG Frankfurt StRR 2008, 69; OLG Bamberg NJW 2006, 1536 f.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28. 07. 2008, 1 Ws 262/08). Schließt man sich dem an, scheidet auch eine einverständliche Auswechselung aus.